Forschungs- und Ausstellungszentrum in Sanya

Im Schutz des Rasters

Bodenknappheit, Wassermangel, Bienensterben – die Landwirtschaft ist als Verursacherin, aber auch Leidtragende eng mit dem Klimawandel verzahnt und sieht sich darum großen Herausforderungen gegenüber. Anbauformen müssen umweltverträglicher, Tierhaltung artgerechter und Lebensmittel gesünder werden. Die Forschung liefert aussichtsreiche Lösungsansätze, jedoch werden die Probleme kaum zu bewältigen sein, wenn sich nicht auch das Konsumverhalten ändert. Auf der südchinesischen Insel Hainan will ein Forschungs- und Ausstellungszentrum für das Thema sensibilisieren. Das nach Plänen des Architekturbüros Clou Architects entstandene Sanya Farm Lab dient unter anderem als kommerzieller Showroom für Produkte aus dem Bereich der Agrarwirtschaft. Präsentiert werden darüber hinaus technische Innovationen und wissenschaftliche Erkenntnisse, die für die landwirtschaftliche Entwicklung der Region von Bedeutung sind.

Verantwortlich für den Entwurf des Ausstellungs- und Forschungszentrums zeichnen Clou Architects aus Peking.
Das Besucherzentrum im Technologiebezirk Nanfan High Tech District ist kommerzieller Showroom, Forschungseinrichtung und Touristenattraktion in einem.
Der quaderförmig ausdifferenzierte und thermisch abgeschlossene Kernbau ist umgeben von einer begrünten Zwischenzone, die nach außen durch ein großmaßstäbliches Gitter in Holzoptik abgeschlossen wird.

Forschung und Tourismus unter einem Dach

Das Gebäude liegt im Nanfan High Tech District der Stadt Sanya, dem „Silicon Valley“ der chinesischen Samen-Industrie. Zu den drängendsten Problemen der tropisch geprägten Region zählt eine durch Wasser- und Bodenmangel bedrohte Lebensmittelproduktion. Aber auch die steigende Nachfrage nach Naturtourismus ist eine Herausforderung. Die wachsende chinesische Mittelschicht mit hoher Kaufkraft hat die als „Hawaii Chinas“ betitelte Insel Hainan zum beliebten Urlaubsort erkoren. Forschung und Tourismus sollen sich in dem Bauwerk gegenseitig durchdringen, abstrakte Technologien für die praktische Anwendung im Alltag vermittelt werden. Auch zur Überwindung der in China nach wie vor stark ausgeprägten Abgrenzung zwischen Stadt und Land soll das Projekt beitragen. Zu sehen sind Exponate aus dem Bereich der Agrarrobotik und eine vertikale Indoor-Farm über mehrere Geschosse. Letztere dient als Quelle für das Konzept des sogenannten Farm-to-table, bei dem die Lebensmittel vor Ort erzeugt und im dazugehörigen Restaurant zum Verspeisen angeboten werden.

Lokal inspirierte Landmarke

Das viergeschossige Bauwerk erhebt sich über einem L-förmigen Grundriss. Der quaderförmig ausdifferenzierte und thermisch abgeschlossene Kernbau ist auf der westlichen Gebäudeseite von einer begrünten Zwischenzone umfangen, die nach außen durch ein großmaßstäbliches Gitter in Vollholzoptik abgeschlossen wird. Letzteres fasst das komplexe Gefüge aus Innen- und Außenräumen zu einem kompakten, polygonalen Baukörper zusammen. Dieser erinnert in seiner Kubatur an ein Steildachhaus: Oberhalb des ersten Obergeschosses neigt sich das Raster je nach Ausrichtung unterschiedlich steil dem Flachdach des Kernbaus zu. Da dieser in den Obergeschossen beträchtlich zurückstaffelt, entstehen im Bereich zwischen Sonnenschutz und thermischer Gebäudehülle hallenartige Raumformationen.

Als Inspiration für die charakteristische Außenhülle, die dem Gebäude im Wissenschaftspark den Status einer Landmarke bescheren könnte, geben Clou Architects traditionelle Häuser der auf Hainan beheimateten Li-Minderheit, die Form des futuristischen Raumfahrzeugs Chang’e-4-Lander und botanische Gewächshausstrukturen an. Mit seinem Entwurf strebte das Planungsbüro eine Durchdringung des Außen- und des Innenraumes an: Jedem Geschoss sind ganz oder halb außenliegende Bereiche zugeordnet, die über ein eigenes Erschließungssystem verfügen. Zu Letzterem gehört eine große weiße Wendeltreppe, die sich skulptural über drei Geschosse emporwindet. Der interne Erschließungskern mit Treppenhäusern und Fahrstühlen sowie die Forschungsbereiche sind in der östlichen Gebäudeecke angeordnet.

