Kinder- und Jugenddorf Klinge in Seckach

Ein Zuhause unter Walmdächern

Das Kinder- und Jugenddorf Klinge in Seckach, im Kreis Neckartal-Odenwald ist eine der größten Einrichtungen dieser Art in Deutschland. Mehr als 160 Kinder im Alter zwischen drei und achtzehn Jahren leben hier. Da das Raumangebot jedoch nicht mehr den aktuellen Anforderungen genügte, beauftragte der Trägerverein das Team von Ecker Architekten aus Heidelberg. Im Mai 2021 konnten drei Hausgemeinschaften schließlich ein neues Gebäudeensemble beziehen.

Die Neubauten ergänzen die vorhandenen Wohngebäude, Schul- und Freizeiteinrichtungen und Ferienhäuser sowie das Tagungshaus und die Kirche mit Festsaal.
Auffällig ist die Kombination aus Walm- und Fußwalmdächern und Türmen.
Die drei markanten Türme ragen hoch über die Dachfirste hinaus.

Familiäre Wohnform

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verein Klinge gegründet und ist seitdem nach und nach zu einem kleinen Dorf angewachsen. Auf 33 Hektar gibt es neben den Wohngebäuden für Hausgemeinschaften sowie Mitarbeitende und deren Familien, Schul- und Freizeiteinrichtungen, Ferienhäuser, ein Tagungshaus und eine Kirche mit Festsaal. Das pädagogische Konzept beinhaltet, möglichst familienähnliche Strukturen zu bieten. Entsprechend gestaltet sich die Wohnsituation: In 18 Hausgemeinschaften leben jeweils acht Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Altersstufen gemeinsam mit den Hausleiterinnen und Hausleitern unter einem Dach. 

Bei dem Bauprojekt galt es also nicht nur zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, vielmehr sollte ein echtes Zuhause für die Kinder und Jugendlichen entstehen. Als Sinnbild für Schutz und Geborgenheit wählte das Planungsteam eine archetypische Form: das Haus mit tiefgezogenem Steildach. Ebenso wie die Kubatur sollte Holz als Baumaterial dazu beitragen sich heimisch zu fühlen. 

Kombination aus Walmdächern und Türmen
Die schlichte Grundform ergänzen weitere Elemente mit einer individuellen, zeitgenössischen Architektursprache. Dazu gehören vor allem drei markante Türme, die hoch über die Dachfirste hinausragen. In den Türmen befinden sich jeweils zwei voneinander getrennte Treppenräume. Einer führt in die separate Wohnung der Hausleitung, das andere in den Bereich der Kinder und Jugendlichen. Neben der Erschließung erfüllen die Türme die Funktion eines thermischen Kamins. Ihre Sogwirkung dient zur Durchlüftung und Nachtauskühlung sowie zur Entrauchung im Brandfall.

Ausgeklügeltes Ensemble
Zwei beiden Baukörper wurden so angeordnet, dass in ihrem Zentrum ein geschützter Spielhof entstand. In einem u-förmiges Haus sind zwei Wohngruppen untergebracht und eine weitere in einem Langhaus. Ein Spielschuppen, der neben Spielgerät auch Fahrrädern und Transportern Platz bietet, ergänzt das Ensemble.

Insgesamt stehen 1.850 m² Nutzfläche und zusätzlich überdachte Terrassen zur Verfügung. Die funktionale Aufteilung folgt einer klaren Struktur: Während die gemeinschaftlich genutzten Räume, darunter Küche, Wohn- und Esszimmer, im Erdgeschoss untergebracht sind, befinden sich die privaten Zimmer im Obergeschoss. Die meisten Kinder haben ein eigenes Zimmer. Allein die Schlafzimmer unter den Dachschrägen an den Gebäudeenden sind für zwei Betten ausgelegt.

Im Obergeschoss liegen zudem Bereitschaftszimmer für die vier pädagogischen Fachkräfte, die jede Hausleitung unterstützen. Auch die separat angelegten Wohnungen der Hausleitungen befinden sich hier. Diese sind, dem pädagogischen Konzept entsprechend, über eine Verbindungstür im Turm direkt für die Kinder und Jugendlichen zugänglich. Direkt unter dem Dach befindet sich ein großer Hobbyraum. Jeder Wohngruppe wie auch den Betreuungsfamilien sind eigene, geschützte Außenbereiche zugeordnet. Sie sind als tiefe Loggien ausgeführt und erweitern die Gemeinschaftsräume nach außen.

Holz
Konstruiert wurden die beiden Gebäude in Holzrahmenbauweise. Größere Spannweiten sind mit V-Stützen ausgeführt. Die innere Raumschale der Außenwände sowie die Geschossdecken wurden in einer Diagonal-Dübelholzkonstruktion realisiert. Dabei verzichtete das Planungsteam weitgehend auf abgehängte Decken- und Installationsebenen. Auf diese Weise blieb ablesbar, wie das Gebäude gefügt wurde.

Außen wie innen wurde für die Oberflächengestaltung auf eine zurückhaltende Farbgebung geachtet, die mit der natürlichen Umgebung des nahen Waldes korrespondiert. Holztönen dominieren, daneben findet sich beige eloxiertes Metall bei Dacheindeckungen und Fensterrahmen. Im Innenraum sind Böden und Türen in dezentem Grau gehalten. Kleine Farbtupfer bilden in Grün ausgeführte Details, wie etwa die Untersichten der Treppenaufgänge.

Die Wohnhäuser sind mit Fußbodenheizung ausgestattet und an ein Nahwärmenetzwerk unweit der Dorfschule angeschlossen, das mit nachwachsenden Rohstoffen versorgt wird.

2021 wurde die Architektur mit dem Hugo Häring Landespreis BDA ausgezeichnet.

Walm- und Fußwalmdächer
Die großen Dächer mit tief hinuntergezogenen Walmen und Fußwalmen sind mit Stehfalzblechen gedeckt. Damit bieten sie Schutz vor Witterungseinflüssen und sorgen für ein Gefühl der Geborgenheit. Durch die steile Neigung und den offenen First findet sich unter den Dächern ein großzügiger Bereich, der für Hobbys genutzt werden kann.

Dachaufbau (von außen nach innen)

  • Blech-Stehfalzdeckung
  • Diffusionsoffene Folie
  • Rauspund-Holzbrettschalung 22 mm
  • Hinterlüftung 40 mm
  • Dachelement mit Randbalken
Brigida González, Stuttgart

Bautafel

Architektur: Ecker Architekten, Heidelberg
Projektbeteiligte: Merz Kley Partner, Dornbirn (Tragwerksplanung); Ingenieurbüro Metzger, Weikersheim (HLSE-Planung); Anselm von Held, Berlin (Lichtplanung); Firma Gramlich, Limbach (Blechner)
Bauherr/in: Kinder- und Jugenddorf Klinge, Seckach
Fertigstellung: 2021
Standort: Schwimmbadweg 9-13, 74743 Seckach
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart (Fotos); Ecker Architekten, Heidelberg (Pläne)

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