Kreislaufwirtschaft in der Stadtentwicklung

Digitales Gebäude-Materialkataster für Heidelberg

Der Abriss von Gebäuden macht ungefähr die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland aus. Die darin gebundenen Rohstoffe und Materialien werden aber kaum oder nur ungenügend recycelt – und landen meist auf Deponien oder als Füllmaterial im Straßenbau. Die Stadt Heidelberg schlägt mit ihrem digitalen Gebäude-Materialkataster einen neuen Weg ein: Als erste Stadt in Europa setzt sie in einem Pilotprojekt konsequent das Urban Mining-Prinzip um.

Das Projekt Circular City – Gebäude-Materialkataster für die Stadt Heidelberg hat zum Ziel, den gesamten Gebäudebestand ökonomisch und ökologisch zu analysieren und in einem digitalen Materialkataster zusammenzufassen. Begleitet wird die Stadt durch die Materialplattform Madaster und das Umweltberatungsinstitut EPEA, eine Tochter von Drees & Sommer; die ortsansässige HeidelbergCement als international agierendes Baustoffunternehmen unterstützt das Vorhaben zusätzlich.

Lokale Ressourcen nutzen und wiederverwenden

Im Kataster soll dokumentiert werden, welche Materialien und Rohstoffe wo und in welcher Menge verbaut sind. Zukünftig lassen sich damit Deponiekapazitäten und Aufbereitungsflächen besser planen und die Wiederverwendung von wertvollen Ressourcen unterstützen. Hinzu kommt, dass die Wertschöpfung hierfür regional erfolgt; Abfall wird also vor Ort entsorgt oder recycelt, wodurch neue Geschäftsmodelle angestoßen werden können.

Das Urban Mining, also das Schöpfen lokaler Ressourcen und deren Wiederverwendung im Sinne des zirkulären Bauens, ist nicht neu: Schon immer wurden Rohstoffe und Materialien wie Stein, Bauholz oder Mauerziegel wiederverwendet. Die in ihnen gebundene graue Energie, die durch den Fertigungs- und Transportprozess eingebracht wurde, ist dabei beachtenswert. Bei einer Mehrfachnutzung der Bauteile wird also deren Ökobilanz erheblich verbessert; ein Grund mehr, die im Gebäude gebundenen Rohstoffe zu erfassen und nach dem Gebäudelebensende einer erneuten Nutzung zuzuführen.

Urban Mining Screener für Heidelberger Gebäudebestand

Die Basis für das Kataster ist der von EPEA entwickelte Urban Mining Screener. Dabei handelt es sich um ein Programm, das auf der Basis von Gebäudeinformationen wie Bauort, Baujahr, Gebäudevolumen oder Gebäudetyp die materielle Zusammensetzung schätzen kann. Die Schätzung beruht auf Erfahrungswerten sowie Berechnungen.

Die ersten Gebäude sind erfasst – darunter die größte Konversionsfläche der Stadt, das Patrick-Henry-Village, eine ehemalige Wohnsiedlung der US-Streitkräfte in Heidelberg. Das über 100 ha große Gelände umfasst 325 Gebäude, die in den nächsten Jahren abgerissen oder saniert werden sollen. Damit steht ein gigantisches Rohstofflager zur Verfügung. Laut Urban Mining Screener umfasst es fast 466.000 t Material, davon etwa 50 % Beton, 20 % Mauersteine und gut 5 % Metalle.

Sortenreines Recycling von Beton

Der gesamte Gebäudebestand Heidelbergs soll im Materialkataster erfasst werden. Für zukünftige Quartiersentwicklungen liegt hierin ein großes Rohstoffpotenzial. So arbeitet der Projektpartner HeidelbergCement an Verfahren, Beton zu zerkleinern, sortenrein zu trennen und im Sinne der Kreislaufwirtschaft wieder in den Baukreislauf einzubringen. Darüber hinaus erzeugt die Produktion von Zement – für Beton als Bindemittel notwendig – viel Kohlendioxid. Neue Technologien können zukünftig helfen, Zement umweltschonender und Beton langlebiger zu machen.

Materialdatenbank Madaster stellt digitale Plattform in Heidelberg

Die Zusammenarbeit mit Madaster im Projekt ist wichtig wie zukunftsorientiert; Der Name Madaster ist eine Wortschöpfung aus „Material“ und „Kataster“. Die gemeinnützige Stiftung wurde 2017 in den Niederlanden gegründet und fungiert als Onlinedatenbank, in der Informationen zu Gebäuden und deren Bestandteilen zentral erfasst und ausgewertet werden können. Madaster stellt in Heidelberg die Plattform zur Verfügung, in der die Gebäudedaten über den Bestand gespeichert werden. Um in Zukunft nachhaltig und klimafreundlich zu bauen, sollen ergänzend zu den verbauten Materialien Daten zum Energieverbrauch, den Mietkosten oder dem Flächenbedarf in das Gebäude-Materialkataster einfließen. Die Stadt Heidelberg soll damit als eine Art Blaupause für andere Städte und Gemeinden dienen, um kreislauffähiges Bauen zu fördern und ressourcenschonend mit Bestand und Neubau umzugehen.

Pilotprojekt Circular City: Stadt Heidelberg, Madaster, EPEA, HeidelbergCement

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