Firmenzentrale Amorepacific in Seoul

Vertikale Aluminiumlamellen in vier Profilgrößen

Südkoreas größtes Kosmetikunternehmen gilt als eine der innovativsten Firmen weltweit; ihr Vorstandschef war 2017 der zweitreichste Mann des Landes. Seit 2010 hat sich der Wert der Amorepacific-Aktie verzehnfacht. Der Bau einer neuen Firmenzentrale verwundert da kaum. Den ausgeschriebenen Wettbewerb konnten David Chipperfield Architects für sich entscheiden. Nach fast vierjähriger Bauzeit wurde das imposante Bauwerk in der Metropole Seoul eröffnet. Die Architekten haben ein von Licht durchflutetes Hochhaus realisiert, dessen hell schimmernde Sonnenschutzfassade die Stadtsilhouette bereichert.

Das Hochhaus befindet sich in einem stadttopographisch durchmischten Gebiet aus Bürotürmen und kleinteiliger historisch gewachsener Bebauung
Großmaßstäbliche Fassadenöffnungen leiten viel Licht in den Baukörper, der sich um einen quadratischen Hof anordnet
Dreimal springt der Baukörper um die Tiefe der außen liegenden Sonnenschutzschicht vor, sodass er oben minimal auskragt

Aufgrund der spezifischen Lage an einem Übergangspunkt zwischen zwei unterschiedlichen Stadttopografien soll das Bauwerk als Bindeglied fungieren: Auf der einen Seite erstreckt sich die Kleinteiligkeit eines historisch gewachsenen Quartiers, zur anderen Seite prägt ein durch Modernismus geprägter Städtebau mit Solitär stehenden Großbauten das Gebiet. Den Planern war daran gelegen, den großen Bau durchlässig zu gestalten – sowohl optisch als auch praktisch. In das nahezu kubische Volumen wurden ein zentraler Hof sowie drei großmaßstäbliche Fassadenöffnungen eingefügt. Mit Ausnahme des Untergeschosses sind die Grundrisse der 30 Stockwerke entweder quadratisch oder – auf Höhe der Fassadenöffnungen – hufeisenförmig. Dreimal, im 4., 10. und 16. Obergeschoss, springt die Fassade um die Tiefe des vorgeblendeten Sonnenschutzes vor. Das Hochhaus verbreitert sich also minimal von unten nach oben.

Die 216.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche verteilen sich auf 25 Bürogeschosse und fünf Atriumgeschosse, auf denen sich teils öffentliche Nutzungen wie Restaurants und ein großes Auditorium befinden. Das Atrium selbst liegt mittig direkt unter einem verglasten Wasserbassin im Innenhof. Es ist von allen vier Seiten auf Straßenebene zugänglich. Im Hof sowie den Lufträumen befinden sich hügelige Grünflächen mit Bäumen und Farnen sowie weiteren Wasserbassins. Diese begrünten Areale sind der Belegschaft vorbehalten und sollen für ein größtmögliches Wohlbefinden am Arbeitsplatz sorgen. Mit gleicher Absicht wird den Angestellten darüber hinaus ein Fitnessstudio, eine Bibliothek und ein Kindergarten bereitgestellt. Gastronomie und ein Produkt-Testkundenbereich komplettieren das Raumprogramm des nicht-öffentlichen Teils.

Sonnenschutz

Im Sinne einer energieeffizienten Nutzung ist das Bauwerk mit einem äußerst wirksamen Sonnenschutzsystem ausgestattet, das die Aufheizung der Innenräume verhindert und damit die Klimatisierungskosten reduziert. Zugleich war eine effiziente Nutzung natürlichen Tageslichts das Ziel. Neben dahin gehenden Entwurfsentscheidungen, die die Basis für den umweltschonenden Anspruch für das Gebäude bilden, sind bei der technischen Gebäudeausstattung Systeme eingesetzt worden, mit deren Hilfe die angestrebte LEED-Zertifizierung in Gold erreicht werden soll.

Um das Atrium mit Tageslicht zu versorgen, wurde die Decke zum darüberliegenden Innenhof in Glas ausgeführt. Die drei großen Fassadenöffnungen belichten nicht nur den Innenhof, sondern maximieren auch den natürlichen Lichteintrag in den Büros. Zudem sorgen sie für ausreichend Belüftungsmöglichkeiten, sofern dies das jahreszeitlich bedingte, teils tropische Klima zulässt.

