Headquarter Scott Sports in Givisiez

Mit BIM perfekt koordiniert

Mit einem Skistock aus Aluminium fing es im Jahre 1958 an: Der amerikanische Ingenieur und Skirennfahrer Ed Scott entwickelte einen leichten, schmal zulaufenden Stock, der die bis dato gängigen Modelle aus Bambus und Stahl in kürzester Zeit ablöste. Sein Unternehmen expandierte mit dem gestiegenen Anspruch an technische Innovationen – neben dem Skisport insbesondere in den Bereichen Motocross und Radsport, wofür leichtgängige Lenker und Rahmen sowie Helme und Sportkleidung aus neuartigen Materialien und Materialkombinationen entwickelt wurden. Die Fassade am Headquarter der heute in der Schweiz ansässigen Firma Scott Sports scheint von diesem Anspruch zu erzählen. Mit dynamisch ausgestellten, filigranen Sonnenschutzsegeln aus mikroperforiertem Aluminium scheint sie wie eine kunstvolle Verpackung, die in den oberen vier Büroetagen vieles im Verborgenen lässt. Die Gebäudehülle endet mit einem sanften Schwung über dem gläsernen, der Öffentlichkeit zugänglichen Erdgeschoss. Den repräsentativen Hauptsitz des Sportartikelherstellers entwarfen und planten IttenBrechbühl am Standort Bern.

Der kompakte Bau auf dem unternehmenseigenen Areal in Givisiez südwestlich von Bern soll mit Ablauf des Jahres 2018 fertig sein; Teil der Freianlagen ist ein Pumptrack als Übungsstrecke für Mountainbiker
Licht und Luft erhält die Firmenzentrale durch ein weiträumiges Atrium als Herz des Gebäudes (Blick gen Norden auf die geschwungene Wand vor dem Auditorium)
Tiefe Brettschichtholzträger in der Dachkonstruktion filtern das zu Boden dringende Tageslicht; mit bodentiefen Fenstern wenden sich die flankierenden Büroräume auf den oberen Etagen dem Atrium zu

Der kompakte Bau nimmt auf dem Firmenareal in Givisiez südwestlich von Bern eine Grundfläche von annähernd 4.000 Quadratmetern ein und soll mit Ablauf des Jahres 2018 fertiggestellt sein. Bis zu 600 Mitarbeiter werden dann hier arbeiten. Licht und Luft erhält die Unternehmenszentrale durch ein weiträumiges Atrium als Herz des Gebäudes, dessen Grundform an allen vier Ecken gerundet ist. Vom Eingang an der Südseite, der wellenförmig durch die Aluminiumfassade überlagert wird, führt eine breite Treppe mit flachen Stufen hinab in den hohen, lichtdurchfluteten Innenhof. Tiefe Brettschichtholzträger bilden die Dachkonstruktion und filtern das einfallende Tageslicht. Mit bodentiefen Fenstern wenden sich die flankierenden Büroräume auf den oberen Etagen dem Atrium zu, das im Erdgeschoss zu Caféteria, Restaurant und einem Showroom überleitet. Gegenüber der Treppe schirmt eine helle geschwungene Wand das nördlich gelegene Auditorium ab. Vertikale Holzlamellen verleihen den Innenfassaden Struktur, erzeugen im Zusammenspiel mit Licht und Schatten ein starkes Relief und sichern Verglasungen auf den höheren Etagen. Dort bietet eine offene Bürolandschaft mit separierten Besprechungsräumen die Möglichkeit zu Austausch und konzentriertem Arbeiten. Innerhalb des vorgegebenen Rasters sind künftige Änderungen leicht umsetzbar.

Die markanten, federleicht anmutenden metallischen Sonnenschutzelemente werden tageslichtabhängig gesteuert. Im Erdgeschoss kommen spezielle Verglasungen zum Einsatz, die Einblicke zulassen und Neugier wecken sollen.

BIM
Seit Jahren arbeitet das an verschiedenen Standorten in Deutschland und der Schweiz ansässige Architekturbüro IttenBrechbühl digital, d.h. disziplinübergreifend mittels BIM-Software und entsprechenden Organisationsformen und Prozessen. Die Arbeit an einem gemeinsamen dreidimensionalen Gebäudemodell erhöht die Transparenz und Effizienz der ohnehin praktizierten engen Zusammenarbeit unter anderem mit Statikern und Gebäudetechnikern. Sie erfordert aber auch eine erhöhte Disziplin seitens der Projektbeteiligten. Eine wichtige Basis dieser Zusammenarbeit bildet der Projektabwicklungsplan, in dem nicht nur die Planungsprozesse zeitlich und inhaltlich definiert sind, sondern auch Ziele für den Einsatz von BIM sowie dessen Organisation. Er umfasst Regeln für die koordinierte BIM-Nutzung, einschließlich einem BIM-Nutzungsplan, -Modellplan und -Koordinationsplan.

