Firmensitz Gartist in Bubikon

Modernes Kragkuppeldach aus Stroh

Ein fast vollkommen aus Stroh errichtetes Haus ist ungewöhnlich. Und doch ist es alles andere als eine Neuheit. Schon seit Jahrhunderten wird Stroh als Dämmmaterial oder zum Bauen ganzer Häuser verwendet – weltweit. Nachdem im späten 19. Jahrhundert in den USA Strohballenpressen erfunden worden waren, setzte man vermehrt auf das Bauen mit dem Rohstoff. Vor allem im Bundesstaat Nebraska, einer Region mit großen Getreidefeldern, fand die Bauform Verbreitung. Bis heute spricht man daher bei lasttragenden Strohballenbauten vom Nebraska-Stil.

Bei dem Dach des Firmengebäudes handelt es sich um ein Kraggewölbe, das sich durch das Eigengewicht der verwendeten Materialien stabilisiert
Eine überdachte Terrasse lädt zum Verweilen ein
Die Strohballen bilden ein 67 Grad steiles und sechs Meter hohes Dach

Dennoch ist das in Bubikon realisierte Strohballenhaus aktuell das einzige seiner Art in der Schweiz, denn hier wurden nicht nur die Wände, sondern sogar das Dach als Kraggewölbekonstruktion in Stroh ausgeführt. Das als Firmensitz des  Gartenbauunternehmens Gartist genutzte Gebäude, wurde vom Atelier Werner Schmidt als Niedrigenergiehaus geplant und umgesetzt. Dazu tragen nicht nur die sehr gut dämmenden Strohballen bei, sondern auch die verwendete Dreifachverglasung für die Fenster mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten von lediglich 0,5.

Da es sich bei dem Bauland um ehemaliges Sumpfgelände handelt, wurde die Gründung in Pfahlbauweise mit bis zu 14 Meter langen Pfählen umgesetzt. Die sehr stark verdichteten Heuballen, aus denen die Wände aufgeschichtet wurden, messen 2,50 x 1,20 x 0,75 Meter und wiegen jeweils etwa 300 Kilogramm. Insgesamt wurden 75 Tonnen Stroh verbaut. Zusätzliche Stabilität erlangt das Gebäude durch die Fenster- und Türöffnungen aus Lärchenholz, um die herum die Ballen gestapelt wurden. Der Rohbau stand bereits nach einer Woche. Außen aufgebrachter Kalkputz sowie weißer Lehmputz für den Innenraum machen die Konstruktion aus Strohballen schließlich wasserdicht und genauso brandsicher wie ein Betonhaus.

Das Gebäude verfügt über zwei Galeriegeschosse, die aus Fichtenholz konstruiert sind. Ein Oberlicht sorgt für zusätzlichen Tageslichteinfall. Die Treppung der verputzten Strohballen sowie ihre unregelmäßige Struktur wurden sichtbar belassen. Somit prägt das Material den Innenraum, ebenso wie der Boden aus Natursteinplatten. Zwei mit grauem Kalkzement verputzte, eiförmige Einbauten im Erdgeschoss beherbergen die Toilette, eine kleine Küche sowie die Haustechnik. Als konstruktives Gerüst für die eigentümlichen Gebilde wurde Streckmetall verwendet.

Interessant an der Bauweise mit Stroh bleibt neben der Einfachheit die Ökobilanz: Der Bau eines Strohhauses benötigt im Vergleich zu konventionellen Bauweisen sehr wenig Energie für Herstellung und Transport. Zudem muss das Gebäude nahezu nicht beheizt werden. Nur für besonders eisige Winter ist ein kleiner Holzofen vorhanden. Das Warmwasser wird über Sonnenkollektoren erhitzt. Das unter dem Haus gesammelte Regenwasser dient der Bewässerung des großen Schau- und Erlebnisgartens.

Dach

Bei dem Dach des Firmengebäudes handelt es sich um ein Kraggewölbe – eine Dachform die auf die Zeit um 4.000 vor Christus zurückgeht. Der Name allerdings ist irreführend, da es sich streng genommen nicht um ein Gewölbe im klassischen Sinn handelt. Während das echte Gewölbe auf dem Bogen basiert, der sich selbst trägt und filigraner konstruierbar ist, wird das Kraggewölbe nur durch das Eigengewicht der verwendeten Materialien stabilisiert. Die Dachform ist daher stets massiv und steil. Die Strohballen sind ab dem ersten Geschoss je Schicht um rund dreißig Zentimeter nach innen versetzt, bis sie sich in der Mitte treffen, beziehungsweise eng genug lagern, damit das Oberlicht als „Schlussstein“ eingesetzt werden kann. Die Ballen bilden so ein 67 Grad steiles und sechs Meter hohes Dach, welches ohne Pfosten oder andere stützende Elemente auskommt. Während die Staffelung im Inneren sichtbar ist, wurde das Dach von außen mit einer blauen, gewellten Metalldeckung versehen.

Bautafel

Architekten: Atelier Werner Schmidt, Trun
Projektbeteiligte: Normal Office, Fribourg (Ingenieur); Greuter, Hochfelden (Pfahlfundamente); Wood Room, Bertschikon (Zimmerarbeiten); Atelier Werner Schmidt, Trun und Flepp, Disentis (Strohballenaufbau); Degonda, Cumpadials (Fenster/Außentüren);  HP Gasser, Lungern (Dachfenster); Fa. Blemo, Bubikon (Bedachung)
Bauherr: Gartist, Bubikon
Fertigstellung: 2017
Standort: Industriestraße 3, 8608 Bubikon, Schweiz
Bildnachweis: Gartist, Bubikon

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