Grundschule mit Kindertagesstätte in München

Modulares Bauen mit Tonnenschalen aus Beton

Im konventionellen Schulbau wird oft über den Köpfen der Schüler der Rotstift angesetzt – Rasterdecken und -leuchten bilden dann den oberen Abschluss der Räume, in denen Heranwachsende einen großen Teil des Tages verbringen. Ausgerechnet ein modulares System, auf dessen Grundlage inzwischen vier Grundschulen in München gebaut wurden, macht da einen Unterschied: Die Unterrichtsräume überspannen hier Tonnengewölbe aus Sichtbeton, in die eine Kombination aus Beleuchtungs- und Akustikelement eingehängt wurde.

Heller Beton und Holz schaffen ein harmonisches Gesamtbild
Umlaufende Balkone lassen die Fassade räumlich wirken und erlauben eine einfache Entfluchtung
Die Haupttreppe ist geschwungen und frei in den Raum gestellt

Das Konzept stammt von Wulf Architekten, die den dazugehörigen Wettbewerb der Stadt München gewannen. Die Auslober waren auf der Suche nach einem modularen Konzept, um den akuten Bedarf an Grundschulen in verschiedenen Stadtteilen möglichst wirtschaftlich und kurzfristig zu decken. Das Stuttgarter Büro überzeugte mit einer Idee, die – trotz repetitiver Elemente – auf Vielfalt und identitätsstiftende Räume setzt. Grundlage für die Entwürfe ist das „Münchner Lernhaus“, ein Grundrissmodul, das eine weitgehend dezentrale Organisation des Unterrichts ermöglichen soll.

Einer der vier Bauten, die nach diesem System errichtet wurden, ist die Grundschule an der Gustl-Bayrhammer-Straße in München-Freiham, einem Neubaugebiet im Westen der Stadt. Die Fassaden des dreigeschossigen Baus prägt der Wechsel aus bodentiefer Festverglasung in Eichenrahmen und Lamellenelementen aus Lärchenholz vor öffenbaren Lüftungsflügeln. Den laubengangartigen, umlaufenden Fluchtbalkon mit einläufigen Nottreppen tragen Stützen aus weiß lasiertem Lärchenholz oder Beton.

Der im Grundriss L-förmige Bau setzt sich aus drei Lernhausmodulen zusammen – zwei Standardeinheiten und einer Sondereinheit. Die Standardeinheit besteht aus jeweils acht Raummodulen von 10,5 auf 9,0 Metern sowie einem Lichthof. Sie umfasst jeweils vier Unterrichtsräume, denen zwei Bereiche zur Ganztagsbetreuung zugeordnet sind, ein multifunktionales Foyer, ein Teamraum, Lernnischen sowie Sanitärräume und eine Abstellkammer. Zusammen mit der Sondereinheit, die neben dem Eingang und der Haupttreppe weitere Nutzungen wie etwa die Mensa, das Lehrerzimmer mit Bibliothek, den Musiksaal, den Multifunktionsraum, die Verwaltung sowie die Hausmeisterwohnung integrieren kann, entsteht ein flexibles Raumgefüge ohne lange Flure. Wie variabel das Lernhausmodul ist, zeigt sich in einem Teil des Erdgeschosses, in dem sich eine Kindertagesstätte mit drei Krippen und drei Kindergartengruppen befindet. Zum Ensemble gehört zudem eine Zweifachturnhalle mit Freisportanlagen.

Den Architekten war wichtig, die Schule trotz des modularen Aufbaus einprägsam und einladend zu gestalten. Die Haupttreppe ist frei in ein Foyer gestellt, das vom Haupteingang bis an einen Innenhof reicht, und wird von oben natürlich belichtet. Die meisten Oberflächen sind weiß gestrichen oder aus Holz. In den Unterrichtsbereichen lernen die Schüler unter den Tonnenelementen aus Sichtbeton, durch die sich Räume ergeben, die sich deutlich von der häuslichen Umgebung der Kinder unterscheiden.

Beton

Die Wirkung der Räume in den Standardeinheiten der Lernhäuser wird vor allem durch die rund 12 cm starken Tonnendecken aus Sichtbeton bestimmt. Als 3,0 m breite und 10,5 m lange Gewölbe überspannen diese alle Räume stützenfrei und erlauben dadurch eine flexible Nutzung der Grundrisse. Die Schalen mit ihrer Höhe von 70 cm wurden als Fertigelemente im Werk hergestellt. Jeweils zwei Elemente konnten auf einem Lkw transportiert werden. Auf der Baustelle ließen die Planer die Schalen in die aus Ortbeton hergestellten Stockwerksrahmen einsetzen und vergießen. Die vom üblichen Schulbau abweichende Ausführung der Decken ist, nach Aussage der Architekten, kostengünstiger und schneller bei der Montage als herkömmliche Bauweisen.

Bei der Schule in der Gustl-Bayrhammer-Straße wurde für die Schalung der sichtbaren Oberflächen der Tonnengewölbe eine sägeraue Bretterschalung verwendet, bei den anderen drei Schulen wurde zum Teil auch – wie ursprünglich geplant – eine glatte Schalung eingesetzt. Die Architekten nennen als Grund für die unterschiedliche Ausführung das kommunale Vergaberecht, das es nicht zuließ, den Gesamtauftrag für alle vier Schulen an eine einzige Firma zu vergeben. -chi

Bautafel

Architekten: Wulf Architekten, Stuttgart (Team Wettbewerb: Berit Jennrich, Yeon Yung Choi, Josepha Roussel, Miriam Baehrens, Nicolas Gomez; Team Planung: Jan-Michael Kallfaß, Johannes Reinhard, Miriam Baehrens, Carla Lopez Barcena, Hilal Yilmaz, Elif Yücel)
Projektbeteiligte: HWP Planungsgesellschaft, Stuttgart (Projektsteuerung); Köhler Architekten + beratende Ingenieure, Gauting (örtliche Bauleitung); Ingenieurbüro Dr. Lammel, Lerch und Partner, Regensburg (Tragwerksplanung); Planstatt Senner, München (Landschaftsarchitektur); Kreuzer, Bad Wörishofen (Rohbau, Fertigteile)
Bauherr: Landeshauptstadt München, Baureferat Hochbau
Standort: Gustl-Bayrhammer-Straße 21, 81249 München
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart

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