Li Yuan-Bibliothek in Jiaojiehe

Fassade aus unbehandelten Ästen und Zweigen

Nordöstlich von Peking, etwa zwei Autostunden vom Zentrum der Metropole entfernt, liegt der rund 2.100 km² große Stadtbezirk Huairou. Eingebettet in eine malerische Wald- und Gebirgslandschaft setzt er sich aus kleinen, teils abgelegenen Städten, Gemeinden und Dörfern zusammen, zu denen auch Jiaojiehe gehört. Der kleine Ort ist geprägt durch traditionelle Wohnbauten und wird oft von Touristen aufgesucht – sie wollen einen Abschnitt der Chinesischen Mauer (Mu Tian Yu) besichtigen, der dieses Gebiet durchquert. Abgesehen davon leben die Einwohner jedoch eher zurückgezogen.

Die Äste in der Fassade dienen als Schutz gegen Blendung und Überhitzung, hinterlassen aber auch ein wechselndes Licht- und Schattenspiel
Durch die einfache Form und Materialität integriert sich der Baukörper in die Landschaft
Die Äste sorgen für die lebendige Textur der Fassade, sie werden in Holzrahmen zusammengefasst

In diesem Umfeld bot die Planung der Li Yuan-Bibliothek eine besondere Herausforderung für das Atelier Li Xiaodong: Sie wollten ein modern gestaltetes Gebäude schaffen, das eng mit dem Ort verknüpft ist. Nach einer Standortanalyse beschlossen sie, den Neubau nicht in der Ortsmitte, sondern an einem ruhigen Ort in den Bergen zu errichten, der über einen kurzen Fußweg erreichbar ist. Auf diese Weise wird die Schönheit der Landschaft betont und ist für die Besucher der Bibliothek erfahrbar.

Die Architekten ordneten 175 m² Nutzfläche in einem zweigeschossigen, rechteckigen Baukörper an, der durch seine Materialität beinahe mit der Landschaft verschmilzt. Dafür sorgen vertikale, dicht aneinander gereihte Äste, die in Holzrahmen befestigt und einer Glasfassade vorgesetzt wurden. Inspirieren ließen sich die Planer zu diesem Material von den Einheimischen, die auf ihren Grundstücken gesammelte Äste und Zweige stapeln, um sie später zur Beheizung ihrer Kochstellen zu verwenden. Für die Verwendung in der Fassade wurden unbehandelte Äste lediglich auf die richtige Länge zugeschnitten.

Im Gegensatz zum schlichten Äußeren der Bibliothek ist der Innenraum expressiv mit Holz gestaltet. Das Holztragwerk des Gebäudes ist sichtbar und wird teilweise zur Lagerung der Bücher verwendet. Unterschiedliche Höhenniveaus, Stufen und niedrige Regale dienen als Leseflächen, eine Plattform kragt von der unteren Ebene nach außen und bietet zusätzlichen Aufenthaltsraum. Die Fenster rahmen Ausschnitte der Landschaft, die auf diese Weise ähnlich wie Bilder zu einem Teil des Innenraums werden.

Die der Glasfassade vorgesetzte Aststruktur verhindert die Überhitzung der Bibliothek und sorgt für blendfreies Licht. Je nach Sonnenstand hinterlassen die Äste ein wechselndes Licht- und Schattenspiel, das zum kontemplativen Charakter des Ortes beiträgt. -cr

Bautafel

Architekt: Li Xiaodong Atelier, Peking/RC
Projektbeteiligte: Li Xiaodong, Liu Yayun, Huang Chenwen, Pan Xi (Entwurfsteam)
Bauherr: Gemeinde Jiaojiehe, Huairou/RC
Fertigstellung: 2011
Standort: Gemeinde Jiaojiehe, Huairou
Bildnachweis: Li Xiaodong, Peking

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