Das Gebäude hat eine um 45 Grad von der Nord-Süd-Achse verschobene Ausrichtung, sodass alle vertikalen Flächen abgewinkelt zu den Haupthimmelsrichtungen stehen. Insgesamt bedingt dies eine Reduktion der direkten Wärmeeinstrahlung durch die Sonne. Die Fassade besteht aus zwei Schichten: der weitestgehend vollverglasten Gebäudehaut mit hochisolierten Fenstern sowie dem vorgelagerten vertikalen Sonnenschutz. Matt-weiße Aluminiumlamellen umhüllen den Bau. Sie schützen einerseits vor direkter Sonneneinstrahlung, reflektieren durch die Beschichtung aber auch das Tageslicht diffus in die Innenräume. Ausgeführt in vier verschiedenen Profilgrößen, sind die Lamellen in Gruppen zusammengefasst. Größe und Anzahl innerhalb eines Abschnittes sind entsprechend der Ausrichtung und der Sonneneinstrahlung berechnet. Die dünnen Platten konnten dank der ortsspezifischen Berechnung feststehend an der Fassade befestigt werden. Ein bewegliches System wäre aufgrund der saisonal auftretenden Sandstürme und dem dadurch zu erwartenden Wartungsaufwand nicht wirtschaftlich gewesen.

Die vertikale Anordnung der Lamellen schützt vor seitlich tief einfallendem Sonnenlicht und soll zugleich einen ungehinderten Ausblick ermöglichen. Aufgehängt sind die langen Metallscheiben an vorgefertigten Aluminiumrosten, die als Wartungsgänge ebenso dienen wie als zusätzlicher, horizontaler Sonnenschutz. Kennzeichnend ist, dass sich die charakteristische Sonnenschutzfassade auch innerhalb der Fassadenöffnungen und sogar im Innenhof fortsetzt. Der Schutz aller Innenräume vor direkt einfallendem Licht wird dadurch maximiert. Zum Höchstmaß gesteigert wird auch die Nutzung natürlichen Tageslichts aufgrund der großen Fassadenfläche. Sollte es doch einmal zu direkter Einstrahlung kommen, sorgt eine automatische Sensortechnik dafür, dass innen liegende Rollos als textiler Blendschutz herabfahren. Tatsächlich sei dies laut Architekten aufgrund der ausgeklügelten Anordnung der Vertikallamellen äußerst selten der Fall und kann zudem manuell übersteuert werden.

Das spezifische Profil der Lamellen ähnelt dem von Flugzeugflügeln: Es wurde entwickelt, um Windgeräusche und Vibrationen zu minimieren. Anhand eines maßstabsgetreuen Modells vom Hochhaus und der umliegenden Bebauung wurden im Vorfeld Tests im Windkanal durchgeführt. -sr

Bautafel

Architekten: David Chipperfield Architects, Berlin; Christoph Felger (Design); Hans Krause (Projektleitung)
Projektbeteiligte: Haeahn Architecture, Seoul (Rohbau/Vorplanung bis Ausführungsplanung); Kesson, Seoul (Innenräume); Kunwon Engineering, Seoul (Bauleitung); Hyundai Engineering & Construction, Seoul (Generalunternehmer); Arup Deutschland, Berlin/Arup, London (Ingenieursleistungen); L2M3 Communication Design, Stuttgart (Signaletik); Seo Ahn, Seoul (Landschaftsarchitekt)
Bauherr: Amorepacific Corporation, Seoul
Fertigstellung: 2017
Standort: 100 Hangang-ro, Yongsan-gu, Seoul, Südkorea
Bildnachweis: Noshe, Berlin

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Brise-Soleil in Form von feststehenden, doppelgeschossigen Vertikallamellen aus Beton an der Unité d'habitation bzw. dem Corbusierhaus in Berlin

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Arten und Formen

Feststehender Sonnenschutz außen

Glaslamellen und Aluminiumraffstore verschatten die großen Glasflächen des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin. Architektur: Stephan Braunfels

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Materialien

Glas und Metall

Sonnenstandsberechnungen sind grundlegend, um Gebäudeausrichtung, Verschattung und Sonnenschutzelemnte planen zu können. Im Bild zu sehen ist das Hochhaus im Bremer Stadtteil Neue Vahr, dessen 189 Apartments alle der „Feierabendsonne“ zugewandt sind.

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Bauphysik

Sonnenstandsdiagramm

Wahrzeichen mit Belichtungsfunktion: Die Kuppel des Reichstagsgebäudes ist integraler Bestandteil der Stadtsilhouette Berlins, dient aber auch der Belüftung und Belichtung des Plenarsaals.

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Funktionen

Tageslichtnutzung

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