James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel

Aus dem Vollen geschöpft

Der Masterplan Museumsinsel ist das Ergebnis eines 1993 ausgelobten Architektenwettbewerbs zur Neuorganisation der insgesamt fünf Berliner Museen zwischen Lustgarten, Kupfergraben und Spree. Er sieht vor, alle dort angesiedelten Ausstellungsgebäude zu sanieren und nach dem Vorbild großer europäischer Museen – wie dem Pariser Louvre oder den Vatikanischen Museen in Rom – zu einem zusammenhängenden Museumskomplex zu verbinden. Mit der von David Chipperfield Architects entworfenen James Simon Galerie ist nun der letzte Baustein hinzugefügt worden. Fertig wird der Gesamtorganismus sein, wenn die Renovierungs- und Erweiterungsmaßnahmen des Pergamonmuseums abgeschlossen sind.

Das Eingangsgebäude nimmt ein zentrales Foyer und Servicefunktionen für die gesamte Berliner Museumsinsel auf und bietet 700 qm Fläche für Wechselausstellungen
Zentrales stadträumliches Motiv der Anlage ist eine dem Lustgarten zugewandte Treppenanlage, die eine erhöhte Eingangshalle mit der Bodestraße verbindet
Zum Kupfergraben wird das Foyer durch eine Hochkolonnade flankiert, die ein Café mit davorliegender Terrasse aufnimmt

Das nach dem einst wichtigsten Mäzen der Berliner Museen benannte Gebäude nimmt ein zentrales Eingangsfoyer und Servicefunktionen für die gesamte Museumsinsel auf und bietet darüber hinaus auf 700 m² Fläche Raum für Wechselausstellungen. Zwischen Neuem Museum und Kupfergraben gelegen belegt es das ehemalige Baufeld des 1935 abgerissenen Direktionsgebäudes von Schinkels Packhof.

Innere Organisation

Zentrales stadträumliches Motiv der Anlage ist eine große dem Lustgarten zugewandte Treppenanlage, die eine flexibel bespielbare Eingangshalle mit der Bodestraße verbindet. Das Entree am oberen Ende des Treppenlaufs befindet sich auf dem Niveau der Hauptebene des benachbarten Pergamonmuseums, das man nach dem Kauf der Eintrittskarte von hier direkt betreten kann. Zum Kupfergraben wird das Foyer durch eine Hochkolonnade flankiert, die ein Café mit davorliegender Terrasse beherbergt. Von hier haben Besucher einen Panoramablick über den Kanal und auf die umliegenden Gebäude. Auf der Inselseite schließt der Komplex auf Straßenniveau an den Säulengang des Neuen Museums an und bildet mit dessen Längsfassade einen von Stützen umstandenen Innenhof, der das Motiv des Kolonnadenhofs vor der alten Nationalgalerie in leicht veränderter Form wiederholt.

Neben den genannten Funktionen dient die Galerie der Verknüpfung unterschiedlicher Niveaus der angrenzenden Ausstellungsgebäude. Deswegen befindet sich auf der Ebene des neu geschaffenen Patios ein weiteres Eingangsfoyer, das direkten Zugang zur Garderobe, dem Souvenirshop und einem Auditorium mit 300 Sitzplätzen bietet. Über eine große, zweiläufige Treppe ist dieses untere Foyer mit dem darüberliegenden Ticketverkauf und dem Untergeschoss verbunden. Nur knapp unter dem Wasserspiegel des Kanals gelegen befindet sich im Souterrain, neben dem großen Ausstellungsraum, der Auftakt der sogenannten Archäologischen Promenade. Letztere ist ein unterirdischer Rundgang, der das Pergamonmuseum mit dem Neuen Museum und den übrigen Ausstellungsstätten auf der Insel verbindet.

