Erweiterungsbau Hochschule Luzern für Design und Kunst in Emmen

Industrielle Reverenz

Das dicht bebaute Industrieareal des Schweizer Chemiefaserherstellers Monosuisse in Emmen bei Luzern war lange Zeit für die Öffentlichkeit unzugänglich. Nachdem Teile der Anlage geschlossen wurden, entwickelte das Architekturbüro EM2N 2002 einen Masterplan für dieses Gebiet, das unter anderem das Institut für Design und Kunst der Hochschule Luzern in einen leerstehenden, sechsgeschossigen Industriebau integriert. Den Umbau des Hauptgebäudes Viscosistadt 745 (s. Objekte zum Thema) übernahmen die Masterplaner selbst. Rund drei Jahre später wurde das direkt angrenzende Gebäude Viscosistadt 744 eröffnet, das die Hochschulflächen nahtlos erweitert und nun alle Abteilungen des kreativ-künstlerischen Fachgebiets an diesem Standort vereint. Der Entwurf des fünfgeschosigen, schnörkellosen und mit Bedacht eingefügten Neubaus stammt vom Architekturbüro Harry Gugger Studio.

Unter anderem bezog das Institut Design und Kunst der Hochschule Luzern den sechsgeschossigen Industriebau 745. Das Architekturbüro Harry Gugger Studio plante den drei Jahre später eröffneten Erweiterungsbau 744 (mittig im Bild).
Die Lage, Ausrichtung und die Kubatur des Baus waren durch den Masterplan bereits vorgegeben. Der schnörkellose Neubau, eine Stahlbetonkonstruktion mit gleichmäßig gegliederter Glasfassade, fügt sich dezent ein.
Das Hochschulgebäude sollte ebenfalls ein Attraktor für die Öffentlichkeit sein; im Erdgeschoss finden sich deshalb unterschiedliche öffentliche Nutzungen.

Die Planer von EM2N schlugen in ihrem Masterplan vor, ein durchmischtes Schul-, Wohn- und Arbeitsquartier zu schaffen. Die aktiven Produktionsstätten der Monosuisse behalten dabei weiterhin ihren Platz. Durch weitere öffentliche Einrichtungen und eine heterogene Mischnutzung öffnet sich das Areal dabei zur städtischen Umgebung.

Zurückhaltender Stadtbaustein
Die Lage, Ausrichtung und die Kubatur des Baus waren durch den Masterplan bereits vorgegeben. So liegt der Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fluss Kleine Emme und bildet mit dem umgenutzten Industriebau eine durchgehende Einheit. Um dem Bestand dennoch genügend Raum zu gewähren, ist der Erweiterungsbau von Harry Gugger Studio schmaler ausgeführt und bildet dadurch einen zurückhaltenden Versatz gegenüber dem Hauptgebäude. So bleibt ein Teil der Bestandsfassade weiterhin sichtbar und trägt gleichsam einem Erkennsmerkmal die Hausnummer 745 in auffälligen großen Ziffern.

Fassade als Reverenz an die industrielle Nachbarschaft
Neben den individuellen Nutzungsanforderungen im Inneren lag ein Schwerpunkt auf der Integration des Gebäudes, eine Stahlbetonkonstruktion, in seinen industriellen urbanen Kontext. Die gleichmäßig gerasterte Fassade weist helle, aber dennoch signifikante Lisenen aus stranggepressten Aluminiumprofilen auf, die eine gestalterische Reverenz an die umliegenden Industriebauten sind. Um dem optischen Effekt der stürzenden Linie entgegenzuwirken, treten die Lisenen geschossweise jeweils ein Stück hervor. Zwischen den Lisenen sorgen die großzügigen Verglasungen für eine üppige Tageslichtversorgung.

Kreativitätsfördernde Atmosphäre  
Die Räumlichkeiten des Anbaus 744 bieten den Studierenden vielfältige Möglichkeiten zur Umsetzung ihrer Visionen in Kunst und Design. So beinhaltet das Gebäude neben zahlreichen Unterrichtsräumen und Ateliers voll ausgestattete Holz- und Metallwerkstätten, feinmotorische Druck- und Schmuckwerkstätten sowie eine hoch technisierte, digitale Werkstatt zur computergestützten Fertigung. Um die Öffentlichkeit zusätzlich zu integrieren, wird unter anderem die umfangreiche Sammlung an natürlichen und synthetischen Farbpigmenten der Schweiz in Form einer Ausstellung im Erdgeschoss präsentiert.

