Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz

Sanfter Koloss

Von Basel trennt Muttenz nicht recht viel mehr als eine viel befahrene Hauptstraße und ein paar Grünanlagen – dennoch zählt die Kommune als eigenständige Gemeinde und gehört zum Kanton Basel-Landschaft. Neben dem großen Rangierbahnhof ist die Lage an der deutsch-schweizerischen Grenze wohl einer der Gründe dafür, dass sich hier zahlreiche Unternehmen angesiedelt haben. Seit Kurzem findet sich dort auch ein Campus der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), einem Zusammenschluss von neun Hochschulen an vier Standorten. Das dazugehörige Gebäude entwarfen und planten pool Architekten aus Zürich.

An das Gebäude schließt zum Bahnhof hin ein kleiner Park an, der von Studierenden und Anwohnern genutzt werden kann.
Von außen unsichtbar bleibt der überdachte Innenhof, der als Verteiler und Ort des Austausches fungiert.
Bis ins vierte Stockwerk ist der zentrale Raum als großzügiges Atrium ausgebildet, das von sechs skulptural anmutenden, schrägen Treppen durchlaufen wird.

Das 60 Meter hohe kompakte Volumen bildet den östlichen Abschluss einer Reihe gewerblich genutzter Bauten, die sich entlang des Gleisfelds anordnen. Zum Bahnhof hin schließen an das Gebäude ein platzartiger Freibereich sowie ein kleiner Park an, der von Studierenden und Anwohnern genutzt werden kann. In dem Solitär finden Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik, der Hochschule für Life Sciences, der Pädagogischen Hochschule, der Hochschule für Soziale Arbeit und der Hochschule für Technik statt.

Hochhaus und Hofhaus

Von außen lässt die Fassadengliederung Rückschlüsse auf die Verteilung der Nutzungen zu. So gibt es einen weitgehend verglasten Sockel mit einem zum Platz orientierten Restaurant, über dem ein eher geschlossener Bereich mit den Hörsälen anschließt. Darüber sind im dritten Obergeschoss hinter großformatigen Verglasungen die Bibliothek und andere gemeinschaftlich genutzte Bereiche angeordnet. Die Architekten bezeichnen diese Ebene als Beletage des Gebäudes.

Bis zu dieser Höhe sind die Stockwerke komplett oder in weiten Teilen zweigeschossig ausgebildet. Die darauffolgenden Etagen weisen geringere Raumhöhen auf und beherbergen die einzelnen Institute. Hinter der Rasterstruktur der vorgehängten Aluminiumfassade zeichnen sich die vier Erschließungskerne als „Elefantenfüße“ ab. Auf der obersten Ebene findet unter anderem die benötigte Technik Platz.

Verspieltes Innenleben

Von außen unsichtbar bleibt der überdachte Innenhof, der als Verteiler und Ort des Austausches fungiert. Sichtbeton ist hier das prägende Material. Bis ins vierte Stockwerk ist der zentrale Raum als großzügiges Atrium ausgebildet, das von sechs skulptural anmutenden, schrägen Treppen durchlaufen wird. Darüber teilt sich der Hof durch einen brückenartig ausgebildeten, immerhin achtgeschossigen Riegel in zwei schmalere Bereiche, die für die natürliche Belichtung der Obergeschosse genutzt werden. In dem Mittelbau sind unter anderem die Labore untergebracht, obenauf befindet sich eine introvertiert gestaltete Dachterrasse.

Vier Türme und weitspannende Treppen

Das Tragwerk des Hochschulbaus besteht im Wesentlichen aus den vier Erschließungskernen, ergänzt wird es von einigen wenigen mächtigen Stützen. Im ersten und zweiten Obergeschoss sind je zwei der Kerne über Wandscheiben miteinander verbunden und bilden so einen Rahmen, dem weit in das Atrium auskragende Galerien sowie die frei den Raum kreuzenden Treppenläufe vorgelagert sind. Diese spannen bis zu 24 Meter von Geschoss zu Geschoss, die Wangen sind parabelförmig vorgespannt. Eine Herausforderung war, die Baubehörden davon zu überzeugen, dass die Treppen aufgrund ihrer flachen Steigung ohne Zwischenpodeste ausgeführt werden durften.