Sonnenschutz: Tiefes Stahlgitter mit holzfurnierter Aluminiumverkleidung
Ein Bauwerk, dass sich mit den Herausforderungen des Klimawandels befasst, braucht ein solides Nachhaltigkeitskonzept. Dieses wird sowohl durch aktive als auch durch passive Systeme umgesetzt. Nur die Forschungsbereiche im Gebäudekern werden aktiv klimatisiert. Der Rest des Bauwerks, inklusive aller Ausstellungsbereiche, wird passiv gekühlt. Das passive Kühlungssystem findet in dem facettierten Dach- und Fassadenraster seinen funktionalen sowie gestalterischen Höhepunkt. So fungieren die ein Meter tiefen Lamellen und Stege der Struktur als Barriere für seitlich und steil einfallendes Sonnenlicht. Insbesondere Letzteres ist in der tropischen Region unweit des Äquators sehr intensiv.

Während die vertikalen Gitterflächen offen sind, um so die Luftzirkulation im Gebäude zu begünstigen, haben die geneigten Bereiche Ausfachungen aus Glas. Diese sind teilweise matt bedruckt, sodass solare Energie absorbiert wird, das Tageslicht jedoch diffus eindringen kann. Insgesamt bewirkt die Sonnenschutzhülle bei den Außenbereichen und Innenbüros eine Absorption des Sonnenlichts um bis zu 70 Prozent. Im Erdgeschoss sorgt ein durchgehender umlaufender Geschossüberhang für einen geschützten Zugang und überdachte Freibereiche. Die geneigten und horizontalen regalartigen Gitterelemente sind mit Rinnen zur Entwässerung ausgestattet. Das hier gesammelte Regenwasser kann für die Landschaftsbewässerung und im gesamten Gebäude verwendet werden.

Die das Gesamtbild des Gebäudes prägende Sonnenschutzstruktur war ursprünglich als reines Holztragwerk konzipiert wurde aber sukzessive von den Behörden nicht genehmigt und so zum Thema lokaler Baurechtskontroversen. So klassifizierte die örtliche Baubehörde das im Original mit LVL (Laminated Veneer Lumber)-Trägern geplante System trotz der ausschließlich selbsttragenden Funktion als Gesamttragwerk. Hinzu kam eine De-facto-Einstufung aller außenliegenden Bereiche, die sich unter dem Gitter anordnen, als Innenräume, was Holz als Baumaterial im Rahmen der Baugesetzgebung nunmehr vollständig ausschloss. Daraus ergab sich die Änderung der Fassade von Vollholz hin zu furnierter Aluminiumverkleidung um eine Stahlkonstruktion. CLOU Architects stufen den Vorgang als eine wertvolle Erfahrung im Umgang mit Behördenbedenken ein, sodass die Herangehensweise in zukünftigen Projekten dementsprechend anpassbar ist.

Das Sanya Farm Lab wurde von den Iconic Awards als Gewinner des Innovative Architecture Award 2020 ausgezeichnet und erhielt 2021 eine Würdigung in den Kategorien Excellent Architecture und Conceptional Architecture des German Design Awards. -sr

Bautafel

Architektur: CLOU architects, Peking
Projektbeteiligte: Jan Clostermann, Lin Li, Na Zhao, Sebastian Loaiza, Julien Douillet, Yaxi Wang, Tianshu Liu, Tiago Tavares, Principia Wardhani, Javier Peláez, Yiqiao Zhao (Design Team Clou Architects); Urban Architecture Design, Shanghai (Tragwerksplanung); China Building Technique Group, Peking (Fassade); G-Aart Design (Innenarchitektur); Fuzhou Bovs Lighting Design (Licht)
Bauherr/in: Jinmao Sanya Nanfan Rongmao Real Estate 
Standort: Sanya, Hainan Island, China
Fertigstellung: 2021
Bildnachweis: Shining Laboratory

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Auskragende Balkone als Schattenspender an einem Berliner Mehrfamilienhaus.

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Materialien

Beton und Mauerwerk

Brise-Soleil in Form von feststehenden, doppelgeschossigen Vertikallamellen aus Beton an der Unité d'habitation bzw. dem Corbusierhaus in Berlin

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Arten und Formen

Feststehender Sonnenschutz außen

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