Filmtheater Weltspiegel in Cottbus

Sanierung und Erweiterung eines der ältesten Kinos Deutschlands

Anders als die vielen gesichtslosen, immer gleich gestalteten Multiplexkinos, die heutzutage in jeder größeren Stadt zu finden sind, glichen die Lichtspielsäle Anfang des 20. Jahrhunderts in ihrer Architektur eher prunkvollen Theater- oder Opernhäusern. Ein heute noch erhaltenes, sehr gelungenes Beispiel aus dieser längst vergangenen Zeit ist das Filmtheater Weltspiegel im Zentrum von Cottbus. Mit seiner strahlend weißen, leicht gekrümmten Eingangsfassade aus dem Späthistorismus und seinem original erhaltenen Saal ist es seit über 100 Jahren in Betrieb und zählt zu den ältesten Kinozweckbauten Deutschlands.

Der historische Kinosaal mit seinen 520 Sitzplätzen wurde restauriert und originalgetreu wiederhergestellt
Das alte Foyer erstrahlt nach den Sanierungsmaßnahmen in neuem Glanz
Die Kinobar im Erdgeschoss des Neubaus lädt zum Verweilen ein

Nach seiner Eröffnung 1911 erfuhr das ursprünglich vom Architekten Paul Thiel geplante Gebäude in den Folgejahren immer wieder Um- und Anbauten. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wurde die Fassade anschließend zwar instand gesetzt, aber nur vereinfacht, ohne die zahlreichen Schmuckelemente, wiederhergestellt. Bis 1998 blieb das historische Gebäude als Kino in Betrieb, bis es schließlich, abgesehen von einigen Zwischennutzungen, leer stand und zunehmend vom Verfall bedroht war. 2004 erwarb ein engagierter Cottbusser Cineast das Filmtheater, um es als Einzeldenkmal und Kulturstätte weiterhin zu erhalten. Mithilfe der Cottbuser Arcon und des Stuttgarter Innenarchitekten Andreas Fehre wurde der historische Bau behutsam saniert. Zudem erhielt er im Westen einen schlichten, olivgrün verputzten Erweiterungsbau, der mit seinen drei Geschossen zwei zusätzliche Säle und die Kinobar aufnimmt.

Sanierung und Modernisierung
Zunächst bestand die größte Herausforderung darin, die vorhandenen Räumlichkeiten originalgetreu wiederherzustellen. So entstand das im Jugendstil errichtete Treppenhaus in Rosémarmor im Osten des Gebäudes nach der Restaurierung wieder in seiner ursprünglichen Pracht und führt über die wiederaufgebaute Empore zum großen Saal. Im Foyer wurde die Decke von veralteten Luftauslässen befreit, neue Auslässe als vertikale Lichtfugen in die Seitenwände integriert. Der Tresen, der sich über die gesamte Breite des Entrees erstreckt und den Weg in den dahinterliegenden Saal freigibt, ist mit hellem Eichenfurnier vertäfelt und zum Teil mit Stoff bespannt.Die sanitären Einrichtungen im Untergeschoss wurden mit kreisrunden Spiegeln gestaltet, die Waschplätze bestehen aus Corian

Die Materialkombination aus Eiche uns Stoffbespannung setzt sich bis in den geschichtsträchtigen Kinosaal mit seinen 520 Sitzplätzen fort. Dieser erhielt u.a. ein neues Podest, die alte Bestuhlung wurde neu aufgearbeitet. Dank ausgeklügelter Technik lässt sich das Podest wie ein Teleskop komplett einfahren, sodass der Saal mit seinem neu verlegten Parkettboden auch für andere Veranstaltungen genutzt werden kann. Die opulent gewölbte, blattvergoldete Kassettendecke, die einst überputzt war, erstrahlt nun wieder im alten Glanz. In die Decke integrierte Leuchtmittel, die sich während der Vorstellungen stufenlos dimmen lassen, erinnern an einen Sternenhimmel. Seitlich eingebaute Leuchtstoffröhren betonen zusätzlich die Wölbung der Decke. Lautsprecherboxen, die es zuvor nicht gab, konnten mit Stoff überspannt nicht sichtbar in die Wände integriert werden.

Die Schnittstelle zwischen Alt- und Neubau markiert ein Treppenhaus mit dreieckigem Grundriss. Zudem gibt es hier einen Aufzug, der die barrierefreie Erschließung aller Säle gewährleistet. Im verglasten Erdgeschoss des ansonsten fast fensterlosen Neubaus ist die Kinobar angeordnet, die mit einem separaten Eingang unabhängig von den Spielzeiten betrieben werden kann. Darüber befinden sich im ersten und zweiten Obergeschoss die beiden neuen Kinosäle. Diese sind mit ihren 83 Sitzplätzen zwar ähnlich konzipiert, aber dennoch unterschiedlich gestaltet. Meldung zum Thema.

Auch die historische Fassade erstrahlt heute wieder im vollen Glanz. Strahlend weiß verputzt und mit dem einst zurückgebauten goldenen Weltspiegel-Schriftzug und dem Stuckdekor aus Widderköpfen, Putten und hervorstehenden Verzierungen erinnert sie an die glorreichen Zeiten des Filmtheaters. Für die gelungene Sanierung und Erweiterung wurde das Filmtheater Weltspiegel mit dem Denkmalpflegepreis 2012 des Landes Brandenburg ausgezeichnet.

Bautafel

Architekten: Arcon Bauplanungs- und Bauüberwachungsgesellschaft (Gebäudeplanung, Projektsteuerung); Studio Alexander Fehre, Stuttgart (Innenarchitekt); Paul Thiel, Cottbus (Entwurf Altbau 1910)
Projektbeteiligte: Martina Dürrschmidt, Großräschen (Restauratorin); Tischlerei Bialas, Cottbus (Tischlerarbeiten); Elektro Budischin, Cottbus (Ausführung Elektroarbeiten); Raumaustattung Lehmann und Cineproject Berlin (Raumausstattung); Willno, Cottbus (Trockenbau); Polsterei Karsten Böse, Cottbus (Restaurierung Kinostühle)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2011
Standort: Rudolf Breitscheid Straße 78, Cottbus
Bildnachweis: Zooey Braun und Studio Alexander Fehre, Stuttgart; Karsten Richter und Ulf Gehrecke, Cottbus

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