Eselsrücken

S-förmig geschwungener Sturz

Spiegelsymmetrisch s-förmig geschwungene Stürze von Portalen, Türen und auch Fenstern werden mit dem anschaulichen Namen Eselsrücken bezeichnet. Der namensgebende Begriff von dem Bild ist schnell erklärt: als würde sich – frontal betrachtet – bei einem rundlichen Esel die Wirbelsäule stark oben durchdrücken. Eine andere Bezeichnung ist Kielbogen, verweist also auf ein umgedrehtes Boot. Die bildlich bezeichnete Figur beruht jedoch auf strenger Geometrie: Eine unten konvex geschwungene Linie verschmilzt mit einer oben konkaven Linie, aber exakt spiegelsymmetrisch aus vier Kreissegmenten konstruiert (siehe Bild 1).

Eselsrücken: Fassadendetail beim Woolworth Building am Broadway in Manhattan, New York City (1910 und 1913, Architekt Cass Gilbert)
Spiegelsymmetrisch s-förmig geschwungene Stürze von Portalen, Türen und auch Fenstern werden mit dem anschaulichen Namen Eselsrücken bezeichnet.
Eselsrücken beim gotischen Hauptportal der Marienkirche, Berlin-Mitte, etwa 1270

Geometrisch unterscheiden sich Eselsrücken bzw. Kielbogen damit von Rund-, Segment-, Hufeisen-, Spitz-, Lanzett- oder vergleichbaren Bogenformen. Die Geometrie aus Kurve und Gegenkurve plus Spiegelung war ursprünglich eine statisch wirksame Sturzkonstruktion, wurde dann jedoch mehr und mehr zu einer dekorativen Kontur, bei der ein übergeordneter Entlastungsbogen die tatsächliche Lastabtragung übernimmt.

Diese Bogenform stammt möglicherweise aus Indien, denn dort wurden die ältesten Eselsrücken gefunden. Ab etwa dem 11. Jahrhundert wurde diese besondere Bogenform in der persischen und islamischen Architektur verwendet, oft mit aufwendigen Mustern und Reliefs verziert, z. B. bei den Eingängen, in Nischen und Wandelgängen von Moscheen. Eselsrücken sind ebenfalls eine charakteristische Bogenform in der Gotik. Ab dem 14. Jahrhundert finden sich Türen und Fenster mit Eselsrücken bei Kirchen, Rathäusern und anderen repräsentativen Bauwerken in ganz Europa. Die s-förmig geschwungenen Stürze wurden allerdings auch als prunkvolle Verzierung auf Giebel, Möbel, Grabsteine und sogar Bilderrahmen übertragen. Im Historismus, also um 1900, wurde diese Bogenform als Ornament wieder aufgegriffen, und zwar als stuckverzierte oder geschnitzte Applikationen über Fenstern und Türen.

Mit der s- oder auch Sinuskurvenartigen Linie und deren Vervielfältigung ähneln diese Formen heutiger parametrischer Blob-Architektur wie beispielsweise beim Heydar Aliyev Center, Baku, 2012 von Zaha Hadid, oder auch dem Metropol Parasol, Sevilla, ebenfalls 2012 von Jürgen Mayer H.

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