Firmensitz Durst in Brixen

Parametrisch geplante Architektur

Eingebettet in das grüne Eisacktal in Südtirol nahe Brixen schwingt sich ein heller Bau in die Höhe: die neue Hauptzentrale der Durst Group. Weiße und gläserne sowie gebogene und grade Flächen wechseln sich ab und prägen die Ansicht maßgeblich. Die Firma hat sich von einem Maschinenbauunternehmen zum Hersteller von weltweit gefragten digitalen Druck- und Produktionstechnologien entwickelt, was sich in der Architektur des neuen Firmensitzes widerspiegeln sollte. Der hierfür ausgeschriebene Wettbewerb forderte explizit eine Architektursprache mit Landmarken-Charakter. Mit ihrem parametrischen Entwurf, der an einen ausgestreckten Flügel erinnert, überzeugten schließlich die Südtiroler Architekten von Monovolume.

Das Architekturbüro Monovolume plante das Gebäude; Planung, Fertigung und Montage der komplexen Fassade dauerte nur knapp eineinhalb Jahre.
Der strahlend weiß verkleidete Neubau endet an einem Ende orthogonal, am anderen Ende knickt der langgezogene Körper in einem dynamischen Bogen ab und mündet in einen 35 m hohen Turm.
Weiße und gläserne sowie gebogene und grade Flächen wechseln sich ab und prägen die Ansicht maßgeblich.

Die Ikonografie des Gebäudes greift den nur in Teilen realisierten Masterplan für das Firmengelände von Othmar Barth aus den 1960er-Jahren auf. Der strahlend weiß verkleidete Neubau endet an einem Ende orthogonal, am anderen Ende knickt der langgezogene Körper in einem dynamischen Bogen ab und mündet in einen 35 Meter hohen und weithin sichtbaren Turm.

Die bestehenden Produktionshallen werden vom geschwungenen Hauptquartier umschlossen, wodurch ein geschützter, länglicher Innenhof zwischen Alt- und Neubau entsteht. Die Fläche von 5.700 Quadratmetern bietet Platz für ein neues Kundenzentrum, Büros sowie einen Campus mit Schulungs- und Konferenzräumen. Zentrales Element im Erdgeschoss ist der Showroom des Unternehmens, in dem die neuesten Industriedrucker im laufenden Betrieb für die Öffentlichkeit inszeniert werden. Von hier aus gelangt man in das erste und zweite Obergeschoss, in dem sich die Mitarbeiterbüros und die IT-Abteilung befinden. Die angrenzenden Hallen lassen sich direkt über den geschützten begehbaren Hochgarten erreichen, der zugleich als Freiraum und Erholungszone für die Mitarbeiter fungiert.

Parametrische Planung

Für die Planung und Ausführung der expressiven Kubatur und ihrer komplexen Fassadenstruktur musste mit speziellen, parametrischen Werkzeugen gearbeitet werden. Die Pläne der Architekten sowie ein Flächenmodell wurden vorab mithilfe einer 3D-Modellierungssoftware erstellt. Diese digitalen Daten dienten als Basis für die weitere Planung und wurde von den Fassadenspezialisten Frener & Reifer für die Entwicklung eines parametrischen Basismodells zur Ausführung der Fassade verwendet. Ebenfalls mit der Software, ergänzend in Kombination mit einer visuellen Programmierumgebung, wurden die unterschiedlichen Fassadenteile in Geraden, Bögen und Splines abstrahiert. So konnte die Fassade in einzelne Elemente unterteilt werden, um sich auf diese Weise der geplanten Form des Entwurfs anzunähern. Die einzelnen Bauteile wurden wiederum mit einer 3D-CAD-Konstruktionssoftware entwickelt. Die ursprüngliche CAD-Planung seitens der Architekten von Monovolume ließ sich mit diesem Modell in die Ausführungsplanung und bis hinein in die Produktion fortschreiben – der gesamte Prozess ist also digital, vom Design bis hin zur Produktion.