Hochwertiger Materialmix

Mit dem Neubau unterstreichen die Berliner Architekten einmal mehr den internationalen Anspruch des Museumsareals. Die Qualität der Erweiterung knüpft an das benachbarte und von Chipperfield Architects renovierte Neue Museum an. Entsprechend hochwertig ist die Auswahl verwendeter Materialien: Außen wird man von Fertigteilen aus farblich individuell abgestimmtem Sichtbeton mit einer besonders behandelten Oberfläche empfangen. Im inneren gibt es an den Wänden ebenfalls makellos verarbeiteten Sichtbeton zu bestaunen. Die Fußböden der Foyerflächen und Treppenläufe sind mit großformatigen Platten aus hellem Muschelkalk ausgelegt. In die Eingangshalle fallendes Licht wird vereinzelt durch griechischen Marmor gefiltert, den man auf Glas laminiert hat. Ladenfläche, Garderobe und Auditorium haben Wand- beziehungsweise Deckenverkleidungen aus französischem Nussbaum und Parkett aus deutscher Eiche. Alle sichtbaren Materialien sind so gewählt, dass sie auch ohne aufwendige Instandhaltung eine würdevolle Alterung erwarten lassen und machen, zusammen mit besonderen Maßnahmen zur Gründung, die stolze Bausumme von über 130 Millionen Euro nachvollziehbar.

Beton: Fertigteile und Sichtbeton in Perfektion

Dem Baustoff Beton verdankt das Haus sein Grundstück, denn um den von Absenkungen betroffenen Untergrund bebaubar zu machen, mussten zunächst zahllose Gründungspfeiler aus Beton in die Erde getrieben werden. Auf ihnen wurde eine sogenannte weiße Wanne aus WU-Beton errichtet, die das Bauwerk gegen drückendes Kanal- und Grundwasser sichert. Fünf Jahre nahmen die Arbeiten für Tiefengründung und Fundamentierung in Anspruch, bevor man im Jahr 2014 mit dem eigentlichen Rohbau beginnen konnte.

Durch die vielseitige Verwendung von Sichtbeton erhält das Bauwerk seinen unverwechselbaren Charakter. Eine Betonmischung mit Dolomitgestein, die bereits beim Neuen Museum zum Einsatz kam, ist Grundlage für den sandfarbenen Grundton der Betonfertigteile außen. Sie wurden nach der Herstellung im Fertigteilwerk von Hand sandgestrahlt und stellen über ihre Farbe und ihre homogene, leicht poröse Textur einen Bezug zu den Natursteinfassaden der historischen Museen her.

Der glatt geschalte Sichtbeton innen hat ein graues Kolorit und basiert auf handelsüblichem Portlandzement CEM III. Alle sichtbaren Oberflächen erfüllen die Qualitätsanforderungen der Sichtbetonklasse SB4. Möglich war das nur durch die Verwendung eines hochwertigen Schalungssystems sowie ein lückenloses Qualitätsmanagement mit individueller Vorbemusterung des Materials für jeden Arbeitsabschnitt und eine engmaschige Baustellenüberwachung. 

Die Ankerlöcher der verwendeten Rahmenschalung wurden nachträglich geschlossen und verspachtelt. Durch geringe Farbabweichungen des Füllmaterials vom Ortbeton bleiben sie sichtbar, wobei der Farbkontrast der farblich konstanten Füllung zur übrigen Oberfläche je nach Lage im Gebäude mehr oder weniger stark ausfällt. Die teilweise sehr großen Ansichtsflächen weisen eine Oberflächenstruktur auf, die an die horizontale Lagerung von Sedimentgesteinen erinnert. Dadurch wirkt der Beton ähnlich lebendig wie der Naturstein am Boden.

Bautafel

Architekten: David Chipperfield Architects, Berlin
Projektbeteiligte: Christine Kappei, Stuttgart (Kostenplanung); Wenzel + Wenzel Architekten, Berlin (Bauleitung); Ingenieurgruppe Bauen, Berlin (Tragwerksplanung); Innius Dö, Berlin / Inros Lackner, Rostock (Gebäudetechnik); Müller BBM, Berlin (Bauphysik); Brandschutz NEG, Berlin (Brandschutzgutachter); Westag & Getalit, Rheda-Wiedenbrück (Schalungsplatten);  Mati, Adliswil (Lichtberatung); Conceptlicht, Traunreut (Lichtplanung); Levin Monsigny, Berlin (Landschaftsarchitekten)
Standort:
Eiserne Brücke, 10178 Berlin
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Ute Zscharnt, Berlin / David Chipperfield Architects, Berlin; Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berlin / Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin / Björn Schumann, Berlin

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Schalungsbild aus einer Strukturmatrize

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Betonoberfläche bei Verwendung einer saugenden Schalhaut

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Betonoberfläche bei Verwendung einer saugenden Brettschalung

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Sandgestrahlte Sichtbetonoberflächen der Schweizer Botschaft in Berlin, Architekten: Diener & Diener, Basel

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Oberflächen

Technische Bearbeitung

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