Gustav-von-Schmoller-Schule in Heilbronn

Schatzkiste aus blauen Fliesen

Schüler sollen lernen Stellung zu beziehen und nicht orientierungslos durch ihr Leben gleiten. - Damit könnte das Leitmotiv der Architekten bezeichnet werden, die ein Schulgebäude entwarfen, das selbst Stellung bezieht.

Abgerundetes Treppenhaus mit Blick in den Innenhof
Ausschnitt
Grundriss Erdgeschoss

An der größten Berufsschule Nordwürttembergs in Heilbronn werden über 3.000 Schüler unterrichtet. Als die zwei vorhanden Altbauten aus den Jahren 1957 und 1981 aus den Nähten zu platzen drohten, bauten die Architekten Lederer, Ragnarsdóttir und Oei einen markanten Anbau. Der L-förmige, mit 3.150 m² tiefdunkelblauen Fliesen gestaltete, Neubau ist mit seiner auffallenden Farbgebung und dem außergewöhnlichen Erscheinungsbild der Fassade im Heilbronner Stadtraum kaum zu übersehen.

Die Lage des Neubaus ergibt sich aus den umgebenden Gebäuden und Straßen: Der längere Flügel schiebt sich vor die beiden Altbauten und schirmt diese dadurch von einer viel befahrenen Durchgangsstraße ab, der kürzere verbindet den Bestand mit dem neuen Schultrakt. Zwischen den drei Schulgebäuden ist so ein geschützter Innenbereich entstanden, der als - zum Teil überdachter - Pausenhof stark frequentiert ist. Zu diesem Innenbereich öffnet sich auch der Eingang und das dahinter liegende Foyer, die Aula (auch als Schülerarbeitsraum genutzt) und im Anschluss daran die Bibliothek. Die pragmatische Aufteilung der Grundrisse zeigt sich vor allem in den beiden Erschließungsgängen, die an den Außenkanten des Hauses entlang laufen. Sie führen an allen Nutzungen vorbei und ermöglichen eine Orientierung aller Aufenthaltsräume zum ruhigen Innenhof. Die Architekten achteten auf eine besondere Ausgestaltung dieser Flure und stellten den Schülern dadurch zusätzlichen Raum mit Aufenthaltsqualitäten zur Verfügung. So werden die Flurwände immer wieder zugunsten von Nischen und Durchgängen unterbrochen und darüber hinaus auch durch eine unkonventionelle Lichtführung attraktiver gestaltet.

In den drei Obergeschossen liegen die Klassen- und Medienräume, von den Fluren durch wandhohe Schränke akustisch und räumlich getrennt. Die vertikale Erschließung erfolgt durch zwei Treppenhäuser am Anfangs- und Endpunkt des Baukörpers. Die Treppen befinden sich in abgerundeten Türmen. Die geschwungene Wegeführung ist an vielen Stellen des Entwurfes aufgegriffen worden, so zum Beispiel in der begrenzenden Wand des überdachten Pausenhofes oder in der Grundform der Aula. Auch die verputzten „Wellen" der Fassade  zitieren das „Wasser" als architektonisches Grundmotiv.

Fliesen und Platten
Keramische Fassaden zeichnen sich durch einen geringen Wartungsaufwand, lange Lebensdauer und eine hohe Widerstandsfähigkeit aus. Sie trotzen nicht nur besonders gut den Beanspruchungen durch Wind und Wetter, sondern auch denen, die aus der täglichen Nutzung durch 3.000 Schüler entstehen. Auf der Suche nach dem besten Fassadenmaterial griffen die Architekten auf den gefliesten Sockelbereich des Schulhauptgebäudes zurück. Im Zusammenhang mit dem wellenförmigen Dach des Eingangspavillons ergab sich aus diesen Zitaten das architektonische Motto und seine Umsetzung.

Die quadratischen Fliesen der Keramikfassade wurden als Sonderanfertigung hergestellt und durch Hand verlegt. Sie haben eine Seitenlänge von 97 mm und weisen eine charakteristische 2 mm starke Oberflächenwölbung auf. Architekten und verarbeitende Handwerker legten besonderen Wert auf die genaue Einhaltung der Fugenbreite, sie gewährleistet durch ihr exakt berechnetes Verhältnis zu den Fliesen eine genügend hohe Diffusionsoffenheit bei gleichzeitiger Frostbeständigkeit.

Die Fassade ist mit einem Wärmedämmverbundsystem, bestehend aus nicht brennbaren Mineralwolledämmplatten, doppelschichtigem Armierungsputz aus mineralischem Mörtel und einem innen liegenden Glasfasergewebe zur Aussteifung ausgeführt. Von den verarbeiteten 3.500 m² WDV-System wurden 3.150 m² mit den speziell entwickelten Fliesen verkleidet, der Rest mit gefilzter Putzfläche beschichtet.

Bautafel

Architekten: Arno Lederer, Jórunn Ragnarsdóttir, Marc Oei, Stuttgart
Projektbeteiligte: Lurtz und Partner, Heilbronn (Statik); Rüdiger Wied, Heilbronn (Außenanlagen); Herrenbauer & Kurz, Heilbronn (HLS); Alsecco, Wildeck (Wärmedämmverbundsystem); Fa. Pulvermüller Stuckateurgesellschaft, Möglingen (Fassade); Atelier für künstlerische Keramik Heiner und Brigitte Balzar, Höhr-Grenzhausen (Fliesenentwurf); Interbau-Blink, Ransbach (Fliesenfertigung)
Bauherr: Stadt Heilbronn, vertreten durch das Hochbauamt Heilbronn
Fertigstellung: 2003
Standort: Frankfurter Straße 63, 74072 Heilbronn
Bildnachweis: Roland Halbe, Stuttgart; Arno Lederer, Jórunn Ragnarsdóttir, Marc Oei, Stuttgart

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