Gästehaus in Rosenheim

Architektur, die erdet

Wer die Webseite des Planungsbüros Studio Anna Heringer aufruft, stößt auf das Mantra der Architektin: „Architecture is a tool to improve lives“. Auch dem RoSana Waldhaus wohnt es inne, einem Gästehaus, das die Architektin mit Team im Auftrag des RoSana Ayurveda Kurzentrums im bayerischen Rosenheim entworfen hat. Die Erweiterung einer ehemaligen Garage steht Menschen bereit, die Ruhe für Geist und Körper suchen. Das Bauwerk liegt auf einer kleinen Insel im Fluss Mangfall. Der Kurbetrieb ist in einem denkmalgeschützten, ehemaligen Steinsägewerk untergebracht und ist durch eine Parkanlage vom Gästehaus getrennt. Das Waldhaus von Heringer ergänzt die bestehende Unterkunft mit vier weiteren Gästezimmern sowie einem Apartment für Angestellte.

Die Konstruktion aus tragenden Holzpaneelen wurde mit einer unbehandelten Lärchenlattung und mit Flechtwerk aus Weidenästen verkleidet.
Durch das Flechtwerk wirkt das Gebäude wie ein großes Nest, das Geborgenheit ausstrahlt.
Interessante handwerkliche Details zeugen von der Qualität des Baus.

Der Reiz des Unvollendeten
Das gemeinsame Ziel der Architekturschaffenden und der Bauherrschaft war die Erstellung gesunder Architektur – sowohl für die Gäste als auch für den Planeten. Der Entwurf basiert auf den Materialien Holz, Lehm und Weidengeflecht. Der Einsatz von Beton, Stahl, Leim oder Schäumen wurde auf ein Minimum reduziert. Stattdessen treffen Gäste der Zentrums auf einen konstruktiven Holzbau mit Stampflehmwänden, Lehmputz, Lehm-Kasein-Böden und handgefertigte Keramikfliesen. 

Die reduzierte Auswahl naturbelassener Materialien und die besondere Art der handwerklichen Verarbeitung sollen den Geist zur Ruhe bringen und die Sinne anregen. So sind die Baustoffe und ihre Oberflächen niemals vollends veredelt. Diese Unvollkommenheit soll sich auf die Gäste übertragen und sie vom Gefühl befreien nicht perfekt oder nicht gut genug zu sein. Die archaische Wirkung der Stampflehmwände soll sprichwörtlich erden und zwar indem sie Gäste daran erinnert, Teil der Natur zu sein. Das soll den Fokus schärfen, auf einfache und wichtige Dinge des Lebens.


Holz, Lehm und Flechtwerk
Der Bau ist um einen Technikraum und eine Garage organisiert, welche bestehen bleiben sollten. In Zukunft soll die Garage zu einem Yoga- und Eventraum umgebaut werden. Das Holztragwerk besteht aus leimfreien, tragenden Holzrahmen, die außen auf zwei Weisen verkleidet sind: Der größere Teil der Fassade besteht aus einer unbehandelten, vertikalen Lärchenlattung, welche durch einen scheinbar willkürlich gewählten Rhythmus der Lattenbreite charakterisiert wird. Die Südfassade zur Mangfall hin besteht aus einem Geflecht, ungeschälter Weidenäste, welche entlang des Flusses wachsen. Die teilweise geschwungene Form des Gebäudes schlängelt sich entlang des Auwaldes. Mit den geflochtenen Ruten erinnert das Gebäude an ein großes Nest.

Monolithischer Ausdruck und abgerundete Ecken
Alle Innenräume und deren Wände sind mit unterschiedlichen Lehmputzen und -techniken behandelt, wodurch ein schadstofffreies, wohltemperiertes Raumklima entsteht. Die meisten Lehmputze wurden dabei direkt auf die Holzstruktur aufgebracht mit Schilfmatten als Träger. In den Wänden ist zusätzlich eine Wandheizung eingebracht. Die Trennwände zwischen den Gästezimmern bestehen aus einer hybriden Konstruktion aus Holz und Stampflehm. Die 7 cm dicken Stampflehmwände sind vorgefertigt und akustisch von der Holzkonstruktion getrennt. Dank der Wasserlöslichkeit von Lehm können die Verbindungen retuschiert werden, sodass ein monolithischer Ausdruck entsteht. 

Besonders schön ist dies in den Nasszellen mit einer Beschichtung aus Tadelakt gelungen. Bei dieser traditionellen marokkanischen Technik wird der aufgetragene Kalkputz mit Halbedelsteinen verdichtet und poliert, sodass sich eine hohe Festigkeit und Wasserbeständigkeit sowie der charakteristische Glanz ergeben. Insgesamt bildet das RoSana Waldhaus ein überzeugendes Beispiel für den Einsatz von natürlichen Materialien und zeigt deren Wert für Gesundheit und Umwelt.-sh

Bautafel

Architekten: Studio Anna Heringer, Laufen
Projektbeteiligte: Martin Rauch, Lehm Ton Erde, Schlins (Stampflehm); Helmut Fischer (Ingenieur); Hermann Gärtner, Wasserburg am Inn (Lehmputz, Casein-Böden, Tadelakt); Emmanuel Heringer, Schechen (geflochtene Weidenfassade); Zimmerei Maicher, Tattenhausen (Holzkonstruktion); Fa. Seethaler, Konrad Boschner (Sanitär und Elektro); Martin Schaub (Bautechnik, Bauleitung)
Bauherrschaft: Heidi und Sören Gutschmidt, RoSana Ayurveda Kurzentrum, Rosenheim
Fertigstellung: 2021
Standort: Kunstmühlstraße 25, 83026 Rosenheim, Deutschland
Bildnachweis: Gabrical by Gabrijela Obert, Geisenhausen

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