Kult Westmünsterland in Vreden

Ziegelhülle und bewegte Dachlandschaft für alt und neu

Die Nutzungsvielfalt und eine behutsame Verknüpfung von Neubau und Bestand machen das Kult Westmünsterland, dessen Name für „Kultur und lebendige Tradition” steht, zu einem Identifikationspunkt. Am Rande der Altstadt von Vreden vereint der Gebäudekomplex unterschiedliche Nutzungen: Neben einem kulturhistorischen Museum haben die Kulturverwaltung, das Stadt- und Kreisarchiv sowie das Landeskundliche Institut in dem Ensemble mit Klinkerfassade und gefalteter Dachlandschaft ihren Sitz.

Geplant haben es Pool Leber Architekten aus München.
Gebäudeteile aus unterschiedlichen Epochen wurden zusammengefasst, zeichnen sich aber durch Gestaltungsunterschiede an den Fassaden noch immer ab.
Das Nebeneinander bleibt durch Fassadenversätze, divergierende Fensterachsen und unterschiedliche Ziegelbrennungen ablesbar.

Unregelmäßig gefaltete Dachlandschaft eint alt und neu
Vorausgegangen war ein langer politischer und städtebaulicher Entwicklungsprozess, den ein Wettbewerb 2013 abschloss. Beauftragt wurden schließlich die Zweitplatzierten, Pool Leber Architekten aus München. Das neue Kulturzentrum führt auf 4.600 Quadratmetern Geschossfläche neue Bauteile mit Bestandsbauten des Hamaland-Museums unter einer unregelmäßig gefalteten Dachlandschaft zusammen. Das Armenhaus und der Pulverturm, zwei denkmalgeschützte Bauten des 14. und 16. Jahrhunderts, wurden von Anbauten der 1980er-Jahre befreit.

Ursprünglich sollten die Fassaden von einigen Bauteilen der 1970er- und 80er-Jahre erhalten bleiben. Sie erwiesen sich jedoch als so sanierungsbedürftig, dass sie, wie der Neubau, mit Klinkern versehen wurden. Das Nebeneinander von Häusern verschiedener Epochen bleibt durch Fassadenversätze, divergierende Fensterachsen und unterschiedliche Ziegelbrennungen ablesbar. Einige Details wie Betonfertigteile aus den 1970er-Jahren oder postmoderne Gesims- und Pilasterausbildungen der 1980er-Jahre blieben erhalten oder wurden in den Klinker übertragen.

Atrium als Kreuzungspunkt wichtiger Achsen
Die kohlegebrannten Ziegel fügen sich in die durch historische Bausubstanz geprägte Umgebung ein. Eine andere Sprache spricht der Innenraum, wo die Tragstruktur aus Stahlbeton offen liegt. Auf dessen Oberfläche zeichnet sich die Maserung der Holzschalungen ab. Insbesondere die Eingangshalle mit großem Treppenhaus und Atrium wird durch den rohen Charakter des Beton Brut geprägt. Dieser Ort markiert den Schnittpunkt einer neu angelegten „Kulturachse", die ins Stadtzentrum führt, und einer internen „Zentrumsachse", welche von hier in südöstlicher Richtung durch den Komplex verläuft. Diese ist flankiert von leuchtend gelben Räumen und Einbauten unter anderem für den Museumsshop, die Kasse und Garderoben.

Um Kosten und Energie zu sparen, wurde auf eine flächendeckende Klimatisierung verzichtet. Das Gebäude ist stattdessen in drei klimatische Zonen aufgeteilt: Vollklimatisiert sind nur die Sonderausstellung, der große Veranstaltungsraum, die Klimakammer im Magazin und das Archiv. Das Museum ist teilklimatisiert; hier wird die Luft bei Bedarf befeuchtet. Andere Gebäudeteile wie die Bibliothek, der Verwaltungstrakt sowie die denkmalgeschützten Bauten werden über die Fenster belüftet.

Drei Erschließungskerne führen im Museum die Zu- und Abluft. Für die Wärme- und Kälteerzeugung sorgen zwei gasbetriebene Luft/Wasser-Wärmepumpen. In der Regel erzeugt die eine Kälte, die andere Wärme. Die Wärmerückgewinnung erfolgt über einen Rotationswärmetauscher. Insgesamt liegen die Betriebskosten für den neuen Komplex mit verdreifachter Grundfläche nicht höher als die alten Betriebskosten. Mit einem Heizwärmebedarf von 62 kWh/m2 unterschreitet der Neubau die Anforderungen der EnEV um 25 Prozent.

Dach: Tragwerke aus fünf Epochen
Durch die Verbindung von Bestandsbauten und Neubau entstand eine Dachlandschaft mit verschiedenen Firsthöhen und unterschiedlichen Neigungen. Die Altbauten erforderten differenzierte Tragwerkssysteme, jedes Gebäudeteil ist anders konstruiert. Der Neubau ist aus Stahlbeton mit einem Holzsparrendach errichtet. Ein Bestandsgebäude aus den 1980er-Jahren hat ein Stahlbetonskelett mit Mauerwerksausfachung und ein Holzsparrendach. Ein Altbau der 1970er-Jahre ist ein Stahlskelettbau mit Mauerwerksausfachung und einem Dachtragwerk als Stahl-Holz-Mischkonstruktion. Die historischen Trakte des 14. und 16. Jahrhunderts sind Mauerwerksbauten mit Holzsparrendächern. Der Pulverturm wurde in seine Ursprungsform zurückgeführt, indem man die Firstrichtung nach Vorbild einer historischen Stadtansicht drehte.

Dachaufbau des Neubaus (von außen nach innen):

  • Schalung und Titanzink, Doppelstehfalzdach
  • Schalung und Lüftungsebene
  • Holzsparren
  • Akustiklochdecke Gipskarton

Bautafel

Architekten: Pool Leber Architekten, München (Wettbewerb & Planung); Bleckmann Krys Architekten, Münster (Ausschreibung & Bauleitung) 
Projektbeteiligte: Spangemacher Ingenieure, Raesfeld (Tragwerksplanung); RTS Ingenieure, Stadtlohn (Heizungs- und Sanitärplanung); K & L Energie, Hamminkeln (Lüftungsplanung); Hansen Ingenieure, Wuppertal (Bauphysik); agn Niederberghaus und Partner, Ibbenbüren (Projektsteuerung); Heinrich Temmink, Vreden (Rohbau und Verblender); Brüggemann Dach- & Wandtechnik, Neuenkirchen (Zimmermann)
Bauherr: Kreis Borken, Stadt Vreden
Standort: Kirchplatz 14, Vreden
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart; Pool Leber Architekten, München

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