Erweiterung des Victoria and Albert Museums in London

15.000 handgefertigte Porzellanfliesen für Hof und Dach

Dem Flaneur auf der Londoner Exhibition Road eröffnet sich auf Höhe des Naturhistorischen Museums seit Kurzem eine völlig neue städtebauliche Situation. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite begegnet ihm keine abweisende, mehrere Meter hohe Mauer mehr, sondern offene Kolonnaden geben den Blick auf den neu gestalteten, zuvor nicht zugänglichen, westlichen Hof des Victoria and Albert Museums (V&A) frei. 108 Jahre nach Fertigstellung des Ausstellungshauses erhält es damit die Zugangssituation, die sein Architekt Sir Aston Webb ursprünglich vorgesehen hatte. Geldmangel während der Bauphase führte seinerzeit jedoch dazu, dass die Heizkesselanlage im Hof untergebracht und durch besagte Mauer vor den Blicken der Passanten versteckt werden musste.

Die Kolonnaden wurden geöffnet und damit der dahinterliegende Hof als öffentlicher Platz aktiviert
Auf dem Hof entstand ein pavillonartiger Neubau, im Bestand wurde eine neue Eingangshalle geschaffen, über die man in die unterirdische Sainsbury Gallery gelangt
Den Hof bedecken 11.000, die Dachflächen des Neubaus 4.300 Keramikfliesen

Die Neugestaltung des sogenannten Exhibition Road Quarters nach Plänen des Büros AL_A umfasst jedoch sehr viel mehr als die Öffnung der historischen Kolonnaden und damit die Verlegung des Haupteingangs von der Cromwell an die Exhibition Road sowie die Aktivierung des Hofes, dem Sackler Courtyard, als öffentlichen Platz. 18 Meter darunter schufen die Architekten die Sainsbury Gallery, gegenüber der Kolonnaden die Blavatnik Hall als neue Eingangshalle sowie auf dem Hof einen über Eck geführten pavillonartigen Bau, der Café und Museumsshop beherbergt.

Die Blavatnik Hall befindet sich innerhalb des bestehenden Gebäudeflügels, der den mit Porzellanfliesen bedeckten Sackler Courtyard vom zentralen Innenhof, dem John Madjeski Garden, trennt. Großzügige Verglasungen auf beiden Seiten der Halle stellen erstmals eine Sichtbeziehung zwischen den beiden Anlagen her. Von hier führt eine imposante mehrläufige Treppe mit schwarz glänzenden, geschlossenen Geländern hinab in die unterirdische Galerie. Ein Oberlicht im neuen Pavillonbau gibt beim Hinabsteigen den Blick auf die freigelegte Sgraffitofassade am historischen Henry-Cole-Flügel frei.

Die 1.100 Quadratmeter messende, zwischen 6,50 und 10,50 Meter hohe Sainsbury Gallery wird für Sonderausstellungen des Museums genutzt. Sie kommt ganz ohne Stützen aus und wird über ihre 38 Meter Breite von 14 imposanten Dreiecksträgern aus Stahl überspannt, deren Verkleidung im Inneren eine expressionistische Dachlandschaft formt. Als Referenz an den roten Samt vieler Ausstellungsvitrinen sind die sichtbar belassenen Träger im Treppenhaus feuerrot lackiert. Ein großes, asymmetrisches Oberlicht, das in den Boden des Hofs eingelassen ist, inszeniert den Tageslichteinfall und lässt zusammen mit dem Dachtragwerk geometrische Lichtflecken auf dem Parkettboden der Galerie entstehen. Andersherum ermöglicht das Oberlicht den Blick vom Hof hinab in die Galerie. Das Feuerrot der Stahlträger im Treppenhaus wird an der oberseitigen Verkleidung wieder aufgegriffen.

Der Weg aus der Ausstellung führt über eine andere Treppe direkt in den Museumsshop im pavillonartigen Neubau, der sich mit großflächigen Verglasungen zum Platz öffnet. Den oberen Abschluss bildet ein gefaltetes Dach, das teilweise bis auf den Boden herabreicht. Hier ist das Café mit etwa dreißig Sitzplätzen untergebracht. Es ist auch außerhalb der Museumszeiten geöffnet und sorgt dann für eine Belebung des Areals.

Die Kolonnaden mit dem mittigen Torbogen werden heute nur noch nachts verschlossen – mit perforierten Metalltoren, die den Durchblick in den Hof erlauben. Das Muster der Perforation zeichnet die Beschädigungen nach, die Schrapnellgeschosse im Zweiten Weltkrieg an der historischen Mauer hinterlassen hatten. Am zweiflügeligen Haupttor hingegen ist die Lochung in Form des königlichen Wappens ausgebildet.

Fliesen

Den 1.200 Quadratmeter großen Sackler Courtyard bedecken 11.000 weiße bzw. in Pastelltönen glasierte, handgefertigte Porzellanfliesen im Format 195 x 558 mm. Verschiedenste Varianten rechteckiger und parallelogrammförmiger Fliesen kamen zum Einsatz. Ihre Oberflächen zieren unterschiedliche Rillenmuster, mal sind sie komplett, mal nur teilweise farbig. Die Verlegung erfolgte nicht parallel zu den Hofseiten, sondern leicht verdreht, dem Verlauf der darunter liegenden Stahlträger folgend. Diese diagonale Dynamik steht im Kontrast zu den geradlinigen Baustrukturen des Bestands. Mit 4.300 weiteren rautenförmigen, weißen Porzellanfliesen wurden die Dachflächen des Cafés und Museumsshops belegt, die auf diese Weise wie aus dem Hof herausgewachsen scheinen.

Die ungewöhnliche Materialwahl des Bodenbelags ist eine Referenz an die bedeutende Porzellansammlung des Museums und soll zugleich auf die hohe Handwerkskunst verweisen, die in den Exponaten des Museums zum Ausdruck kommt. Nach Aussage der Architekten Amanda Levete sind Porzellanfliesen zudem enorm robust und härter als Granit.

Als Mittler zwischen Alt und Neu wurde in der Blavatnik Hall zudem ein Mosaikboden verlegt. Die Grautöne der kleinen Fliesen knüpfen farblich an die viktorianischen Marmormosaike des Museums an, das grafische Muster hingegen verweist auf das Fliesenmuster im Hof.

Bautafel

Architekten: AL_A, London
Projektbeteiligte:
Arup, London (Ingenieure); Aecom, London (Tiefbau); Lendlease, London (Projektsteuerung); DP9, London;  (Projektplaung); Giles Quarme & Associates, London (Historische Bauberatung); Wates Group, Surrey (Generalunternehmer); DHA Designs, London (Lichtplanung); Midland Alloy, Telford (Metalltore); Koninklijke Tichelaar Makkum, Kalkovens (Porzellanfliesen)
Bauherr: Victoria and Albert Museum, London
Fertigstellung:
2017
Standort:
Cromwell Rd, Knightsbridge, London SW7 2RL, Vereinigtes Königreich
Bildnachweis: Hufton and Crow, Hertford; AL_A, London; Stephen Citrone

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