Kinderheim in Lohbrügge

Mauern zum Flügge-Werden

„Wie Äste, die sich schützend um das Haus legen”, so charakterisiert der Berliner Architekt J. Mayer H. die reliefartige Fassade des neu errichteten Kinderheims „Home.Haus“ in Lohbrügge, nahe Hamburg. Insgesamt 13 Kinder und Jugendliche haben hier, in einem von der Stiftung „Unternehmer helfen Kindern“ finanzierten Gebäude, ein neues Zuhause gefunden. Die jungen Bewohnerinnen - zurzeit wohnen hier ausschließlich Mädchen zwischen 11 und 17 Jahren - stammen aus schwierigen Familienverhältnissen, in denen sie nicht länger leben konnten.

Kinderheim in Lohbrügge
Kinderheim in Lohbrügge
Kinderheim in Lohbrügge

Das unmittelbar an das Naturschutzgebiet „Boberger Niederung“ grenzende viergeschossige Haus bietet auf 480 Quadratmetern Platz für die Einzelzimmer der Kinder, Küche, ein großes gemeinsames Wohnzimmer sowie Werk-, Sport- und Musikräume. Im Untergeschoss proben drei Jugendliche in einem sogenannten Verselbständigungsbereich das Flügge-Werden, bevor sie in eigene Wohnungen ziehen können.

Welchen Stellenwert die Bildungsarbeit in dem Heimkonzept einnimmt, zeigt sich nicht zuletzt an dem gut ausgestatteten Studierzimmer, in dem die Kinder, betreut von zwei Honorarkräften ihre Hausaufgaben machen. Ein großer Teil der Miete wird vom Trägerverein als Spende an den Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung zurück überwiesen. Zusätzlich sollen die Mädchen durch sogenannte Bildungsbegleiterinnen an Musik, Theater und Museen herangeführt werden.

Das frei stehende Gebäude, das als kompakter Körper ins Gelände eingegraben scheint, unterscheidet sich von der umgebenden Bebauung vor allem durch seine gelbgrüne reliefartige Fassade. Die Äste eines stilisierten Baumes - teils erhaben, teils eingeschnitten - umschließen das Gebäude. Zugleich werden die Fenster durch die horizontalen Reliefbänder an den Längsseiten zusammengefasst und gegliedert. Im Inneren greift einzig der zentrale Treppenraum mit seiner gebogenen Brüstung die organische Formensprache der Außenhaut auf. In allen Geschossen befinden sich Sanitärräume und Zimmer der Bewohnerinnen. Diese werden gestalterisch durch Rottöne bestimmt, die von den Bewohnern aus einer vorgegeben Palette ausgewählt wurden. Der im Erdgeschoss liegende gemeinschaftliche Wohnbereich erstreckt sich über zwei Geschosse.

Um eine gestalterische Einheit zwischen Gebäude und Freifläche zu erreichen, ist die Grundstückstopografie leicht modelliert und mit Obstbäumen bepflanzt. Die befestigten Bereiche wurden in einem einheitlichen Material gepflastert. Der Zugangsweg und die Zonierungen des Gartens nehmen die Formensprache der Fassade auf.

Mauerwerk
Das Gebäude wurde aus Kalksandsteinen gemauert, zur Ausführung kamen Silka Ratio-Plansteinen. Das hohe Gewicht der Steine ermöglichte schlanke, zugleich äußerst tragfähige Wände, die zudem sehr gute Schallschutzwerte beinhalten. Dies war vor allem bei den Wänden zwischen Gemeinschafts- und Individualräumen ein wichtiges Kriterium. Dass sich die nicht brennbaren Plansteine durch ihr Nut-und-Feder-System zudem sehr rationell verarbeiten lassen, schlug sich in einer kürzeren Bauzeit und niedrigeren Kosten nieder. Ausgesteift wird das Gebäude über seine Massivwände und zusätzlichen Verstärkungen an statisch erforderlichen Stellen. Die Fassade besteht aus einer von außen gedämmte Mauerwerkskonstruktion, wobei die wärmedämmende Schicht durch eine diffusionsoffene Spritzabdichtung aus Polyurethan geschützt ist. Diese Beschichtung, die sowohl die Außenwände als auch das Dach des Hauses überzieht, lässt Dach und Wand optisch ineinander übergehen.

Das Relief der Fassade soll zum einen den direkten Bezug zu den Bäumen des angrenzenden Naturschutzgebiets herstellen, zum Andern durch seine Farbigkeit und Rundungen Lebensfreude und ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Bei den Kindern und Jugendlichen scheint die extravagante Fassadengestaltung bestens anzukommen, sie seien, so berichtet die betreuende Sozialpädagogin Katharina Mucha, stolz auf ihr neues Zuhause. Eine der jungen Bewohnerinnen habe es folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Wenn sich jemand so viel Gedanken um uns macht“, dann müssen wir es wohl auch wert sein“.

In diesem Sinne scheinen die Architekten jenseits aller Fassadenkosmetik mit ihrem „Baumhaus“ durchaus sinnstiftend gewirkt zu haben.

Bautafel

Architekten: J. Mayer H., Berlin; Sebastian Finckh und Marcus Blum, Berlin (Mitarbeit)
Projektbeteiligte: Arch 3, Dirk Reinisch, Berlin (Bauausführung); WTM Engineers, Hamburg (Tragwerksplanung); Hahn Consult, Hamburg (Brandschutz); Energiehaus Ingenieure, Hamburg (Technischer Ausbau); Silka, Duisburg (Kalksandstein); Breimann & Bruun, Hamburg (Landschaftsarchitekten)
Bauherr: Stiftung Unternehmer Helfen Kindern
Nutzer: Städtischer Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung (LEB), Hamburg
Fertigstellung: 2008
Standort: Hamburg-Bergedorf, Ladenbeker Furtweg
Bildnachweis: Dirk Fellenberg, Hamburg (1 - 4); J. Mayer H. Architekten, Berlin (5 - 16)

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