Haus der Musik in Innsbruck

Nathloser Übergang von Innen und Außen

Der aus der griechischen Mythologie und aus Ovids Metamorphosen hinlänglich bekannte Wettstreit zwischen Pan und Apollo, wer schöner musizieren könne, wird oftmals als Parabel für das Apollinische und das Dionysische, die der Kunst innewohnen, herangezogen. Ein Gegensatzmotiv, welches für das Haus der Musik in Innsbruck nur allzu passend ist und von dem sich die Architekten Erich Strolz und Dietrich Untertrifaller, nach deren Plänen der Kulturbau entstand, womöglich inspirieren ließen. Während die Gebäudehülle zwischen Transparenz und Verschlossenheit changiert, kontrastieren im Inneren Hell und Dunkel miteinander.

Während die Gebäudehülle zwischen Transparenz und Verschlossenheit changiert, kontrastieren im Inneren Hell und Dunkel miteinander
Große Fenster lassen das Geschehen im Gebäudeinneren auch im Stadtraum sichtbar werden
Grundriss Erdgeschoss

Inmitten prominenter Nachbarschaft aus Hofgarten, Kongresshaus, Hofburg, Hofkirche, Volkskunstmuseum und Universität schlägt der sechsgeschossige Neubau einen neuen Ton an, ohne zu dominieren. Auf 13.000 Quadratmetern fasst das Gebäude mehrere Kulturinstitutionen zusammen: die Kammerspiele, zwei Konzertsäle, das Landeskonservatorium, das Institut für Musikwissenschaft und das Mozarteum. Zusätzlich stehen Räume für das Tiroler Symphonieorchester, drei Landesmusikvereine, die Festwochen der Alten Musik und Gastronomie bereit. Das oberste, fünfte Geschoss mit Veranstaltungsräumen und Bibliothek ist öffentlich zugänglich und bietet von den Terrassen einen Panoramablick über die Stadt.

Visuelle Interaktion mit der Umgebung

Die visuelle Interaktion mit der Umgebung spielte im Entwurf eine große Rolle. Geschosshohe Verglasungen im Parterre, in den Erschließungszonen und nicht zuletzt im dreigeschossigen Großen Saal gewähren Ausblicke auf den Vorplatz mit Leopoldsbrunnen und drei, als Naturdenkmale geschützte Bäume. Genauso lassen die großen Fassadenöffnungen das Geschehen des Gebäudeinneren auch im Stadtraum sichtbar werden. Im Gegensatz zu dieser Offenheit sind die übrigen Fassadenflächen mit dunklen Fliesen bekleidet.

Innen klar und hell

Die innere Organisation des Hauses ist klar und übersichtlich gehalten. Der zentral angeordnete Erschließungskern aus Stahlbeton schließt sich dem westlich gelegenen Eingang an und wird von oben über ein großes Glasdach belichtet. Die somit taghelle, großzügige Treppenanlage führt vom Parterre bis ins dritte Obergeschoss. Die darüber liegenden Ebenen werden durch zwei weitere Treppenanlagen in den Gebäudeecken erschlossen. Bei der Innenraumgestaltung stehen den lichtdurchfluteten, in hellen Weiß- und Grautönen gehaltenen Treppenhäusern Holzvertäfelungen in den Konzertsälen und samtig schwarze Wände in den Kammerspielen gegenüber. Die Wände des zentralen Treppenhauses sind mit Keramik bekleidet und setzen die Fassade so nach innen fort. Hier ergeben sich durch das Nebeneinander zu weiß verputzten Wänden und Beton Material- und Farbkontraste.

Hülle aus Keramik

Die Keramikhülle des Gebäudes wurde als vorgehängte, hinterlüftete Fassade realisiert und besteht aus glänzend schwarz glasierten, stranggepressten Keramikprofilen, die je nach Lichtverhältnissen rötlich-bräunlich bis auberginefarben schimmern. Die Elemente haben eine Maximallänge von 150 cm und variieren leicht in der Profilierung. Die vertikalen Rillen verleihen der Fassade eine strenge, in die Höhe strebende Wirkung. Die Keramikelemente kommen nicht nur auf den unverglasten Flächen, sondern zum Teil auch vor den Fensteröffnungen zum Einsatz. Anstelle von vier Elementen pro Meter wurden hier nur drei verwendet. Durch die Aussparungen fällt Tageslicht gefiltert herein, während Kunstlicht am Abend hinausleuchtet. Entsprechend übernehmen die Profile an diesen Stellen auch die Funktion eines Sicht- und Sonnenschutzes.

Der geschosshohe Keramikvorhang schützt die verglasten Flächen vor Sonneneinstrahlung und lässt das Gebäude zwischen den Nachbarbauten kontrastierend hervortreten. In einladender Geste öffnet sich das transparente Erdgeschoß zum großzügigen Vorplatz mit den als Naturdenkmäler geschützten Bäumen und dem Leopold-Brunnen. Rechts neben dem Haupteingang ist das museumseigene Restaurant „Das Brahms“ angesiedelt, das ebenfalls mit Glasfassaden ummantelt ist. So lässt es Blickbezüge über die historische Kaiserliche Hofburg gegenüber bis auf die Gipfel der Nordketten zu.

Schiebefenster aus Glas

Verstärkt wird das Verschmelzen von Drinnen und Draußen durch den Einsatz von neun Quadratmeter großen Glaselementen, die sich ins urban-elegante Ambiente der Kulturgastronomie fügen. Das gewählte Schiebefenster sorgt mit minimalen Profilansichten von 34 mm für einen weiten Ausblick. Trotz der großen Glasflächen und -gewichte, gleiten die Elemente leicht zur Seite und öffnen den Gastraum zur anliegenden Terrasse auf über zwölf Metern. So sorgt cero bei gutem Wetter für ein Freilufterlebnis im Inneren des Restaurants. Auch im geschlossenen Zustand transportiert die Glasfassade die Außenatmosphäre in den Gastraum. Die vier Schiebeelemente wurden um zwei Festelemente an den äußeren Seiten ergänzt und umfassen so die komplette Front der Gastronomie von fast 19 Metern. Eine barrierefreie Bodenschiene hebt die Raumgrenzen auf, sodass Innen und Außen nahtlos in einander übergehen.

Bautafel

Architekten: Erich Strolz, Innsbruck und Dietrich | Untertrifaller Architekten, Bregenz
Projektbeteiligte: Malojer, Innsbruck (Bauleitung); Toms, Wien (Statik); Teindl, Innsbruck (Geotechnik); Mikfey, Wien und Ortner, Innsbruck (Haustechnik); Brugger, Innsbruck (Elektro); Ragg, Innsbruck (Licht); Spektrum, Dornbirn (Bauphysik); gbd, Dornbirn (Fassade); IBS, Innsbruck (Brandschutz); Müller-BBM, Planegg bei München (Akustik); Kottke, Bayreuth (Bühne), Solarlux, Melle (Schiebefenster Cero)
Bauherr: Innsbrucker Immobilien
Fertigstellung: 2018
Standort:
Universitätsstraße 1, 6020 Innsbruck, Österreich
Bildnachweis: Solarlux, Melle; Erich Strolz, Innsbruck und Dietrich | Untertrifaller Architekten, Bregenz

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