Fitzroy Crossing Renal Hostel

Polychromer Sonnenschutz im heißesten Teil Australiens

Der Wunsch nach einem Leben in Einklang mit der Natur, nahe der eigenen Gemeinschaft bestimmte den Entwurf für das Fitzroy Crossing Renal Hostel (FCRH) im Norden Australiens. Das Gebäudeensemble dient als temporäres Zuhause für Aborigines, die unheilbar an der Niere erkrankt sind und sich hier einer Dialysetherapie unterziehen können. Geplant wurde es von Iredale Pedersen Hook Architects aus Perth.

Fitzroy Crossing ist eine abgelegene Ortschaft in der nördlichen australischen Wüste
Gemeinschaftshaus von Westen: Der zentrale offene Durchgang dient als Ankunfts- und Willkommensbereich für Patienten und Besucher
Östliche Eingangsseite: Unter dem Dach des Gemeinschaftshauses sind zwei Pavillons vereint

Fitzroy Crossing ist eine kleine Ortschaft in der Region Kimberley, die nächste Provinzstadt liegt rund 400 Kilometer entfernt. Über 90 Prozent der Einwohner sind Aborigines. An der namensgebenden Furt über den Fitzroy River treffen vier unterschiedliche Gruppen der australischen Ureinwohner aufeinander: Die Bunuba – die Fluss- und Hügelmenschen, auf deren Gebiet die Furt liegt, die Nyigina – die Menschen der Ebene, die Goodiyandi – die östlichen Flussmenschen und die Walmajari – die Menschen der Großen Sandwüste. Seit der Kolonialisierung durch europäische Einwanderer im 19. Jahrhundert hat die Region mit tiefgreifenden sozioökonomischen Herausforderungen wie Alkoholismus, generationenübergreifender Arbeitslosigkeit, Analphabetismus und vielen Gesundheitsproblemen der Bevölkerung zu kämpfen. Für die Behandlung einer Nierenerkrankung mussten die Betroffenen zuvor in das 2.675 Kilometer weit entfernte Perth reisen. Aufgrund der starken Bindung zu ihrer Herkunftsregion, zu Familie und Gemeinschaft, aber auch wegen der beschwerlichen Reise verzichteten viele auf eine Therapie.

Die Herberge verfügt über 20 Betten in Einzel- und Doppelzimmern, die auf sechs Wohnhäuser verteilt sind. Zu jedem Zimmer gehören eine Teeküche, eine Veranda, die dank Insektenschutz auch als außen liegender Schlafplatz genutzt werden kann sowie eine Eingangsterrasse. Das benachbarte Gemeinschaftsgebäude vereint zwei Pavillons unter einem Dach: Dort befinden sich eine professionelle Küche und Waschküche, ein Speisesaal sowie zwei Wohneinheiten für Personal. Ein zentraler offener Durchgang dient als Ankunfts- und Willkommensbereich für Patienten und Besucher. An den übrigen Seiten entstehen verschieden breite, witterungsgeschützte Zonen zwischen Innen- und Außenraum, separiert durch farbige Sonnenschutzelemente und Wellblech. Verwendet wurden durchweg einfache Baumaterialien, denn Materialbeschaffung und Wartung sind aufgrund der Abgeschiedenheit des Ortes eingeschränkt. Die geneigten Dächer und Teile der Wände bestehen aus Wellblech in variierenden Sandtönen. Das Tragwerk ist eine Stahlrahmenkonstruktion, der Boden eine Gussbetonplatte.

Sonnenschutz

Drei unterschiedliche Fassadenelemente vermindern die Aufheizung der Innenräume und Betonfußböden. Ein Edelstahlgewebe vor allen öffenbaren Fenstern schützt vor Insekten und bietet Blendschutz, lässt jedoch Ausblicke zu. Einigen Bereichen sind zur Verschattung schmale horizontale Latten vorgeblendet. Sie bestehen aus einem recycelten Holz-Plastik-Komposit, das widerstandsfähiger als Holz gegenüber Termitenangriffen und Witterungsbedingungen sein soll. Blickfang sind polychrome feststehende Sonnenschutzelemente, die wie Flügel in dichter Reihung aus der Fassade hervortreten. Die aus komprimiertem Faserzement gefertigten Tafeln sind entweder in Fensterhöhe oder zweireihig in Fenster- und Brüstungshöhe mit unterschiedlichen Öffnungswinkeln angeordnet. Je nach Fassadenabschnitt berücksichtigen elf verschiedene Ausstellwinkel (Abb. 22) die Sonneneinstrahlung und Funktion des Innenraums. Die unteren Paneele an der Westfassade mindern direktes und tief stehendes Sonnenlicht und die Erwärmung des Betonfußbodens, zudem schützen sie die Privatsphäre beim Essen. Die oberen Paneele sorgen ebenfalls für Schatten, erlauben jedoch Ausblick in die Landschaft und zu anderen Bewohnern. Die Sicht- und Sonnenschutzelemente an den Wohnhäusern sind beweglich.

Weil der Gebrauch von Farbe in der Kultur der Aborigines eine große Bedeutung hat, nehmen die Architekten darauf Bezug mit einem Farbkonzept, das von der umliegenden Landschaft und den dramatischen saisonalen Veränderungen inspiriert ist. In der Trockenzeit dominieren beige- und ockerfarbene Böden sowie das helle Grün des Eukalyptusblattes. Dazu gesellen sich zartes Gelb und Rosa von wenigen, zu dieser Zeit blühenden Blumen. Die Regenzeit hingegen ist durch grelle Farben bestimmt: Smaragdgrün, Purpur und Rot sind die Blumen, die aus der orangefarbenen Erde wachsen. Die zurückhaltende Farbigkeit der Trockenzeit wurde zur Gestaltung der Wohnhütten eingesetzt, um ihnen Identität zu verleihen und die Orientierung zu erleichtern. Am Gemeinschaftshaus kommt die gesamte Palette der saisonalen Farben zum Einsatz.

Auf den Veranden entsteht ein farbiges Licht- und Schattenspiel. Inspiration dafür war ein Verbindungsgang in Le Corbusiers Kloster La Tourette in Frankreich. Dort zeichnen sich auf dem Boden die schmalen Rahmungen der Glasfassade als Schattenlinien ab. Für das FCRH sahen die Architekten eine Umkehrung des Effekts vor – die zwischen den Sonnenschutzelementen eindringenden Strahlen erzeugen helle Linien auf dem Boden.

Bautafel

Architekt: Iredale Pedersen Hook Architects, Perth
Projektbeteiligte: Ri-con Contractors, Broome (Bauausführung); Iredale Pedersen Hook Architects, Perth (Landschaftsarchitekten); Tim Willing, Broome (Gärtner); Terpkos Engineering, Perth (Tragwerksplaner) BCA Consultants, Perth (Elektronik und Hydraulik)
Bauherr: West Australian Country Health Services, Perth
Fertigstellung: 2017
Standort: Lot 114 Forrest Road, Fitzroy Crossing WA 6765
Bildnachweis: Peter Bennets, Melbourne

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