Fahrradgeschäft in Köln

Rauer Look mit Leuchtstoffröhren

Ein halbes Jahrhundert bevor in Deutschland ganze Straßenzüge im traditionellen Gewand rekonstruiert wurden, bediente man sich beim Wiederaufbau Kölns nach dem Weltkrieg vielfach einer spröden Moderne – ohne aber den historischen Stadtgrundriss aufzugeben. Von dem folglichen Widerspruch zwischen der mittelalterlich geprägten Struktur und den verkehrstechnischen Anforderungen des 20. Jahrhunderts kündet die vielspurige Bresche der Nord-Süd-Fahrt, auf der sich die Autos in noch immer wachsender Zahl durchs Zentrum zwängen. Wie in anderen europäischen Großstädten gewinnt allerdings auch am Rhein das Fahrrad als Verkehrsmittel an Bedeutung. Die zunehmende Nachfrage nach Rädern für Straße wie für Schotter bedient ein Laden im Severinsviertel, geplant durch das Kölner Büro BeL.

Das Geschäft setzt sich aus vier Räumen unterschiedlichen Formats zusammen, die sich von der Fassade in den Hof erstrecken.
Vor dem Eingriff erschien das Lokal mit seinem graugefliesten Boden wenig attraktiv.
Statt eine edle Verkaufslandschaft entstehen zu lassen, wurden mittels eines baustellenüblichen Schalungssystems robuste Geschäftsflächen geschaffen.

Wo das beharrliche Festhalten an der Automobilität zum Konflikt mit der nicht selten von konservativer Seite vorgebrachten Idee einer europäischen Stadt führt, scheint, allen ideologischen Grenzläufen zuwider, gerade das Fahrrad geeignet, dem Verkehrsinfarkt in den dichten, blockrandbebauten Zentren zu begegnen. Dabei bedingt schon der Vertrieb der unterschiedlichen Gefährte ganz verschiedene bauliche Konsequenzen: Anstelle der zumeist standardisierten Autohäuser, die am Rande der Stadt in den Gewerbeparks erwachsen, können Fahrradgeschäfte, die in der Regel deutlich weniger Raum bedürfen, in innerstädtischen Ladenlokalen unterkommen. So bezog das Unternehmen Staub & Teer Geschäftsräume in der Severinstraße, deren Verlauf der cardo genannten Nord-Süd-Achse der antiken Colonia Agrippina folgt.

Metallenes Mobiliar

Der prominenten Lage zum Trotz und obschon in einem der seltenen Kölner Altbauten untergebracht, nahmen sich die Räumlichkeiten mit ihren diagonal verlegten grauen Fliesen und dem violettfarbenen Anstrich wenig reizvoll aus. Gleichwohl musste – angesichts sowohl der Beanspruchung, die mit der neuen Nutzung einhergeht, als auch des beschränkten Budgets – eine aufwendige Neugestaltung der vier Räume, die vom Schaufenster tief ins Blockinnere reichen, ausscheiden. Um über die besagten Bedingungen hinaus die gewünschte Flexibilität zu gewährleisten und schließlich eine Handelsfläche mit Wiedererkennungswert zu schaffen, bediente sich das Planungskollektiv deshalb eines baustellenüblichen Schalungssystems, das zur Ladeneinrichtung umfunktioniert wurde. Damit können Wände, Raumtrenner, Vertäfelungen, Türen, Theken und Regale, allesamt aus den verzinkten Elementen gefertigt, nicht nur kurzerhand umgeordnet, sondern, äußerst nachhaltig, auch abgebaut und wiederverwendet werden: Ohne nämlich dass die Module dazu durchbohrt oder zurechtgeschnitten werden mussten, erfolgte die Montage allein mittels gelochter Stahlbleche und unter Zuhilfenahme von Magneten.

Poetischer Pragmatismus

Dass auch innerhalb dieses Systems Freiheiten gegeben waren, die es gestatteten, jeden der vier Räume verschiedenartig zu gestalten, ohne dass die Raumsequenz in ihre Einzelteile zerfiele, macht Christian Kühnle deutlich. So betont der Projektarchitekt den Anspruch, Funktion und räumliche Qualität bei der Gestaltung gleichermaßen zu ihrem Recht kommen zu lassen: „Trotz der reduzierten Anzahl an konstruktiven Eingriffen, ausgeführt mit Stahl und Licht, war es möglich, eine Vielzahl an Stimmungen, Situationen, Räumen und Stufen der Intimität abzubilden."

Elektro: Lebhaftes Leuchtstoffröhrenmuster

Wo die Wände des Altbaus nicht durch das System eingenommen sind, wurden sie grau gestrichen – wie auch die Decke, unter der sich die weißen Leuchtstoffröhren abzeichnen, deren Verkabelung offen zutage liegt. Zum Einsatz kam dabei ein Serienprodukt, das nach Vorstellungen des Architekturbüros modifiziert wurde. Indem die Leuchten einem eigenen Raster folgen, verdreht gegen jene Ordnung, die durch die Wände bestimmt wird, durchmessen sie, in langen Bändern angeordnet, die Raumsequenz in ihrer gesamten Tiefe. Nicht anders als durch die gleichermaßen verdrehte Fliesung wird auch vermittels der Röhren ein Zusammenhang zwischen den hintereinander gestaffelten Ladenräumen gestiftet. Dabei lässt die Anordnung ebenso an die Zöpfe eines Fischgratparketts denken (das man hinter der bürgerlichen Front durchaus erwarten könnte) wie an die Befeuerung eines Flugplatzes, die die Passantinnen und Passanten von der Straße in die Tiefe der Verkaufsräume leitet – und wieder auf die Straße, um, vielleicht auf einem neuen Mountainbike, durch die Stadt und ihre Agglomeration hinaus ins Grüne zu fahren. –ar

Bautafel

Architektur: BeL Sozietät für Architektur, Köln
Projektbeteiligte:
EuroSchalung, Mettmann (Konstruktionssystem); I.C.H. Komm, Köln (Elektroinstallation); Bolichwerke, Östringen-Odenheim (Leuchten)
Bauherrschaft: Staub & Teer, Köln
Standort: Severinstraße 49, 59678 Köln
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Veit Landwehr, Köln

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