Konservatorium in Nantes

Variable Raumakustik durch Vorhänge aus Bühnensamt

Fast schwerelos scheint der weiße, quaderförmige Baukörper des neuen Conservatoire De Nantes inmitten seiner Nachbarschaft aus 1970er- und 80er-Jahre-Bauten zu schweben. Als Solitär erhebt er sich auf einem gläsernen Sockel und nimmt das transdisziplinäre, künstlerische Ausbildungszentrum der westfranzösischen Stadt mit Tanz- und Übungsräumen in sich auf. Zur Nachbarschaft gehören die Internationale Hochschule im Norden, der Altbau des Konservatoriums im Osten und das Auditorium des Nationalorchesters der Pays de la Loire im Westen. Entstanden ist das neue Hochschulgebäude nach dem Siegerentwurf des 2012 ausgelobten Wettbewerbs vom Architekturbüros Raum aus Nantes in Zusammenarbeit mit dem Büro L´Escaut aus Brüssel. Den Architekten gelang es, durch räumliche und visuelle Beziehungen zwischen probenden Künstlern und Passanten das Konservatorium mit der Stadt zu verbinden.

Die Südwestfassade ist im mittleren Bereich durch ein über fünf Geschosse hohes Muster aus lückenhaft gesetzten Backsteinen gegliedert
Erd- und erstes Obergeschoss wirken wie ein gläserner Sockel – zusätzlich gewähren zweigeschossige Öffnungen in der homogenen Fassade Einblicke in das Innere
Im Erdgeschoss gehen Sitzstufen nahtlos vom Innen- in den Außenraum über

Das Gebäude hat insgesamt sieben Geschosse, wobei auf jeder Etage Räume über zwei Geschosse ausgebildet wurden. Den dahinterliegenden Räumen entsprechende große Öffnungen in der Fassade aus glasiertem Ziegel-Sichtmauerwerk schaffen Einblicke in das tänzerische und musikalische Leben des Konservatoriums. Die Südwestfassade ist mittig durch ein über fünf Geschosse hohes Muster aus lückenhaft gesetzten Backsteinen gegliedert, in dem Fensteröffnungen frei platziert sind. Das Erdgeschoss, welches aufgrund des abfallenden Geländes zum Teil unter der Erde liegt, und das erste Obergeschoss sind optisch zu einem gläsernen Sockel zusammengefasst. An dessen südwestlicher Längsseite befindet sich die Probenhalle doppelter Geschosshöhe mit Sitzstufen, die im Außenbereich nahtlos fortgeführt werden. Mittels Faltschiebewänden wird die Trennung von Innen- und Außenraum vollständig aufgehoben und das Erdgeschoss mit dem vorgelagerten Platz vereint. Ab dem zweiten Geschoss liegen die doppelgeschossigen Räume an den Querseiten und fassen dort jeweils die zweite und dritte, die vierte und fünfte sowie die sechste und siebte Etage zusammen.

Neben der Probenhalle befinden sich in Erd- und erstem Obergeschoss unterschiedlich große Büros, Besprechungs-, Übungs- und diverse Nebenräume. In den darüberliegenden Geschossen sind kleinere Klassenräume, Umkleiden sowie jeweils zwei großzügige, zweigeschossige Tanzstudios untergebracht, die sich mittels der nahezu vollflächigen Verglasung auf je einer Seite zum Außenraum öffnen und den Blick über die Stadt freigeben. Die tiefen Fensterlaibungen werden als Loggien genutzt. Auch innerhalb des Gebäudes werden Sichtbezüge geschaffen: Die Tanzstudios sind durch hochformatige Fenster von den Zwischengeschossen aus einsehbar. Somit ist es den Künstlern möglich, an den verschiedenen Disziplinen teilzuhaben, was der Idee einer transdisziplinären Lehre zugutekommt. Hochwertige und unverfälschte Materialien wie Sichtbetonwände oder Eichen-Parkettböden sowie eine zurückgenommene Einrichtung der verschiedenen Bereiche ohne Nutzungszuweisung bieten die Option, den Raum für jede künstlerische Produktion neu zu erschließen.

Akustik
Da die Tanz- und Musikstudios überwiegend in Materialien aus schallreflektierenden Oberflächen wie Sichtbeton und Glas gehalten sind, waren schallabsorbierende Maßnahmen für die akustische Raumgestaltung umso wichtiger. Die Decken aller Probenräume sind mit abgehängten, schallabsorbierenden Deckensystemen ausgestattet, bestehend aus einer 150 mm starken Mineralwoll-Dämmschicht, einer Gipskarton-Zwischendecke sowie einer 25 mm dicken Akustikplatte aus Holzfaser. Diese Akustikdecken wurden in Streifenbahnen montiert, dabei alternieren breitere Holzfaser- und schmalere Gipskartonplatten. Der regelmäßige Wechsel zwischen absorbierenden und reflektierenden Flächen ist besonders günstig für die notwendige Absorption bei tiefen Frequenzen.

Da die Studios von Tänzern und Musikern immer wieder unterschiedlich genutzt werden und die akustischen Anforderungen somit wechseln, entschied man sich für eine zusätzliche, variable Schallabsorbtions-Maßnahme in Form eines Vorhangsystems aus schwarzem, schwer entflammbarem Bühnensamt, der umlaufend vor allen Sichtbetonwänden und Glasflächen der Proberäume montiert wurde. Diese Schallschutzvorhänge mindern auch die mittleren und hohen Frequenzen wie zum Beispiel hohe Töne barocker Stimmlagen oder Trommelgeräusche durch Percussion Tanz – so entsteht mittels freier Regulierung von Licht und Ton immer wieder eine neue Atmosphäre in den Studios.

Bautafel

Architekten: Raum, Nantes (Architekten); L´Escaut, Molenbeek-Saint-Jean (Co-Architekten & Szenografen)
Projektbeteiligte: Girus, Vaulx-en-Velin (Konstruktion); ECMS, Reze (Bauunternemen), Vincent Hédont, Bordeaux (Akustik); Ami-Lenglart, Nantes (Akustikvorhänge); PIM, Le Lavandou (Akustikdecken)
Bauherr: Stadt Nantes
Fertigstellung: 2015
Standort: 4 Rue Gaëtan Rondeau, 44000 Nantes
Bildnachweis: Audrey Cerdan, Paris (Fotografie); Raum, Nantes; L´Escaut, Brüssel

Fachwissen zum Thema

Schallübertragungswege zwischen benachbarten Räumen - durch eine durchgehende abgehängte Unterdecke miteinander verbunden

Schallübertragungswege zwischen benachbarten Räumen - durch eine durchgehende abgehängte Unterdecke miteinander verbunden

Decken

Abgehängte Unterdecken - Definition

Musikschule Konservatorium in Bern (Architekt: 3B Architekten, Bern)

Musikschule Konservatorium in Bern (Architekt: 3B Architekten, Bern)

Konzert/​Theater/​Museen

Musikunterrichtsräume

Vorhangstoff zur Verbesserung der Raumakustik

Vorhangstoff zur Verbesserung der Raumakustik

Schallabsorption

Schallabsorption durch Vorhänge

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de