Gerichtsgebäude in Salt Lake City

Flirrendes Fassadenkleid aus vertikalen Aluminiumlamellen

Das erste Federal Courthouse in der Hauptstadt des US-amerikanischen Bundesstaates Utah entstand vor gut einhundert Jahren mit allen Attributen eines für die Jahrhundertwende typischen Justizpalastes: monumental, steinern, raumgreifend, axialsymmetrisch, im neoklassizistischen Stil mit strenger, dorischer Kolossalordnung über hohem Sockel. Das neue Gerichtsgebäude von Salt Lake City, das als funktionale Ergänzung mit dem alten an seiner Seite nun einen Stadtblock besetzt, könnte kaum gegensätzlicher erscheinen – aber Würde, strenge Ordnung, Klarheit und Unabhängigkeit strahlt es dennoch aus. Nur hat der New Yorker Architekt Thomas Phifer für die Verkörperung dieser Ideale des amerikanischen Justizsystems gänzlich andere architektonische Mittel gefunden.

Das weiß-silbern schimmernde Fassadenkleid besteht aus vertikalen Aluminiumlamellen, die mit Abstand vor die gebäudehohen Verglasungen montiert sind
Tageslicht bis in den letzten Winkel: Selbst die Wartezone vor den Aufzügen erhält natürliches Licht über einen haushohen Luftraum und eine Glasinstallation
Der erhöhte Platz zwischen altem und neuem Gerichtsgebäude ist öffentlich zugänglich und begrünt

Seine erste Setzung ist ein rund drei Meter hohes Podest, das den Boden des Blocks neben dem Altbau bis auf dessen Sockelhöhe ausfüllt. Der entstandene erhöhte Platz ist öffentlich zugänglich, baumbestanden und verbindet die beiden Gerichtsgebäude miteinander. In einer Achse mit dem Bestandsbau, steht der Neubau exponiert und allseitig frei – ein 40 Meter hoch aufragender Solitär auf quadratischem Grundriss, maßstabslos, abstrakt, mit einer flirrenden, kleingerasterten Hülle.

Das weiß-silbern schimmernde Fassadenkleid besteht aus feinen vertikalen Aluminiumlamellen, die mit leichtem Abstand vor die gebäudehohen Verglasungen montiert sind. Sie schützen die Innenräume vor direkter Sonneneinstrahlung, ohne die Aussicht nennenswert zu beeinträchtigen. An einigen wenigen Stellen sind schlitzartige Öffnungen mit hervortretenden, tiefen Rahmen in die Fassade eingelassen, deren Format sich auf den Altbau und dessen Fensterachsen hinter der Säulenordnung bezieht. Die größte Öffnung liegt an der Westseite und markiert – keinesfalls axial – den Haupteingang. Zwischen zwei flachen Wasserbecken, die sich beidseitig des Zugangs über die gesamte Breite des Hauses erstrecken, und flankiert von zwei hohen Aluminiumscheiben gelangen die Besucher zunächst in die dreigeschossige Eingangshalle. Sie macht deutlich, dass das Gebäude nicht nur weit in den Stadtraum hinaus strahlt, sondern von Licht auch erfüllt ist. Gefiltert und blendungsfrei dringt es in jeden Winkel der Halle; selbst die zentrale Wartezone vor den Aufzügen ist durch einen haushohen Luftraum und eine kunstvolle Glasinstallation natürlich belichtet.

Auf zehn Stockwerken (plus zwei Tiefgaragengeschossen) beherbergt das Gebäude zehn große, an den Ecken platzierte Gerichtssäle samt Foyer- und Wartebereichen als breite Mittelspur sowie zahlreiche Sitzungssäle, Büros und Nebenräume. Acht weitere Gerichtssäle können bei Bedarf mit wenigen Umbauten in die vorhandene Struktur integriert werden.

Sonnenschutz
Wie das orthogonale Straßenraster der Stadt ist auch das Gerichtsgebäude exakt an den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Die rundum vor den Glasfassaden montierten Aluminiumelemente sind auf jeder Seite mit unterschiedlich schräg befestigten Lamellen bestückt, die die Sonnenstrahlung auf eine je eigene Art reflektieren und indirekt in das Gebäudeinnere leiten. An der Ost- und Westfassade stehen sie im 45-Grad-Winkel schräg vor den Verglasungen, sodass sie die Strahlen der hier tiefer stehenden Sonne von einer Lamellenfläche zur benachbarten reflektieren und erst dann in den Innenraum gelangen. An der Südfassade verlaufen vertikale Flachprofile parallel zur Glasfläche und U-förmige Lamellen stehen senkrecht davor. Die einfallenden Strahlen treffen auf die flachen Profile, reflektieren in die U-Profile hinein und zurück durch die verbleibenden Schlitze in die Innenräume. Die vielfachen Reflexionen in der Fassadenebene – auf den eloxierten Aluminiumflächen genauso wie auf den Verglasungen – sorgen für einen flirrend-surrealen Schleier, der durch die Sonnenstände im Tagesverlauf variiert. Am Abend entsteht ein ähnlicher Eindruck bei wechselnder Belegung der großen Gerichtssäle.

Bautafel

Architekten: Thomas Phifer and Partners, New York
Projektbeteiligte: Naylor Wentworth Lund, Salt Lake City (Ausführender Architekt); E. A. Lyman, Sandy (Landschaftsarchitekt), McNeil Engineering, Sandy; Van Boerum & Frank, Salt Lake City; Reaveley Engineers, Salt Lake City; Weidlinger, New York; BNA Engineers, Salt Lake City (Igenieure); Fisher Marantz Stone, New York (Lichtdesign); James Carpenter Design, New York (Gebäudehülle und Lichtinstallation); Arup, New York (Akustik)
Bauherr: General Services Administration
Standort: 351 South West Temple, Salt Lake City, Utah, USA
Fertigstellung: 2014
Bildnachweis: Scott Frances, New York

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Arten und Formen

Feststehender Sonnenschutz außen

Glaslamellen und Aluminiumraffstore verschatten die großen Glasflächen des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin. Architektur: Stephan Braunfels

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Materialien

Glas und Metall

Um Sonnenschutzanlagen, wie hier Außenraffstoren, perfekt in die Fassade zu integrieren, müssen sie früh in der Planung berücksichtigt werden. Architektur: Chipperfield Architects, Forum Museumsinsel, Berlin

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Grundlagen

Sonnenschutz und Fassade

Außenliegende tageslichtlenkende Raffstore mit reflektierender Decke

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Funktionen

Tageslichtlenkung

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