Erweiterung Flughafen Oslo-Gardermoen

Innovativer Schneespeicher kühlt Gebäude an Hitzetagen

In kaum einem anderen europäischen Land hat der Flugverkehr in den letzten Jahren so stark zugenommen wie in Norwegen. Die Zahl der Passagiere, die den Hauptstadtflughafen Lufthavn Oslo-Gardermoen nutzen, ist in den vergangenen fünf Jahren um 25 Prozent auf 27 Millionen gestiegen. Der Airport, der skandinavischen Fluggesellschaften als wichtiges Drehkreuz dient, wurde ursprünglich für eine Kapazität von 17 Millionen Passagiere ausgelegt und platzte zuletzt aus allen Nähten. Aus einem vom staatlichen Flughafenbetreiber Avinor ausgeschriebenen Architektenwettbewerb für die Erweiterung ging das Osloer Architekturbüro Nordic – Office of Architecture als Sieger hervor.

Die Planung übernahm das Osloer Architekturbüro Nordic – Office of Architecture
Durch die Erweiterung der bestehenden Ankunfts- und Abflughalle mit einem Anbau in Richtung Westen haben die Passagiere beim Check-in nun viel Platz
Auch der Flughafenbahnhof wurde neu gestaltet. Dessen Hochgeschwindigkeitszüge erreichen die Stadtmitte von Oslo in nur 19 Minuten

Die Architekten von Nordic, die in den 1990er-Jahren bereits das Bestandsgebäude geplant hatten, knüpften beim Entwurf der Erweiterungsbauten zwar an ihre frühere Arbeit an, gingen jedoch auch neue Wege. Die Planer erweiterten das Zentralgebäude nach Westen, sodass eine vergrößerte Ankunfts- und Abflughalle mit Anschluss an den ebenfalls neu gestalteten Flughafenbahnhof im Süden entstand. Dessen Hochgeschwindigkeitszüge erreichen die Stadtmitte von Oslo in nur 19 Minuten.

Während die alten und neuen Gebäudeteile der Halle durch gleiche Formsprache quasi miteinander verschmelzen, setzt sich das neue Fingerdock Pier Nord mit seinen Flugsteigen architektonisch vom Rest des Ensembles ab. Das bisher geradlinig in Ost-West-Richtung verlaufende Bestandsgebäude wurde dazu aufgebrochen und ein 300 m langer, röhrenförmiger Gebäudearm in Richtung Norden ergänzt. Anfänglich noch 120 m breit, verringert sich der Baukörper in Richtung Rollfeld auf eine Breite von 46 m.

Die Tragwerkskonstruktion der Erweiterungsbauten besteht aus geschwungenen, doppelten Brettschichtholz-Bogenbindern, die über v-förmige Stahlauflager auf massiven Betonpfeilern aufliegen und teilweise sichtbar sind. Prägendes Gestaltungselement des Pier Nord ist die abgerundete Dachhülle. Sie besitzt eine Verkleidung aus Eichenholz, die an den Längsseiten des Gebäudes in große gebogene Glasflächen übergeht. Als Deckenverkleidung im Inneren wählten die Architekten im Bahnhofsbereich Fichtenholz. Streckmetalldecken erzeugen in der Ankunfts- und Abflughalle den Eindruck von Leichtigkeit.

Im Pier Nord sorgen 47.568 rautenförmige Panelelemente in grau und weiß für eine abwechslungsreiche Optik der überspannenden Decke. Bei den Fußbodenbelägen wurde die Gestaltung des Bestandsgebäudes im neuen Terminal fortgeführt. In den Hauptbereichen ist norwegischer Naturstein verlegt, die Wartezonen besitzen einen Holzfußboden. Bei der Materialwahl achteten die Architekten auf Nachhaltigkeit. Zum Einsatz kamen heimische Holzsorten, recycelter Baustahl sowie Beton mit Vulkanasche als Betonzusatz.