Gerüste und Schalungen: Von oben nach unten geschalt

Die Treppenläufe setzen sich zusammen aus Wangen, die in Ortbeton geschalt wurden, und Trittstufen, die im Werk vorgefertigt und bereits geschliffen wurden. Da sich die Treppen unterschiedlicher Geschosse überkreuzen, wurde von oben nach unten gearbeitet. Pro Lauf verwendete man zehn Schalungstische, die dem Gefälle der Treppe folgten. Auf diese Tische setzte die Schalung der Wangen auf, in die die vorfabrizierten Treppentritte integriert und sauber abgeschalt wurden. Aufgrund der flachen Neigung war keine Konterschalung auf der Wangenoberseite nötig. Nach der Betonage und dem Vorspannen wurde das Traggerüst mit den Schalungstischen abgebaut und ein Geschoss tiefer entsprechend wieder aufgebaut.

Durch Streifen gegliedert

Die zwei länglichen Lichthöfe oberhalb des Atriums sind mit Glas überdacht, sodass es sich bei den angrenzenden Flächen aus Sichtbeton streng genommen um Innenwände handelt. Die Betonüberdeckung konnte dadurch bei den entsprechenden Bauteilen gering gehalten werden. In die Öffnungen des Skelettbau-Rasters, das den Rohbau in diesem Bereich prägt, wurden vorfabrizierte Betonelemente mit einer Größe von ca. 6,5 auf 3 Meter eingesetzt. Diese bestehen aus zwei Riegeln, die im Verbund mit elf Pfosten in einer Schalung gegossen wurden. Sechs dieser vertikalen Elemente zeigen einen Querschnitt von 10 auf 21 cm; sie sind in regelmäßigen Abständen angeordnet und dienen als mögliche Trennwandanschlüsse. Die restliche fünf Pfosten sind mit einem Profil von 8 auf 24 cm schmaler und länger. Sie folgen einem eigenen, unregelmäßigen Raster.

Wegweiser in Sichtbeton

Das von Vertikalen dominierte Gestaltungsprinzip prägt das gesamte Atrium und war auch Ausgangspunkt für die Signaletik. Diese wurde bereits zu einem frühen Zeitpunkt mitgeplant. Maßgeblich für die Orientierung im Gebäude sind die vier Kerne beziehungsweise die vier Himmelsrichtungen, denen sie zugeordnet werden können. Die enge Bindung an die Grundstruktur des Gebäudes erlaubte es, einige Orientierungshilfen permanent in die Betonoberflächen einzuarbeiten. Die Signaletik wurde auf Basis der Schriftart Univers entwickelt. Vertikale Streifen, die im Querschnitt die Form eines gleichschenkligen Dreiecks aufweisen, setzen sich dabei zu Schriftzügen zusammen. Bei der Verwirklichung kamen 64 Matrizen zum Einsatz, die auf der Rückseite mit 8 mm dicken Sperrholzplatten verstärkt wurden. Dadurch ließen sich die Elemente auf die Schalung aufnageln. Eine Versiegelung dieses rückseitigen Holzes sorgte dafür, dass die Matrizen bei Bedarf mehrmals verwendet werden konnten. -chi
 
Weitere aufschlussreiche Einblicke in den Entstehungsprozess des Bauwerks bietet das Buch „FHNW Campus Muttenz im Bau“ (siehe Surftipps).

Bautafel

Architektur: pool Architekten, Zürich
Projektbeteiligte: pool Architekten, Zürich; Takt Baumanagement, Zürich (Generalplanung); HRS, Basel (Generalunternehmen); Studio Vulkan, Zürich (Landschaftsarchitektur); Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel (Tragwerksplanung); Kalt+Halbeisen Ingenieurbüro, Zürich (Gebäudetechnik); Pro Engineering, Basel (Elektroplanung); Visiotec, Allschwil (Brandschutzplanung); Reflexion, Zürich (Lichtplanung); Anliker, Emmenbrücke (Bauunternehmung); Katja Schenker, Zürich (Kunst am Bau); Création Baumann, Langenthal (textile Raumteiler); Emanuel Tschumi Grafik Design, Zürich (Signaletik); Reckli, Herne (Strukturmmatrizen)
Bauherrschaft: Hochbauamt Basel-Landschaft, Fachhochschule Nordwestschweiz
Standort: Hofackerstraße 30, 4132 Muttenz, Schweiz
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Martin Stollenwerk, Zürich; Andrea Helbling, Zürich; Zeljko Gataric / FHNW Campus Muttenz; Reckli, Herne

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