Jingdezhen Imperial Kiln Museum

Gewölbe aus ehemaligen Ofenziegeln

Seit über 1.700 Jahren wird in der chinesischen Stadt Jingdezhen Porzellan hergestellt, was ihr den Beinamen „Hauptstadt des Porzellans“ einbrachte. Der Wirtschaftszweig beeinflusste das Wachstum und die Struktur des Ortes in hohem Maße. Im Tal des Chang-Flusses zwischen Hügeln und Bergen entstanden erste Siedlungen rund um die Keramiköfen. Die Porzellanindustrie prägte auch die Ausbildung des Straßennetzes: Schmale Gassen verbinden die Öfen mit dem Fluss, auf welchem das wertvolle Material verschifft wurde. Die Hauptstraßen verlaufen entlang des Flusses. Der Neubau des Jingdezhen Imperial Kiln Museum nach Plänen des Studio Zhu-Pei würdigt die lange Tradition des Keramikbrennens. Das Museum befindet sich im historischen Distrikt und schließt nördlich an die Ruinen der einstigen Kaiserlichen Öfen an, in denen während früherer Dynastien das Porzellan für den kaiserlichen Hof gebrannt wurde. Dazwischen befindet sich der Longzhu Pavillon – ein weiteres Denkmal für die Porzellanindustrie.

Besucher betreten das Museum nach Plänen von Studio Zhu-Pei von Südwesten. Von hier gelangen sie in das Foyer in der größten, mittig liegenden Röhre.
Zum Großteil wurde das Straßenniveau innerhalb der Gewölbe als auch dazwischen abgesenkt.
Die Gewölbe sind entweder offen oder mit Glasfronten geschlossen.

Landschaft aus Mauerwerksgewölbe

Das Museum besteht oberirdisch aus acht, unterschiedlich großen, bauchigen Röhren bzw. Gewölbe aus Mauerziegeln, deren Form von traditionellen Keramiköfen inspiriert ist. Jeder dieser Baukörper weist eine andere Größe, Krümmung und Länge auf. Sie sind leicht zueinander versetzt arrangiert, um die dazwischen befindlichen alten Ofenruinen einzubetten. Im Rahmen der Bauarbeiten wurden sogar bisher unbekannte Überreste alter Öfen entdeckt. Kleinere, quer zur Hauptrichtung verlaufenden Gewölbe verbinden die Hauptröhren miteinander. Einige von ihnen sind offen und somit frei zugänglich und bieten für Museumsbesucher und Passanten eine Möglichkeit, dem schwülen Wetter des Sommers kurzfristig zu entkommen.

Zum Großteil wurde das Straßenniveau innerhalb der Gewölbe als auch dazwischen abgesenkt, sodass das eigentliche Ausstellungsgeschehen unterhalb dessen stattfindet. An anderer Stelle sind wiederum Galerieebenen eingezogen worden, wodurch die Architektur auf sehr abwechslungsreiche Art und Weise erfahrbar gemacht wird. Zwischen den Baukörpern wurden an Wasserbecken und versunkene Höfe angelegt. Horizontale Öffnungen im Mauerwerk laden die Besucher dazu ein, sich zu setzen und die beruhigende Wirkung der Wasserflächen zu genießen. Ein Untergeschoss, das hauptsächlich Lager- und Technikräume beherbergt, verbindet die scheinbar fragmentarischen Teile des Museums miteinander.

Thematische Innenhöfe

Besucher betreten das Museum von Südwesten. Von hier gelangen sie in das Foyer in der größten, mittig liegenden Röhre. Von dort können die ständige sowie die wechselnde Ausstellung, das Café und der Museumsshop erschlossen werden. Über eine Betontreppe erreicht man die tiefer liegende Ebene und die fünf versunkenen Innenhöfe unterschiedlicher Größe. Die Verantwortlichen haben diese verschiedenen Themen gewidmet: Gold, Holz, Wasser, Feuer und Erde. Die fünf Themen reflektieren das alte, chinesische Verständnis von Natur und beziehen sich zugleich auf das Handwerk der Porzellanfertigung.

Traditionelle Methoden für traditionelle Formen

Die Konstruktion der Mauerwerksgewölbe ist ebenfalls beeinflusst durch die Tektonik alter Keramiköfen. Mit dünnen und leichten Ziegelsteinen wurde bei diesen maximaler Raum mit minimalem Materialeinsatz geschaffen, was zu einer organischen Form führte, welche die Hitze optimal verteilte. Alle Gewölbe des Museumsneubaus bestehen aus zwei Schichten von Mauersteinen, zwischen welche jeweils Bodenplatten aus Beton gegossen wurden, damit sie erdbebensicher sind.

Um die paraboloiden Formen aufzumauern, entwickelten die Architekturschaffenden gemeinsam mit dem Konstruktionsteam ein verschiebbares Lehrgerüst, das sich auf zentralen Schienen verschieben ließ, nachdem der Beton eingebracht wurde. Für die äußere Ziegelschicht wurden wiederum lokale traditionelle Versatzmethoden benutzt.

Auch für die Lichtführung hat Studio Zhu-Pei die Vergangenheit reinterpretiert. So werden die üblichen Rauchöffnungen zu runden Lichtlöchern, die das Tageslicht hereinlassen und in der Nacht künstliches Licht in den Himmel abstrahlen.

Porzellangeschichte in den Wänden konserviert

Für den Museumsbau wurden neue Ziegelsteinen mit recycelten alter Brennöfen kombiniert. Das Wiederverwenden von Ziegeln eines nicht mehr benutzten Ofens ist eine lokale Tradition. Ein Ofen muss nach einem bis drei Jahren abgebaut werden, da die Hitzespeicherung der Mauersteine abnimmt und der Ofen deshalb nicht mehr für die Porzellanproduktion geeignet ist. Diese Ziegel werden dann gesammelt und für andere Bauprojekte verwendet. Sie bilden in der dunklen Verfärbung ihrer Oberflächen die Wärme der Porzellanöfen ab. An manchen ist erkennbar, dass sie unter der Hitzeeinwirkung geradezu „angeschmolzen“ sind. Im historischen Teil der Stadt sind nicht nur Häuser, sondern auch Straßen und Plätze mit recycelten Mauersteinen umgesetzt worden. Die wiederverwerteten Ziegel gehören zum kollektiven Gedächtnis und zur Kultur von Jingdezhen. -sh

Bautafel

Architektur: Studio Zhu-Pei, Peking (Architektur und Landschaft)
Projektbeteiligte: Architectural Design and Research, Institute of Tsinghua University, Peking (Konstruktion, Gebäudeinstallation, Nachhaltigkeit); Dadi Facade Technology, Shenzhen (Fassade); Ning Field Lighting Design, Peking (Lichtdesign); Building Science & Technology Institute, Zhejiang University, Hangzhou (Akustik)
Bauherrschaft: Jingdezhen Municipal Bureau of Culture Radio Television Press Publication and Tourism; Jingdezhen Ceramic Culture Tourism Group
Fertigstellung: 2020
Standort: Jingdezhen, Jiangxi, China
Bildnachweis: schranimage / Tian Fangfang / Zhang Qinquan / Studio Zhu-Pei, Peking

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