Forschungsgebäude CIGL in Gießen

Detaillierte Laborplanung dank koordiniertem 3D-Gebäudemodell

Eine bessere Verzahnung der Grundlagenforschung mit der klinischen Praxis ist das erklärte Ziel des Deutschen Zentrums für Lungenforschung DZL. Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte Verbund vernetzt Wissenschaftler an fünf Standorten und befasst sich mit acht Krankheitsgebieten der Lunge. Um Vorsorge und Diagnose zu verbessern, aber auch, um eine individualisierte Therapie und die optimale Versorgung der Patienten zu ermöglichen, sollen Forschungsergebnisse künftig rasch in die klinische Medizin übertragen werden. Umgekehrt sollen in der Klinik gewonnene Gewebeproben in einer Biobank gesammelt und der Forschung zugänglich gemacht werden. Eine solche Biobank wird Bestandteil des Laborgebäudes CIGL – Center for Infection and Genomics of the Lung auf dem Campus Natur- und Lebenswissenschaften Seltersberg der Justus-Liebig-Universität in Gießen sein. An die hundert Wissenschaftler werden dort arbeiten, wenn es wie vorgesehen, Ende 2019 fertiggestellt ist. Geplant haben den Neubau hks I architekten aus Erfurt, der Spatenstich erfolgte im November 2017.

Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Schnitte 1

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Forschungsgebäude ECCPS (Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System) bildet der als Solitär geplante Bau mit diesem einen Vorplatz aus. Lediglich zwei Geschosse hoch erhebt er sich auf quadratischem Grundriss mit 40 Metern Seitenlänge. Eine Gebäudeecke weist zum südwestlichen Aulweg. So wird seine Einzelstellung zwischen der lockeren Bebauung auf dem durchgrünten Seltersberg betont und es entsteht gleichzeitig ein fließender Außenraum. Zudem konnten viele erhaltenswerte Bäume auf dem Baufeld stehen bleiben.

Ein Einschnitt an der nordöstlichen Ecke markiert den Haupteingang. Er leitet über in eine breite Eingangszone, die als schmaler Gang in zwei Richtungen fortgeführt wird. Diese sind Teil einer Ringerschließung um einen Kern von Räumen, die über einen rechteckigen Innenhof belichtet werden. Die außen liegenden Räume sind blockweise zusammengefasst und im Grundriss windmühlenartig organisiert. Die Flure dazwischen münden jeweils in aufgeweiteten Kommunikationszonen mit Außenbezug, die Platz für Begegnung und informellen Austausch bieten.

Die Büro- und Nebenräume sind entlang des nördlichen Flurs auf Achse der Eingangszone angeordnet, die Labore davon streng getrennt. Mit einer internen Treppe sowie zwei sogenannten Kittelräumen pro Etage können sie geschossübergreifend als S2-Zone (entsprechend der biologischen Sicherheitsstufe 2) definiert werden. Das Gebäude ist teilweise unterkellert, das Untergeschoss aufgrund der Topografie an zwei Seiten als Sockel wahrnehmbar. Es beinhaltet die Technikräume, Zentralumkleiden für die Mitarbeiter und verschiedene Lagerräume.

Das CIGL ist als Stahlbetonkonstruktion mit durchgehender Stützen-/Wandscheibenstruktur sowie mit Decken ohne Unterzüge konzipiert. Als Fassadenmaterial sind großformatige, matt glänzende Metallpaneele in einem warmen Sandfarbton vorgesehen, die von zurücktretenden, dunkel gerahmten Fensterbändern durchbrochen werden. Dunkel abgesetzt sind auch die Einschnitte für die Ein- und Ausgänge.

Die Innenwände und Türen in den öffentlichen Bereichen sind weiß bzw. lichtgrau gestaltet, die Böden der Flure und im Aufenthaltsraum petrolblau, in den Räumen hingegen lichtgrau. Die Laborzonen sind funktional gehalten, mit sichtbaren Installationen an den Decken und seitlich hervortretenden, weiß bekleideten Mikroschächten in den Fluren. Ein petrolfarbener Bodenbelag setzt gegenüber den ansonsten weißen, anthrazitfarbenen und lichtgrauen Oberflächen auch hier einen starken Akzent.

BIM
Bereits seit 2014 planen die Erfurter Architekten sämtliche Neubauten als virtuelle Gebäudemodelle in drei Dimensionen. Seitens des Bauherrn gab es beim Projekt CIGL keine Vorgaben für eine BIM-Planung, der TGA-Planer aber wollte auf 3D-Gebäudemodellierung umstellen, und so erfolgte ab Leistungsphase 3 ein kleiner BIM-Prozess. Weil unterschiedliche Software eingesetzt wurde, erfolgte der Datenaustausch im Format IFC2x3. Bei dem Laborgebäude handelt es sich um ein hochkomplexes Bauwerk mit sehr viel Technik auf wenig Raum – der Vorentwurf wurde dazu flächenmäßig optimiert. Mit teilweise drei Lagen verschiedener technischer Gewerke übereinander ist die konventionelle Planung und Darstellung eines solchen Gebäudes in zwei Dimensionen schwer darstellbar. Das übergreifende BIM-Modell mit den einzelnen Fachmodellen hingegen stellt ein gutes Mittel zur reibungslosen Planung und Umsetzung dar. Die Kollisionsprüfung erfolgte in diesem Fall nicht automatisiert, die Kollisionspunkte wurden mittels einer gesonderten Software über das Datenformat BCF ermittelt.

Besonders angetan zeigte sich der Gebäudebetreiber von der dreidimensionalen Visualisierung der Labore. Anders als üblich, ließen sich bei diesem Projekt aus Zeitgründen keine Musterlabore zur Prüfung vorab einrichten. Dank der Komplexität des von den Architekten erstellten Leitmodells ließen sich viele Fragen im Vorfeld mit dem Bauherrn und dem Betreiber klären, und die Positionen beispielsweise von Laborbänken, Absperrventilen oder Not- und Augenduschen frühzeitig anpassen.

Die BIM-Planungsmethode habe große Vorteile, so die Architekten. Gerade im Austausch mit den Fachplanern, die zunehmend mit 3D-Gebäudemodellen arbeiteten, ergäben sich oftmals „Aha-Effekte“; die Ermittlung von Kollisionspunkten und eine gemeinsame Lösungsfindung seien besonders effektiv. Auch eine komplizierte Gründungssituation ließ sich mithilfe des Tragwerkmodells – in diesem Fall war es Teil des Architekturmodells – viel einfacher durchschauen, da sich Schnitte durch das Gebäude sehr schnell durchführen lassen.

Bautafel

Architekten: hks I architekten GmbH, Erfurt
Projektbeteiligte: HI Bauprojekt, Jena (Planung TGA); PEG, Karlsruhe (Laborplanung); ComputerWorks GmbH, Lörrach (Software Leitmodell: Vectorworks 2016); Trimble Solutions, Eschborn (Software Kollisionsprüfung: Tekla BIMsight)
Bauherr:
Land Hessen, vertreten durch den Landesbetrieb Bauen und Immobilien Hessen (LBIH), Niederlassung Mitte
Fertigstellung: (Baubeginn 11/2017) Ende 2019
Standort: Forschungsgebäude Medizin, Campusbereich Seltersberg der Justus-Liebig-Universität Gießen; Aulweg, 35392 Gießen
Bildnachweis: hks I architekten, Erfurt

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