Hauptsitz der Fondation Jérôme Seydoux-Pathé in Paris

Verglaste Riesenraupe aus Brettschichtholz-Trägern und Alulamellen

Der französische Pionier der Filmindustrie heißt Charles Pathé und machte Ende des 19. Jahrhunderts seine ersten Geschäfte mit phonographischen Geräten. Mit seinem Namen schmücken sich bis heute verschiedene Unternehmen der Musik- und Filmindustrie und seit 2006 gibt es eine Stiftung, die das kinematografische Vermächtnis des Pathé-Imperiums bewahrt und ausstellt. Stiftungsgründer und Namensgeber ist der französische Geschäftsmann Jérôme Seydoux.

Wie eine gigantische grau-schillernde Raupe quillt der Neubau in den Hof hinein
Die gebogene Dachkonstruktion des Neubaus wird aus 32 Brettschichtholz-Trägern aus Lärche gebildet
Rund 7.000 gebogene und perforierte Aluminiumlamellen sorgen für das grau-schimmernde Erscheinungsbild des Baukörpers

Platziert ist der Neubau der Fondation Jérôme Seydoux-Pathé in einem Hausmannschen Gebäudeblock im XIII. Pariser Arrondissement, zu dem auch ein kleines Theater gehört. Das nach Plänen des Architekten Alphonse Cusin im Jahr 1869 erbaute Théâtre des Gobelins war bereits 1934 in ein Kino umgewandelt und 2003 geschlossen worden. Für das neue Stiftungsgebäude musste es weichen, lediglich seine Fassade mit den die Tragödie und Komödie verkörpernden Figuren von Auguste Rodin blieb erhalten. Dahinter quillt nun ein von Renzo Piano entworfener Neubau als gigantisch grau-schillernde Raupe in den Hof des Blocks hinein, der teilweise an Bestandsbauten andockt. Von der Straße ist oberhalb der Theaterkulisse nur sein gebogener Dachabschluss zu sehen.

Direkt hinter die historische Theater-Fassade an der Avenue des Gobelins wurde ein transparenter Neubau als hoher Empfangsraum mit offenen Treppen und zur Vermittlung zu der sich anschließenden organischen Gebäudestruktur gesetzt. Im raupenförmigen Baukörper sind dann auf fünf Ebenen, die sich im Grundriss als Oval darstellen, in einfacher Stapelung im 1. Obergeschoss Dauer- und Wechselausstellungen untergebracht, darüber auf zwei Geschossen das Archiv und ganz oben, im zunehmend kleiner werdenden Oval, aber mit viel Tageslicht ausgestattet, die Verwaltungsräume. Im Untergeschoss wurde ein neuer Kinosaal mit 70 Sitzen eingerichtet. Die vertikale Erschließung mit Treppenhaus und Aufzug ist an einer Seite entlang der rückwärtigen Brandwände der Nachbarhäuser angeordnet; die andere Seite des Baukörpers ist gekurvt und liegt frei im Hof.

Dach
Für das Tragwerk des abgerundeten Dachs wurden auf einer vormontierten Stahlkonstruktion 32 Brettschichtholz-Bögen aus Lärche befestigt. Wegen der organischen, nicht durchweg parallelen Form und Wölbung sind alle Bögen unterschiedlich dimensioniert. Am First sind sie bis zu 27 cm dick, zum Auflager hin verjüngen sie sich auf 17 cm. Der längste Bogen misst 9,50 Meter. Am Fußpunkt übertragen Stahlgelenke die Kräfte in ein umlaufendes Stahlrohr.

Oberhalb der BSH-Träger sind zweifach gekrümmte Isolierglaseinheiten angebracht. Weil sie nicht gehärtet werden konnten, besteht auch die äußere Scheibe aus Verbundglas (mit Glasstärken von 2 x 6 mm / 15 mm / 2 x 6 mm). Für die äußeren Scheiben wurden Sonnenschutzgläser verwendet, die inneren erhielten eine Low-E-Beschichtung. Größe und Geometrie der Scheiben sind durchweg unterschiedlich, ihre maximalen Abmessungen betragen 3,20 x 0,90 Meter. Die Glasunterkonstruktion besteht aus gebogenen, sich kreuzenden Rundrohren mit 50 mm Durchmesser, die auch die Dichtungsprofile der Glasscheiben aufnehmen und als Aussteifung der BSH-Träger dienen.

Die abschließende Ebene oberhalb der Glasscheiben, die auch das Erscheinungsbild des Baukörpers prägt, wird aus rund 7.000 gebogenen und perforierten Aluminiumlamellen gebildet. Sie verhindern nicht nur ein Aufheizen, sondern auch Schlagschatten in den Innenräumen. Die Lamellen haben eine durchgängige Breite von 250 mm und unterschiedliche Längen und Perforierungsabstände. Sie liegen auf einer Unterkonstruktion aus 70 mm starken Aluminiumrundrohren auf. Die Transparenz der Lamellen variiert je nach ihrer Orientierung und liegt zwischen 30, 40 und 50%. Verglasung und Lamellen haben einen Zwischenraum von 700 mm, der der Hinterlüftung dient sowie Reinigungs- und Wartungsarbeiten ermöglicht.

Bautafel

Architekten: Renzo Piano Building Workshop, Paris
Projektbeteiligte:
Leo Berellini, Paris (Innenarchitekt); VP Green, Paris (Fassadenkonstruktion); Frener + Reifer, Brixen (Planung, Fertigung und Montage Fassade), Rubner Holzbau, Brixen (Fertigung und Montage Holzbögen); Arnold Walz, Zürich/Stuttgart  (3-D-Modell); Peutz, Bonn (Akustik)
Bauherr:
Fondation Jérôme Seydoux-Pathé, Paris
Fertigstellung: 2014
Standort: 73 Avenue des Gobelins, 75013 Paris, Frankreich
Bildnachweis: Michel Denancé, Paris

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