Der rechteckige, lange schmale Grundriss gliedert sich auf allen fünf Geschossen längs in eine Mittelzone samt Erschließung und zwei Randzonen, die die Ateliers aufnehmen. Die Geschosshöhen des bestehenden Nachbarn von bis zu fünf Metern wurden im Erweiterungsbau übernommen, wodurch den Studierenden Ateliers und Arbeitsräume mit beachtlicher Raumhöhe zur Verfügung stehen. Durch die großen Raumhöhen im mittleren Bereich ließen sich verschiedene Zwischengeschosse einfügen, die für Galerien und Nebennutzungen vorgesehen sind. Die beiden Treppenaufgänge schließen die Mittelzone ab und sind durch Lichtschächte durch Tageslicht erhellt.

Nicht nur Helligkeit und die Raumhöhe prägen das Innere, sondern auch die Sichtbetonwände. Die Betonwände sowie unter anderem Glas sind schallharte Materialien und machten bei dem Institutsbau akustische Maßnahmen notwendig.

Raumakustik in Unterrichtssituationen
Da gerade in Unterrichtssituationen die Raumakustik und Sprachverständlichkeit eine wesentliche Rolle für den Lernerfolg spielt, mussten im Neubau gesondert auf schallsborbierende Materialien geachtet werden. So kommen an den Decken der Unterrichtsräumen und Ateliers abgehängte Leichtbauplatten aus Holzwolle zum Einsatz, die dem industriellen Erscheinungsbild des Gebäudes auch optisch gerecht wird. Unter den Holzwolleplatten sind zusätzlich Akustikauflagen aus Steinwolle eingesetzt.

Atelierkabinen mit textilen Raumteilern
Die lichtdurchfluteten Ateliers sind als große offene Flächen ausgeführt, wobei nahezu raumhohe Holzregale einzelne Arbeitsbereiche unterteilen. Um neben der visuellen auch eine auditive Trennung zu schaffen, sind akustisch wirksame Vorhänge eingesetzt, die bei Bedarf manuell an Schienen zugezogen werden können. Die eingesetzten unifarbenen Stoffe in Blaugrau erreichen einen Schallabsorptionsgrad von αw 0,85 und sorgen auf Wunsch für eine ruhige Arbeitsumgebung. 

Werkstätten mit erhöhten Anforderungen
Für die Werkstätten wurde der gleiche Deckenaufbau wie in den Unterrichtsräumen gewählt. Da für diese Art der Räumlichkeiten jedoch erhöhte Anforderungen an die Raumakustik gelten, musste zusätzlich eine biegeweich abgehängte Gipskartonplatte mit Akustikauflage verbaut werden. Diese Maßnahme verhindert die Verbreitung von Körperschall im Gebäude. In den Treppenhäusern sind die Sichtbetonwände zum Teil mit Lochplatten verkleidet, die auf einer absorbierenden Lage aus Mineralwolle und Akustikvlies liegen. -si

Bautafel

Architektur: Harry Gugger Studio, Basel
Projektbeteiligte: TGS Bauökonomen, Luzern (Projektmanagement); Architekt Till Huggler (Vorprojekt und Projektentwicklung); Emch + Berger, Bern (Bauingenieur); Markus Stolz + Partner, Luzern (Gebäudetechnik); Arregger Partner, Luzern (Sanitär); Jules Häfliger, Luzern (Elektro); Atelier P3, Zürich (Fassade); RSP Bauphysik, Luzern (Bauphysik); Scheuber, Ennetbürgen (Raumgestaltung); Creation Baumann, Langenthal (raumteilender Vorhang Acoustic Divider Vario, Verdunkelungsstoff Secret)
Bauherrschaft: Viscosistadt, Emmenbrücke 
Standort: Fadenstrasse, 6020 Emmen, Schweiz
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Florian Amoser, Lausanne; Daniela Burkart, Luzern; Raisa Durandi / Creation Baumann, Langenthal; Harry Gugger Studio, Basel

Fachwissen zum Thema

Absorberarten

Schallabsorption

Absorberarten

Flexible Schallabsorption im Schulungs- und Vortragsraum im Kabelwerk Brugg: die motorisierten Vorhänge dienen als Raumteiler und zur Verbesserung der Raumakustik

Flexible Schallabsorption im Schulungs- und Vortragsraum im Kabelwerk Brugg: die motorisierten Vorhänge dienen als Raumteiler und zur Verbesserung der Raumakustik

Schulen/​Universitäten

Unterrichtsräume

Bauwerke zum Thema

Der neue Standort der Hochschule Luzern befindet sich auf dem Areal einer ehemaligen Garnfabrik in Emmenbrücke (Westansicht)

Der neue Standort der Hochschule Luzern befindet sich auf dem Areal einer ehemaligen Garnfabrik in Emmenbrücke (Westansicht)

Kultur/​Bildung

Umbau Hochschule Luzern – Design & Kunst in Emmen

Surftipps

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de