Erweiterungsbau der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam

Transparenz und Interaktion im Raum

Wer kennt ihn nicht, den raumgreifenden rotblauen Stuhl, den Gerrit Rieveld 1918 entworfen hat? Oder das Utrechter Rietveld-Schröder-Haus von 1924, das mit seinen horizontalen und vertikalen Elementen und Farbflächen in Rot, Blau und Gelb in Kombination mit Schwarz, aber auch Weiß und Grau ebenfalls sehr markant ist. Mehr als 40 Jahre später, 1967, entwarf der Designer und Architekt, der stets mit Bauhaus und De Stijl zusammengebracht wird, mit Joan van Dillen und Johan van Tricht das erste Gebäude der Kunstakademie in Amsterdam, die später umbenannt wurde in Gerrit Rietveld Academie. Transparenz prägt dieses viergeschossige Hauptgebäude mit gläserner Hülle im Süden der Stadt.

Der zweigeschossige Neubau vereint verschiedene, bisher verstreute Abteilungen der Akademie. Die Architektur des flachen Neubaus spiegelt die Grundsätze der Akademie wider: Transparenz, Begegnung und gemeinschaftliches Experimentieren.
Während eine Brücke eine Verbindung zum Nachbargebäude herstellt (Bild 2), ist die Dachterrasse über eine Treppe direkt vom Platz zu erreichen.
Eine weiße Streckmetallfassade prägt das Äußere im Obergeschoss und schützt vor Sonneneinstrahlung; im Erdgeschoss lässt sich die Glasfassade an vielen Stellen durch die Glas-Faltwand öffnen und Luft hereinströmen.

Nach einem ersten Erweiterungsbau 2004 von Benthem Crouwel Architects ist die renommierte niederländische Kunsthochschule nun um ein weiteres Haus ergänzt worden. Für diesen dritten Bau auf dem Campus ist in einem internen Wettbewerb die (damalige) Dozentin Paulien Bremmer ausgewählt worden, die gemeinsam mit der multidisziplinären Kooperative von Designern FedLev und Hootsmans Architectuurbureau für den Entwurf verantwortlich zeichnet. Auch die Architektur des flachen Neubaus spiegelt die Grundsätze der Akademie wider: Transparenz, Begegnung und gemeinschaftliches Experimentieren.

Verbindungen und Treffpunkte

Der zweigeschossige Neubau vereint auf 3.200 m² verschiedene, bisher verstreute Abteilungen der Akademie. Während das Obergeschoss für Studierende des Sandberg Instituuts vorgesehen ist, befinden sich im Erdgeschoss unter anderem die große Aula und weitere Bereiche wie das Auditorium, die Bibliothek oder eine Filmwerkstatt, die gemeinschaftlich genutzt werden. Innerhalb des Neubaus schaffen offene Passagen Verbindungen zwischen den Ebenen. Zudem ist eine große Dachterrasse vom Platz direkt über eine breite und offene Treppe zu erreichen. Hier können Ausstellungen, Performances und andere Aktivitäten stattfinden. Das neue Gebäude und der Erweiterungsbau von 2004 sind außerdem über eine Brücke miteinander verbunden.


Wie eine Werkhalle

Bestimmend für Paulien Bremers' zurückhaltende Architektur ist die Idee eines dynamischen, interaktiven Umfelds und Offenheit als Gestaltungsprinzip: Durch den Verzicht auf Treppenhäuser, Flure und Abgrenzungen bleiben die Arbeitsbereiche wie beispielsweise die Montagehalle oder Holzwerkstatt im Erdgeschoss von verschiedenen Standpunkten einsehbar. So erinnert das Gebäude im Inneren an eine schlicht konstruierte Werkhalle. Die räumliche Verbindung aller Abteilungen erleichtert die Interaktion – die Voraussetzung für gemeinschaftliches Experimentieren in der Praxis. Auf originelle Weise kommt das Prinzip des kollektiven Gestaltens in Form von offenen Projekträumen an verschiedenen Stellen im Gebäude zum Ausdruck: diese auszufüllen, sind die Studierenden der Kunstakademie gleichsam aufgefordert.

Low-tech mit natürlicher Belüftung

Eine weiße Streckmetallfassade prägt das Äußere des Gebäudes und sorgt in Kombination mit Überhängen für Schutz vor Sonneneinstrahlung. Die Gebäudetechnik ist auf ein Minimum beschränkt und auch die Belüftung erfolgt auf natürliche Weise. So lässt sich die Glasfassade des Anbaus im hohen Erdgeschoss an vielen Stellen öffnen. Hier entschied sich die Architektin für eine faltbare Glasfassade, die sich aus durch die Verbindung von schlanken Profilen auch bei großen Elementen und hohen Gewichten sowie durch eine langlebige Funktionalität auszeichnet.

Fenster und Türen: Großflächig geöffnete Räume

Zwei Glas-Faltwände im Erdgeschoss mit jeweils über sieben Metern Breite und fast drei Metern Höhe lassen sich nahezu vollständig öffnen. Dabei werden jeweils vier der neun Glas-Elemente nach links und weitere fünf nach rechts verschoben und in schmalen Flügelpaketen an den Seiten geparkt. Mit einer minimalen Ansichtsbreite von 99 mm im Flügelprofilstoß bietet die Glas-Faltwand auch geschlossen größtmögliche Durchsicht. Einen leichtgängigen und langjährigen Betrieb ermöglicht zum einen die wartungsarme kugelgelagerte Edelstahl-Laufwagen-Technik; zum anderen sorgt ein Isoliersteg aus glasfaserverstärktem Polyamid für Stabilität.


Bautafel

Architektur: Studio Paulien Bremmer zusammen mit FedLev und Hootsmans Architectuurbureau
Projektbeteiligte:
Solarlux, Melle (Glas-Faltwände Highline)
Bauherr/in:
Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam
Fertigstellung:
2020
Standort:
Fred. Roeskestraat 96, 1076 ED Amsterdam, Niederlande
Bildnachweis: Jeroen Verrecht / Solarlux, Melle

Fachwissen zum Thema

Fensterwände bestehen aus mehreren Fenster- und/oder Türelementen, im Bild das Glasfaltwand-System Highline von Solarlux.

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Fensterarten

Fensterwände

Glaslamellen und Aluminiumraffstore verschatten die großen Glasflächen des Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin. Architektur: Stephan Braunfels

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Materialien

Glas und Metall

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