Krebshilfezentrum Maggies Centre in Oldham

Tulpenbaumholz für Tragwerk, Fassade und Innenausbau

Krankenhäuser sind in der Regel auf effiziente Arbeitsabläufe und die Einhaltung hygienischer Standards ausgelegt. Keine gute Umgebung, um sich mental mit lebensbedrohlichen Krankheiten auseinanderzusetzen oder sich in Anbetracht schwieriger Prognosen zu entspannen. Bei den Krebshilfezentren Maggie’s Centre, die von der Britin Maggie Keswick Jencks initiiert worden sind, stehen Gesundheit und Wohlbefinden im Mittelpunkt; hier wird Krebspatienten und ihren Familien in freundlicher Umgebung kostenlose lebenspraktische, emotionale und soziale Unterstützung angeboten. Die Zentren sind in der Regel an ein Klinikum angeschlossen und stechen oft durch bemerkenswerte architektonische Gestaltung hervor, hinter der renommierte Architekten stehen.

Der Entwurf für den eingeschossigen, aufgeständerten Pavillon auf dem mittlerweile eng bebauten Krankenhausareal stammt von Architekturbüro dRMM
Auf sechs schlanke, bis zu vier Meter hohe Stahlstützen aufgeständert, schwebt der Holzbau quasi über dem Garten
Ein außergewöhnliches Atrium bildet das Zentrum: Ein Baum wächst quasi durch das Gebäude hindurch

Das jüngste Maggie‘s Centre in Oldham bei Manchester steht auf dem weitläufigen, mittlerweile eng bebauten Krankenhausgelände des Royal Oldham Hospital. Entworfen haben es die Planer des Londoner Architekturbüros dRMM. Der eingeschossige Pavillon auf rechteckigem Grundriss behauptet sich in seinem Umfeld von zweigeschossigen Backsteinbauten durch einen Trick: Er ist auf sechs schlanke, bis zu vier Meter hohe Stahlstützen aufgeständert – und schwebt quasi über einem Garten. Auf diese Weise wird auch das Höhengefälle des länglichen Grundstücks ausgeglichen. Das Gebäude ist komplett mit gewellten Holzverkleidung versehen. Die Längsseiten sind weitestgehend geschlossen und schotten so den Innenraum vom Klinikumfeld ab. Der großzügig verglasten Südfassade ist ein breiter überdachter Balkon vorgelagert, der eine Pufferzone zwischen Innenraum und Garten bildet und zugleich einen Sonnenschutz bietet.

Der Zugang zum Gebäude erfolgt von der Ostseite über einen breiten Holzsteg vom angrenzenden Parkplatz und führt durch einen Windfang direkt in einen großen, multifunktionalen Raum. Im Inneren bildet entlang der Ostfassade eine geschwungene Holzwand einen leichten Bogen, dahinter reihen sich kleinere, separierte Zimmer wie Beratungs- und Behandlungsräume, ein Mitarbeiterraum und Nebenräume. Ein außergewöhnliches Atrium bildet das Zentrum: Ein Baum wächst quasi durch das Gebäude hindurch; nur eine organisch geformte Verglasung schirmt die Birke vom Innenraum ab. So wird bei dem Gebäude eine naturnahe Fokussierung nach Innen erreicht – und damit auf dem Klinikgelände eine Oase der Ruhe und Besinnung geschaffen. Das verglaste Atrium zoniert außerdem den großen Raum, der sich durch schwere Vorhänge weiter unterteilen lässt. Große Fenster an der Nordseite geben den Blick auf die Dächer der benachbarten Häuser frei. Als zentraler Treffpunkt im Allraum dient ein großformatiger Holztisch.

