Gerichtshof der Niederlande in Den Haag

Angriffhemmende Fassadenverglasung und Glasschwerter

Nicht in der Hauptstadt Amsterdam haben die wichtigsten Institutionen der Niederlande ihren Sitz, sondern in Den Haag. Hier sind das Parlament und die Regierung angesiedelt, hier befinden sich die Residenz des Königshauses und der Oberste Gerichtshof des Landes, der Hoge Raad der Nederlanden, der gerade einen repräsentativen Neubau bezogen hat. Darauf hatte das Gericht lange warten müssen. Seit seiner Gründung im Jahr 1838 war es in vielen verschiedenen, häufig ungeeigneten und ungünstig gelegenen Gebäuden untergebracht gewesen. Nun hat es seinen festen Platz an der Korte Voorhout im Zentrum der Stadt in prominenter Nachbarschaft zu Finanzministerium, Königlichem Schauspielhaus und US-Botschaft. Entworfen wurde die würdevolle Bleibe von KAAN Architects aus Rotterdam.

Die Bronzestatuen zeigen von links nach rechts die Rechtsgelehrten Cornelis van Bijnkershoek, Ulricus Huber, Hugo de Groot, Simon van Leeuwen, Johannes Voet und Joan Melchior Kempe
Hinter den Bäumen ist das Gerichtsgebäude kaum auzumachen
Die Isolierglasscheiben an der Nordfassade messen 1,80 x 6,00 m (b x h)

In der Form schlicht rechteckig ist das Gebäude von einer stark rhythmisierenden Fassade aus viel Glas und etwas weniger Naturstein umhüllt. Es ist 104 Meter lang, 22 Meter tief und 27 Meter hoch. Auf einer Fläche von rund 18.000 Quadratmetern bietet es Raum für etwa 350 Mitarbeiter; zwei Gerichtssäle fassen 80 und 400 Personen. Das Erdgeschoss ist als sechs Meter hoher Glassockel ausgeführt, der Transparenz und Offenheit vermitteln soll. Von außen erlaubt er Einblicke in die großzügige Empfangshalle, die sich in unterschiedlicher Breite über die gesamte Gebäudelänge erstreckt und Besuchern als Warteraum und Zugang zu den Gerichtssälen dient. Gänzlich sichtgeschützt hingegen sind die separaten Eingänge, Parkdecks und Flure auf der dem Kanal zugewandten Rückseite, über die Richter, Anwälte und Angeklagte in das Gebäude gelangen.

Oberhalb des verglasten Erdgeschosses verläuft entlang der Südfassade ein Band aus hellem Kalkstein, in das schmal hochformatige Fenster gleichmäßig eingeschnitten sind. Ein Vordach aus demselben Material markiert den Haupteingang am westlichen Ende dieser Fassade. Dahinter schließen eine Rezeption und die Besucherkontrolle an, im Straßenraum davor stehen sechs Rechtsgelehrte der niederländischen Justizgeschichte als Bronzestatuen auf Steinsockeln. Hinter der Glasfassade ist in Latein ein Zitat des Juristen Hugo Grotius (1583-1645) zu lesen, das übersetzt in etwa lautet: „Wenn die Methoden der Justiz enden, beginnt der Krieg“.

In zwei Untergeschossen sind Tiefgarage, Logistikräume und die Haftzellen angeordnet, in den obersten fünf Etagen die Büros, Arbeitsräume und Sitzungszimmer. Diese sind um zwei Lichthöfe gruppiert, die mit Sitznischen und Küchenzeilen ausgestattet, als kommunikative Treffpunkte oder Ruhezonen genutzt werden können. Über dem großen Saal und etwa halb so breit wie dieser, durchbricht in Querrichtung eine Funktionszone mit Restaurant und Bibliohek sowie den Büros des obersten Staatsanwalts und des Gerichtspräsidenten die ansonsten gleichmäßige Raumfolge. Für die Innengestaltung wählten die Architekten überwiegend hochwertige Materialien. Neben dem hellgrauen Kalkstein in der Eingangshalle, der auch für die Fassade verwendet wurde, entschieden sie sich für Eichenholz und je eine lichtdurchlässige Alabasterwand in den beiden Gerichtssälen und grauweiß gestreiften Marmara Marmor in den Lichthöfen.

Glas

Mit Ausnahme der Nordfassade sind die oberen Geschosse als Doppelfassaden mit einer inneren Ebene aus wärmedämmenden Isolierverglasungen ausgebildet. Sie reduzieren nicht nur Wärmeverluste, sondern bieten auch einen wirkungsvollen Schallschutz. In glastechnischer Hinsicht besonders interessant ist die Verglasung im Erdgeschoss. Hier spannen großformatige Isolierglasscheiben mit Abmessungen von 1,80 x 6,00 m (b x h) zweiachsig zwischen vertikal im Achsraster der Fassade angeordneten Glasschwertern. Letztere dienen als statisches (linienförmiges) Auflager für die Fassadenverglasungen gegenüber senkrecht zur Glasoberfläche wirkenden Beanspruchungen. Die Glasschwerter wurden aus Verbundsicherheitsglas aus jeweils vier 15 mm starken Einzelscheiben aus thermisch vorgespanntem Glas hergestellt.

Anstatt der außenseitig sonst üblichen Dichtfugen waren am Gerichtshof Aluminiumprofile für die insgesamt 6 cm dicken, angriffhemmenden Isolierverglasungen notwendig, da sie den Widerstand gegenüber Einbruch erhöhen. Entsprechend hohe Anforderungen an das Fassadensystem wurden experimentell bestätigt. Die Ausführung mit Anpressleisten begünstigt zudem den sonst häufig kritischen Lastabtrag unter Windsogbeanspruchung.

Bautafel

Architekten: KAAN Architecten, Rotterdam (Kees Kaan, Vincent Panhuysen, Dikkie Scipio)
Projektbeteiligte: Arup Nederland, Amsterdam (Tragwerksplanung); BAM PPP und BAM Bouw en Techniek, Bunnik und PGGM, Zeist (Generalunternhemer); ISS Nederland, De Meern (Sicherheitstechnik); Level Acoustics (Akustikplanung); DGMR, Den Haag (Brandschutz); Oskomera, Dorsten (Metallfassade); Scheuten Glas, Venlo (Fassade Erdgeschoss)
Bauherr: Rijksvastgoedbedrijf (Ministerium für Inneres), Den Haag
Fertigstellung: 2016
Standort: Korte Voorhout 8, 2511 EK Den Haag, Niederlande
Bildnachweis: FG + SG | Fernando Guerra, Fotografía de Arquitectura, Lissabon

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Der Einbau einbruchhemmender Bauteile soll das unerlaubte Eindringen in einen Raum oder ein Gebäude verhindern.

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Glasschwerter der Fassade am Hotel Esplanade am Potsdamer Platz in Berlin; Architektur: Murphy/Jahn Überdachung des Glasmuseums Broadfield House, Architekten: Design Antenna; Ingenieure: Dewhurst Macfarlane

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Dreifach-Isolierverglasung kam im Überkopfbereich und für die Fassaden der VHV-Versicherung in Hannover zum Einsatz.

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