Gerling Hochhaus in Köln

Energetische und brandschutztechnische Sanierung eines Stahlskelettbaus

Mit fünfzehn Geschossen in Stahlskelettbauweise war das Bürohochhaus für den Gerling-Konzern Anfang der 1950er-Jahre das erste seiner Art in Köln: Helmut Hentrich und Hans Heuser planten es als Teil eines 4,6 Hektar großen innerstädtischen Areals, das der Versicherungsunternehmer Hans Gerling nach seinen Vorstellungen entwickelte. Mit dem Niedergang und Auszug des Konzerns nach der Jahrtausendwende stand das Quartier zunächst leer; seit 2011 wird es einem Masterplan der Architekten und Stadtplaner Kister Scheithauer Gross (KSG) entsprechend zum Wohn- und Geschäftsviertel umgewandelt. Die Ausarbeitung der einzelnen Gebäude erfolgte durch verschiedene Architekturbüros, die Planung zu Umbau und Sanierung des Gerling Hochhauses übernahmen KSG selbst.

Die elegant abgesetzte Fassade erforderte ein Sanierungskonzept, das nicht technische und bauphysikalische Anforderungen erfüllt, sondern auch das städtebauliche Erscheinungsbild wahrt
Das 4,6 Hektar große innerstädtische Areal wird seit 2011 zu einem Wohn- und Geschäftsquartier umgewandelt
Die zweigeschossige Eingangshalle des Hochhauses blieb erhalten

Der Skelettbau mit einer vorgehängten, gerasterten Natursteinfassade aus Trosselfels und Muschelkalk steht unter Denkmalschutz. Im Zuge seiner energetischen und statischen Ertüchtigung sowie der räumlichen Umstrukturierung wurde das Hochhaus vollständig entkernt, bis auf das Stahlskelett zurückgebaut und anschließend neu „befüllt". Die Kölner Statiker von HIG Hempel Ingenieure fertigten anhand der historischen Pläne, deren Maßgenauigkeit zuvor stichprobenartig überprüft worden war, ein 3-D-Modell des statischen Systems an. Die durch die Umwandlung notwendigen Veränderungen ließen sich damit zielgenau ermitteln: So wurden beispielsweise zweigeschossige Stützen im Luftraum der Galerie im Erdgeschoss bzw. ersten Obergeschoss verstärkt und im Bereich des Gebäudekerns angrenzende Deckenfelder ausgebaut. Der aussteifende Betonkern erlaubt eine freie Grundrissgestaltung und trägt dazu bei, dass Einwirkungen aus Erdbeben und Wind sicher abgetragen werden können.

Die Grundrisse innerhalb des Stahlskeletts ließen sich relativ variabel planen; die rund 350 Quadratmeter pro Geschoss verteilen sich auf ein bis vier Wohnungen. Jede der insgesamt 51 Eigentumswohnungen verfügt über mindestens eine Loggia. Diese neu eingefügten Freibereiche liegen den Vorgaben der Denkmalpflege entsprechend an den Gebäudelängsseiten in jeweils zwei Achsen übereinander hinter der Natursteinfassade. Die Übergänge zwischen den Wohnungen und den sechs Quadratmeter großen Loggien sind an zwei Seiten vollflächig verglast und schwellenfrei ausgeführt. So ermöglichen die verschieblichen Verglasungen die Erweiterung des Wohnraums nach außen. Die zweigeschossige Eingangshalle blieb bestehen, die ursprünglichen Travertin- und Marmorböden, eine Holzvertäfelung und die Deckenbeleuchtung konnten gesichert und später wieder eingesetzt werden.

Bauphysik
Die prägnante, die Vertikale betonende und elegant abgesetzte Fassade erforderte ein Sanierungskonzept, das nicht nur heutige Anforderungen an Wärmeschutz, Sicherheit und Technik erfüllt, sondern auch das städtebauliche Erscheinungsbild wahrt. Die neuen Platten aus Crailsheimer Muschelkalk sind stärker dimensioniert und mit Edelstahlelementen befestigt, statt wie früher geklebt. Die äußere Schicht der Natursteinplatten wird um die Stärke der Dämmung (plus Brandschutzplatten und Hinterlüftung) verschoben (s. Abb. 21, 22).

Brandschutztechnisch entwickelten die Architekten für jedes Bauteil (Stützen, Träger, Decken) eine passende Lösung. Die nach unten sichtbaren Deckenträger erhielten einen mindestens 2 cm starken Spritzschutz. Im Bereich von Anschlüssen wie Gipskartonwänden wurden zementgebundene Brandschutzplatten verwendet; die Deckenoberseiten schützt ein aufgebrachter Estrich. Die insgesamt vierzig Fassadenstützen wurden mit Brandschutzplatten aus Steinwolle ummantelt, die sechs Hauptstützen im Gebäude mit Beton (Abb. 20). Für den obersten Deckenabschluss musste eine spezielle Lösung gefunden werden, da diese Decke nur 5 cm dick (+ 1cm Mörtelauftrag) war und eine standardmäßige Bekiesung von 5 cm viel zu schwer gewesen wäre. Zum Einsatz kam eine Schaumglasdämmung, die wegen der geringen Deckenstärke nicht über Dübel, sondern über Z-Profile im Bereich der Unterzüge verankert wurde (Abb. 19).

Das Gebäude wurde im Rahmen des Stahlbaupreises 2016 mit dem Sonderpreis des Bundesministeriums für Umwelt, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) für nachhaltige Stahlarchitektur ausgezeichnet.

Bautafel

Architekten: Helmut Hentrich, Hans Heuser (Bestand von 1953); Kister Scheithauer Gross Architekten und Stadtplaner, Köln/Leipzig (Umbau und Sanierung)
Projektbeteiligte: HIG Hempel Ingenieure, Köln (Tragwerksplaner); Rache Engineering, Aachen (Beratung Fassadentechnik); ISRW Klapdor, Düsseldorf (Akustik- und Energieplanung); HHP West Beratende Ingenieure, Bielefeld (Brandschutzplanung); Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege der Stadt Köln (Abstimmung Denkmalschutz); Foamglas, Hilden (Brandschutz Betondach)
Bauherr: Immofinanz, Köln (bis September 2012: Frankonia Eurobau)
Fertigstellung: 2016
Standort: Gereonshof, Köln
Bildnachweis: Marcus Schwier, Düsseldorf; Immofinanz, Köln sowie Kister Scheithauer Gross Architekten und Stadtplaner, Köln/Leipzig

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