Gesund Bauen
Die Gestaltungsidee der Architekten beruht darauf, mit vielen Holzoberflächen einen positiven Gegenpol zur üblichen Materialwahl in Krankenhäusern zu setzen. Die warme Anmutung des natürlichen Materials soll beruhigend auf die Besucher wirken und gesundheitsfördernd sein. Nicht nur die Fassade besteht aus Holz, sondern auch das Tragwerk, das zudem die Wand- und Deckenoberflächen im Innenraum formt. Da Patienten, die sich einer Chemotherapie unterziehen, ein gestörtes Temperaturempfinden entwickeln und manchmal Schmerzen beim Berühren kalter Gegenstände verspüren können, wurden für eine warme Haptik hölzerne Türgriffe eingesetzt. Lediglich der Bodenbelag besteht aus Linoleum in sonnengelb, da in Kliniken besondere hygienische Bedingungen gelten. Die Türen greifen diese kräftige Farbe auf.

Die Architekten entschieden sich für formaldehydfreies Brettschichtholz vorrangig aus American Tulipwood, einem schnell wachsenden Hartholz. Die in Nordamerika verbreitete, mit Magnolien verwandte Baumart ist nach ihren tulpenartigen Blüten benannt. Das gleichmäßig strukturierte Holz ist überwiegend hell, wenig gemasert und unregelmäßig gestreift. Es weist eine hohe Festigkeit auf und ermöglicht es daher, tragende Bauteile wie Leimbinder und Brettsperrholz (CLT) sehr schlank zu halten. Das Maggie's Centre in Oldham ist laut der Planer das erste Gebäude, bei dem das Hartholz-CLT verwendet wurde. Da das Holz des Tulpenbaumes ausgesprochen schöne Oberflächen aufweist, ist die Tragstruktur sichtbar belassen, die zugleich schadstofffreie Innenwände bildet. Darüber hinaus wurde American Tulipwood bei den Innenausbauten und Möbeln eingesetzt. Der Tisch beispielsweise besteht aus einer handgefertigten hölzernen Platte sowie aus einem Fuß, der aus den übrig gebliebenen CLT-Ausschnitten der Türöffnungen gefertigt wurde. Entworfen hat ihn Alex de Rijke. Alle Holzoberflächen im Inneren sind farblos geölt. Für die Lamellendecke konnten die Reste der Sperrholzfertigung genutzt werden.

Auch die Fassadenverkleidung besteht aus Tulpenholz, und zwar in einem von dRMM entworfenen Rillenprofil. Jedes Brett ist oben und unten angefast, um Wasser effektiv abzuführen. Da die Holzsorte im feuchten Zustand anfällig für Schimmelpilzbefall ist, wurde die Nut-und-Feder-Fassadenschalung thermisch behandelt. Dadurch ist kein Lack oder Schutzöl erforderlich. Beim Dämmstoff wurde ebenfalls auf Holz gesetzt: Die Holzfaserdämmung ermöglicht eine diffusionsoffene Konstruktion. Das holzeigene Harz sorgt für die nötige Bindung der Bauplatten und macht chemische Zusatzstoffe überflüssig. -dg

Bautafel

Architekten: dRMM, London
Projektbeteiligte: Rupert Muldoon, Hampshire (Landschaftsplanung); Booth King Partnership, Manchester (Statik); Atelier Ten, London (Gebäudetechnik); Robert Lombardelli Partnership (Kostenberatung); AHEC American Hardwood Export Council, London (Holzberatung); Middle Tennessee Lumber, Burns (USA) (Lieferant Tulpenholz); Züblin Timber, Stuttgart (Bauholz), F Parkinson (Bauunternehmer)
Bauherr: Maggie’s, London
Fertigstellung: 2017
Standort: Royal Oldham Hospital, The Sir Norman Stoller Building, Rochdale Road, OL1 2JH Oldham/GB
Bildnachweis: Alex de Rijke, Jasmin Sohi, Tony Barwell von dRMM, London

Fachwissen zum Thema

Grobspanplatten bilden die Außenhaut der in Holzskelettbauweise errichteten Produktionshalle Leeb in St. Andrä/A, Architekten: Collective, Wien/A

Grobspanplatten bilden die Außenhaut der in Holzskelettbauweise errichteten Produktionshalle Leeb in St. Andrä/A, Architekten: Collective, Wien/A

Bautechnik

Leichtbauweise mit Holz

Wandbaustoffe: Holz

Baustoffe

Wandbaustoffe: Holz