ETA-Fabrik in Darmstadt

Forschungs- und Ausbildungszentrum mit effizienten Spezialverglasungen

Der hohe Energieverbrauch in Industrie und produzierendem Gewerbe ist nicht nur schlecht für die Umwelt, er verursacht auch beachtliche Kosten für die Unternehmen. Wie sich auf diesem Sektor mit welchen Maßnahmen wie viel Energie einsparen lässt, untersucht man an der Technischen Universität Darmstadt in der ETA-Fabrik (Energieeffizienz-, Technologie- und Anwendungszentrum) auf dem Campus Lichtwiese. Bei der gemeinsam mit Dietz Joppien Architekten aus Frankfurt geplanten Demonstrationsfabrik handelt es sich um ein groß angelegtes Forschungsprojekt, an dem die Wissenschaftler innovative Materialien und Systeme in der Praxis testen.

Die dreifach gegliederte Südfassade mit geschosshoher Unterkonstruktion aus pulverbeschichtetem Stahl
Highlight der Südfassade sind die parametrisch erzeugten Glaselemente im unteren Fassadenabschnitt
In den oberen Büroetagen der Nordfassade sind die Öffnungsflügel sowie die darunter- bzw. darüberliegenden Isolierglaselemente opak ausgeführt

Statt wie sonst üblich Maschinen, Gebäude und technische Infrastruktur isoliert zu betrachten, wurden sie hier zusammengeführt und miteinander vernetzt. So dient beispielsweise die Abwärme von Werkzeugmaschinen der Klimatisierung, die Dach- und Fassadenplatten an den Gebäudelängsseiten sind thermisch aktiviert: Im Winter heizen, im Sommer kühlen sie die Halle. Die Platten bestehen aus mikrobewehrtem, ultrahochfestem Beton, sind nur 5,5 cm dick und mit wasserführenden Kapillarmatten bestückt. Nach innen folgen erst eine Hinterlüf­tung, dann eine 30 bis 40 cm starke Wärmedämmschicht aus Schaumbeton und schließlich das tragende Stahlbetonskelett. Die Vorhangfassade leistet einen entscheidenden Beitrag zur Energieeffizienz der Fabrik, neigt aber zu größeren Verformungen, die aus der thermischen Aktivierung resultieren und beim Anschluss an die Tragkonstruktion berücksichtigt werden mussten.

Das Gebäude ist rund 39 m lang, 19 m breit und 11,50 m hoch. Drei Viertel der Fläche nimmt die Maschinenhalle ein; an der nördlichen Stirnseite befindet sich die Verwaltung. Dieser Bereich ist unterkellert und beinhaltet im Erdgeschoss einen großen Seminarraum, in den beiden Obergeschossen Büros. Licht erhält die Fabrik über die Structural-Glazing-Fassaden an beiden Giebelseiten, die jeweils unterschiedlich ausgebildet sind. Die Nordfassade ist eine geschossweise Pfosten-Riegelkonstruktion, der südliche Gebäudeabschluss eine dreifach gegliederte Elementfassade mit geschosshoher Unterkonstruktion aus pulverbeschichtetem Stahl ohne tragende Zwischenstrukturen. Highlight der Südfassade sind die parametrisch erzeugten Glaselemente im unteren Fassadenabschnitt, die weltweit erstmals so umgesetzt wurden.

Glas
Die an den Stirnseiten eingesetzte Zweifach-Sonnenschutzisolierverglasung sorgt dafür, dass sich das Gebäude nicht zu stark aufheizt. In den oberen Büroetagen der Nordfassade übernimmt sie zugleich die Absturzsicherung. Die Öffnungsflügel sowie die darunter- bzw. darüberliegenden Isolierglaselemente in diesen Geschossen sind opak ausgeführt; in die Scheibenzwischenräume sind Vakuumisolierpaneele integriert, die einen hohen Wärmeschutz gewährleisten.

Auf der Südfassade verhindern Lichtlenklamellen in den Scheibenzwischenräumen der oberen beiden Isolierglasreihen eine direkte Solareinstrahlung. Sie lenken das Tageslicht an die Decke, wo es reflektiert wird und die Fabrikhalle gleichmäßig ausleuchtet. Die untere Fassadenreihe besteht aus sechs je 3,50 x 2,40 m großen, dreidimensionalen Glaselementen aus dreieck- und trapezförmigen Modellscheiben, die mit einem Kran in das zuvor aufgestellte Stahlskelett eingehängt wurden. Die drei oberen, stärker dem Zenitlicht ausgesetzten Scheiben jeweils eines der knapp 70 cm auskragenden und rund 750 kg schweren Elemente sind zu 32 Prozent mit einem Punktmuster als zusätzlichem Sonnenschutz bedruckt (emailliert). Die unterste Scheibenreihe ist transparent und nach vorn zum Boden geneigt. Auf diese Weise lassen sich störende Reflexionen vermeiden und Passanten können blendfrei in die Halle schauen.

Bedingt durch die speziellen Aufbauten und Anforderungen (Lichtlenklamellen, Vakuumisolierung, Emaillierung und Absturzsicherung) bestehen die Isolierverglasungen im Wesentlichen aus thermisch vorgespanntem Einscheibensicherheitsglas (ESG) bzw. daraus hergestelltem Verbundsicherheitsglas (VSG).

Bautafel

Architekten: TU Darmstadt, Prof. Jo Eisele mit Frank Lang (LP 1-3); Dietz Joppien Architekten, Frankfurt a. M. (LP 3-9)
Projektbeteiligte: osd, Frankfurt am Main (Tragwerksplanung, Thermische Bauphysik); SGS, Heusenstamm (Tragwerksplanung Südfassade); Medzech Ingenieure, Bad Homburg (Tragwerksplanung West-, Nord- und Ostfassade); Betonfertigteilwerke, Werk Nordhausen (vorgehängte West- und Ostfassade aus ultra-hochfestem Beton); Okalux, Marktheidenfeld (Glas); Schüco, Bielefeld (Fassadenprofile); Hölscher Stahlbau-Leichtmetallbau, Kleve (Südfassade); Rossmanith, Heidelberg (Nordfassade);
Bauherr: Technische Universität Darmstadt vertreten durch das Dezernat V – Bau und Immobilien
Fertigstellung: 2016
Standort: Eugen-Kogon-Straße 4, 64287 Darmstadt
Bildnachweis: Eibe Sönnecken, Darmstadt

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