Nordic legte bei der Planung zudem viel Wert auf Komfort und Wohlbefinden der Passagiere: Durch die geschickt übereinander angeordneten Ebenen legen die Reisenden zwischen Check-in und Abflug nur maximal 450 Meter zurück. Der Pier Nord besitzt neben einer Gepäckabfertigung auf Rollfeldniveau zwei weitere Geschosse mit elf Fluggastbrücken und dazugehörigen Flugsteigen mit Wartebereich. Auf der dreieckigen Verbindungsfläche zwischen Zentralgebäude und dem neuen Anleger befinden sich zahlreiche Restaurants, Läden und Cafés. Ein Panoramafenster an der Nordfassade sorgt zusätzlich zu den Fensterbändern an den Gebäudeseiten und auf dem Dach für viel Tageslicht und bietet einen Ausblick auf das Fluggeschehen. Hölzerne Skulpturen sind als Sitzgelegenheiten über das ganze Gebäude verteilt.

Gebäudetechnik
Die neue Ankunfts- und Abflughalle und das Fingerdock Pier Nord sind als Passivgebäude konzipiert, die 50 Prozent weniger Energie benötigen als das alte Flughafengebäude. Zur umweltfreundlichen Heizung und Kühlung haben die Planer mehrere regenerative Energiequellen kombiniert. Beheizt wird der Flughafen durch ein eigenes Nahwärmenetz, in das ein Blockheizkraftwerk und 18 Grundwasserbrunnen einspeisen. Das Grundwasser gibt dabei seine Wärme, die zehn bis 15 Grad beträgt, an Wasser-Wasser-Wärmepumpen ab.

Als weitere Wärmequelle für die Wärmepumpen dient warmes Abwasser aus einer kommunalen Kläranlage. Am Flughafen werden im Winter aus Sicherheitsgründen Chemikalien zur Enteisung der Flugzeuge eingesetzt. Um das Grundwasser davor zu schützen, wird das Oberflächenwasser der Start- und Landebahnen in großen Becken gesammelt und mit weiterem Abwasser nach und nach in die Kläranlage eingeleitet. Beim Abbau der chemischen Stoffe im Klärprozess erwärmt sich das Wasser, sodass es als Wärmequelle genutzt werden kann.

Bei sommerlichen Temperaturen besteht im Pier Nord durch seine großen Fensterflächen Kühlbedarf. Da der Energiebedarf herkömmlicher Gebäudekühlung sehr hoch ist und entsprechend große Mengen klimaschädliches CO2 frei gesetzt würden, hat man im Flughafen eine umweltfreundliche Kühllösung realisiert. Im Sommer nutzen die Wasser-Wasser-Wärmepumpen die im Vergleich zur Außenluft niedrigere Temperatur der Grundwasserbrunnen zur Kühlung des Gebäudes. So stellt das Grundwasser zur warmen Jahreszeit einen Kältespeicher und im Winter eine Wärmequelle dar.

Ist an Hitzetagen eine weitere Kühlung nötig, tritt ein innovativer thermischer Schneespeicher in Aktion. In das 8.000 Quadratmeter große Depot wird im Winter sauberer Schnee eingelagert und mit Sägespänen zur Isolierung abgedeckt. Im Sommer wird das kalte Schmelzwasser über Wärmetauscher in den Heiz- beziehungsweise Kühlkreis der Fußböden geleitet, von wo aus es das Gebäude zusätzlich abkühlt. Den Transport der Wärme und Kälte in die einzelnen Gebäudeteile übernimmt ein gedämmtes Rohrsystem. Die Verteilung im Flughafen erfolgt über eine Fußbodenheizung beziehungsweise -kühlung in Form eines Hohlbodensystems mit integrierten Leitungen, was eine effiziente Temperierung der großen, offenen Flächen erlaubt.

Beide Neubauten erhielten als weltweit erstes Flughafengebäude die Auszeichnung „Excellent" des BREEAM-Zertifizierungssystems (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology) für nachhaltiges Bauen.

Bautafel

Architekten: Nordic – Office of Architecture, Oslo, (mit Assistenz von NSW Architects, Oslo)
Projektbeteiligte: Aas-Jakobsen, Oslo (Tragwerksplanung); Cowi, Oslo (TGA-Planung); Norconsult, Oslo (Infrastruktur); Ingenior Per Rasmussen, Voyenenga (Elektroplanung); Bjorbekk & Lindheim, Oslo (Landschaftsarchitekten)
Bauherr: Avinor Oslo Lufthavn AS, Oslo
Fertigstellung: 2017
Standort: Edvard Munchs veg, 2061 Gardermoen / Norwegen
Bildnachweis: Dag Spant, Oslo; Ivan Brodey, Oslo; Knut Ramstad, Oslo; Sune Eriksen, Oslo

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