IttenBrechbühl haben eine eigene Vorlage für den Projektabwicklungsplan erarbeitet, in dem die Zusammenarbeit bezüglich der Erstellung, Nutzung und Verwendung digitaler Bauwerksmodelle geregelt wird. Angewendet wird das sogenannte Open-BIM gemäß der Kriterien von buildingSMART, bearbeitet werden Objekte sowohl im Bereich little-BIM als auch big-BIM. Mit einer Modellstruktur nach IFC4 wird ein BIM-Bauteilkatalog erstellt, der die Informationen für alle Projektbeteiligten enthält.

Beim Neubau in Givisiez sind neben den Architekten als Generalplaner die verantwortlichen Ingenieurbüros für Statik, Gebäudetechnik, Elektro, Sicherheit, Energie- und Bauphysik sowie die Landschaftsarchitekten, Fassaden- und Gastroplaner in den Verteiler des Projektabwicklungsplans eingebunden. Von der Vorplanung im Oktober 2015 über die Ausschreibungs- und Ausführungsplanung, die Ausführung von Rohbau, Hülle, haustechnischen Installationen und Ausbau bis hin zu den Umgebungsarbeiten sind die „Projektmeilensteine" in einem zeitlichen Diagramm bis Ende 2018 festgelegt. Für alle Projektbeteiligten, angefangen beim Bauherrn und dem Generalplaner, sind zunächst wirtschaftliche, funktionale und gestalterische Ziele aufgeführt. Es folgen die „Phasenabhängigen Projektziele und deren BIM-Anwendung“ und schließlich der BIM-Modellplan mit einer Übersicht der Fertigstellungsgrade (kurz: FG oder LOD = Level of Definition) für alle Gewerke in drei Phasen: Bauprojekt, Ausschreibung, Ausführung. Diese Angaben sind tabellarisch in Stichworten erfasst. Weitere Tabellen folgen mit den Bezeichnungen der gemeinsamen Objekte im Architekturmodell (dem Leitmodell), dem Tragwerkmodell sowie den Fachmodellen (Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär, Elektro); optional ist ein Kostenmodell. Darüber hinaus werden die Namensgebungen („Klassifikationen“) und Kürzel für Geschossebenen und Raumtypen erläutert, schließlich werden die von den unterschiedlichen Erstellern/Gewerken anzuwendenden Dateinamen festgelegt.

Im BIM-Koordinationsplan werden die Arten der Modellprüfung, die der BIM-Koordinator sowie in Einzelfällen die Fachplaner oder der BIM-Manager vornehmen, deren Ablauf sowie notwendige Hilfsmittel (Software) beschrieben. Dazu gehören wiederholt formale Prüfungen und visuelle Kontrollen, Kollisionsprüfungen und schließlich die Integritätsprüfung, bei der inhaltliche Konsistenz, Raumprogramm, Qualitätsanforderungen sowie Normen und Gesetze noch einmal vollständig überprüft werden. Der BIM-Projektabwicklungsplan endet mit der Erläuterung der spezifischen Rollen und Verantwortlichkeiten, die verschiedenen Aufgaben werden namentlich zugewiesen.

Für die BIM-Kollaboration an diesem Projekt erhielten IttenBrechbühl 2017 den Schweizer Arc-Award in Gold.

Bautafel

Architekten: IttenBrechbühl, Bern
Projektbeteiligte: SEGC Ingénieurs, Fribourg (Tragwerksplanung); Basler + Hofmann West, Murten (HLKKS Planung; Koordination Haustechnik); Eproplan, Gümlingen (Elektroplanung, Gebäudeautomation); Indermühle Bauingenieure, Thun (Holzbauingenieur); CSD Ingenieure, Liebefeld (Energie- und Bauphysikplanung); Siplan, Bern (Safety+Security); HPMisteli, Oberwangen (Gastroplanung); HänggiBasler, Bern (Landschaftsarchitektur); Strauss Elektroakustik, Bern (Elektroakustik); ComputerWorks AG, Münchenstein (Software Leitmodell: Vectorworks 2016)
Bauherr:
Scott Sports, Givisiez
Fertigstellung:
Baubeginn 2016, Inbetriebnahme Januar 2019
Standort: Route du Crochet, 1762 Givisiez
Bildnachweis:
IttenBrechbühl sowie Philipp Zinniker, Bern

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Der Informationsgehalt von BIM-Modellen steigt entlang der Planungs- und Ausführungsphasen und wird anhand des Level of Detail definiert.

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