Nachdem die Flächen und Fugenanordnung einzelnen Fassadenbauteile festgelegt wurden, konnten die Abhängigkeiten dieser Elemente zueinander definiert werden. Entstanden ist eine Hülle aus pulverbeschichtetem Metall mit 842 pixelartig verteilten, beleuchteten Öffnungen, die einen dynamischen Verlauf ausbilden. Diese geht über in eine 913 Quadratmeter große Dachverglasung mit einer Spannweite von mehr als 13 Metern.

Produktion der Gebäudehülle

Die Gebäudehülle umfasst insgesamt 2.500 Quadratmeter. Für die vorwiegend vorgehängte hinterlüftete Konstruktion sind insgesamt 60.000 Einzelteile angefertigt worden, die alle verschieden sind. Sowohl der technische als auch der produktive Aufwand waren zwar enorm, die Fehlerquote jedoch durch die große Planungstiefe und die erreichte Fertigungsqualität verhältnismäßig gering. Die Vorstellungen der Architekten waren in diesem Prozess stets mit den technischen Möglichkeiten und fertigungstechnischen Grenzen abzugleichen. Die Hauptfassade wurde daher in planare, einfach gekrümmte und mehrfach gekrümmte Bereiche gegliedert. Um das Fugenbild, die Materialqualität und die Detailanschlüsse zuverlässig überprüfen zu können, arbeiteten die Fassadenplaner gemeinsam mit dem Architekturbüro an einem Mock-Up im Maßstab 1:1, in dem verschiedene Fassadenelemente real gefügt wurden.

Die nach der Freigabe des 1:1-Modells beginnende Produktion verlief komplett CAD-gesteuert. So konnten die Zuschnittlisten für die Bleche direkt aus dem 3D-Modell extrahiert und für die Fertigung an die Laserschneidmaschinen gesendet werden, da die Daten mit dem System der Lasercutter kompatibel sind.

Montage mit digitalen Hilfsmitteln

Die Montage einer komplexen Gebäudehülle wie beim Durst Headquarter bedeutet Arbeit mit großer Präzision und einer sorgfältigen Montage. Um Ungenauigkeiten zu vermeiden, wurde die Stahlbetonkonstruktion des Rohbaus vorab mit einem 3D-Laserscanner erfasst und als Modell dem Fassadenbauer zu Verfügung gestellt. Im 3D-Modell definierte, fixe Einmesspunkte wurden via Laserscanner in die reale Konstruktion übertragen. Durch diese Vermessungspunkte und den 3D-Laserscan war es möglich, den Istzustand und die Planung zu überlagern, um Abweichungen frühzeitig erkennen zu können und entsprechend darauf zu reagieren.

Auch für die Montage erwiesen sich die Einmesspunkte als vorteilhaft, da die Werkzeuge sich an diesen orientierten und die Einzelteile passgenau einsetzen konnten. Auf einen konventionellen Montageplan haben die Planer dennoch nicht verzichtet. Der Unterschied bestand darin, dass die Monteure während ihrer Arbeit die genauen Positionsdaten der zu verbauenden Elemente im 3D-Modell ablesen konnten. -tw

Bautafel

Architektur: Monovolume Architecture + Design, Bozen
Projektbeteiligte: Kauer Ingenieure + KTB Bozen, Bozen (Tragwerksplanung); Frener & Reifer, Brixen (Fassadenplanung, Fertigung und Montage); Rhino, Barcelona (3D-Modellierungssoftware Rhinoceros); Grasshopper (visuelle Programmierumgebung); Solidworks (3D-CAD-Software); Messpunktplus, Unnau (Fassaden- und Architekturvermessung)
Bauherrschaft: Durst Phototechnik, Brixen
Fertigstellung: 2019
Standort: Via Julius Durst 4, 39042 Brixen, Italien
Bildnachweis: Paolo Riolzi, Mailiand / Durst Group, Brixen; Zeichnungen und Montagebilder: Frener & Reifer, Brixen

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