Energiebunker Wilhelmsburg in Hamburg

Erneuerbare-Energien-Kraftwerk im ehemaligen Flakturm

Inmitten der Zeilenbebauung ehemaliger Arbeiterwohnungen im Hamburger Reiherstiegviertel ragt ein mächtiger Betonkoloss empor. Es handelt sich um den 1943 nach Plänen des Architekten Friedrich Tramm errichteten Flakturm, der im Krieg sowohl als Schutzraum vor Luftangriffen als auch der Flugabwehr diente. Seit einer versuchten Sprengung durch die britische Armee im Jahr 1947, die jedoch nur das Innere zerstören konnte, stand er als eindrucksvolles, aber nicht nutzbares Mahnmal gegen Krieg und Faschismus leer. Im Rahmen der IBA Hamburg, die sich der Entwicklung der Elbinseln Wilhelmsburg und Veddel sowie des Harburger Binnenhafens widmet, wurde er nun zum dezentralen und regenerativen Energieerzeuger für das Quartier umgebaut.

Ansicht von der Neuhöfer Straße
Für das Café wurde ein großes Panoramafenster in einen der Türme geschnitten
Aussicht über die Hansestadt und Teile des IBA-Geländes

Die Planung für den Energiebunker Wilhelmsburg übernahmen die Architekten vom Büro Hegger Hegger Schleiff aus Kassel. Nachdem zunächst das teilweise gesprengte Tragwerk wiederhergestellt und der Beton saniert war, bot der 57 Meter breite, ebenso lange und 42 Meter hohe Bau reichlich Platz für neue Nutzungen. Heute nimmt er in den unteren Geschossen die riesige Technikzentrale für das lokale Nahwärmenetz auf, im oberen Teil befinden sich öffentliche Ausstellungsräume und das Café „Vju" in einem der vier Türme. Der daneben liegende Turm wurde im Originalzustand erhalten und steht Besuchern offen. In der Ausstellung können sich Interessierte über das Reiherstiegviertel sowie über Geschichte und Umbau des Bunkers informieren.

Bis auf die über dem Bunker schwebende neue Dachfläche aus Solarthermiekollektoren und die noch im Bau befindliche, auf der Südseite vorgehängte Fassade aus Photovoltaikmodulen wurden von außen nur wenige Eingriffe in das Volumen des Flakbunkers vorgenommen. Ausnahmen sind zwei Öffnungen, von denen eine als großzügiges Aussichtsfenster für das Café in die entsprechende Turmwand geschnitten wurde. Durch dieses gelangen die Besucher auch auf die rund um das Gebäude laufende Kragplatte in 30 Metern Höhe. Sie dient als Terrasse und bietet einen freien Blick über die Stadt bis hin zu den Harburger Bergen und die Elbinseln. Ein weiterer großer Einschnitt auf der Westseite wird nach Abschluss der Baumaßnahmen als großes Sichtfenster auf die Energietechnik des Viertels dienen.

Energiekonzept
Das neue Kraftwerk versorgt einen Großteil des Reiherstiegviertels über ein Fernwärmenetz mit Wärme und speist Strom in das Hamburger Stromnetz ein. Den Hauptbestandteil der neuen Technikzentrale bildet ein großer Wärmespeicher mit einem Fassungsvermögen von 2.000.000 Litern (2.000m³) Wasser. Er wird von den solarthermischen Kollektoren auf dem Dach, einer Hackschnitzel-Feuerungsanlage und der Abwärme sowohl eines Biogas-Blockheizkraftwerk als auch eines nahe gelegenen Industriebetriebs gespeist. Im Endausbau soll der Energiebunker circa 22.500 Megawattstunden Wärme für rund 3.000 Haushalte produzieren.

Der Großpufferspeicher kann die natürlichen Schwankungen der regenerativen Energiequellen ausgleichen, sodass die Wärmeerzeuger für eine wesentlich kleinere Leistung ausgelegt werden konnten als sonst üblich – und zwar auf 6,5 anstelle von 11 Megawatt. Die thermische Solaranlage auf dem Dach ist mit rund 1.350 m² Fläche die größte Röhrenkollektor-Anlage in Deutschland. Zusätzlich erzeugen die Photovoltaikmodule auf der Südfassade des Bunkers und das Biogas-BHKW Strom. Geplant ist eine Stromproduktion von rund 3.000 MWh, welche für die Versorgung von rund 1.000 Haushalten ausreicht.

Aufgrund seines zukunftsweisenden Konzepts soll der Energiebunker in den nächsten Jahren als Forschungsprojekt zur Praxistauglichkeit der eingesetzten Regel- und Hydrauliktechnologien dienen. Künftig könnte im Speicher zum Bespiel überschüssiger Windstrom aus Norddeutschland im sogenannten Power-to-Heat-Verfahren in Wärme umgewandelt werden, oder es könnte in windschwachen oder sonnenarmen Zeiten Wärme aus einem zusätzlichen Blockheizkraftwerk eingespeist und zur Stromerzeugung genutzt werden.

Bautafel

Architekten: Hegger Hegger Schleiff HHS Planer + Architekten, Kassel
Projektbeteiligte: Prof. Bartram und Partner, Ottersberg (Statik); IHS Intelligent House Solutions, Hamburg (Haustechnik); EGL, Hamburg (Landschaftsarchitektur); Hamburg Energie/Averdung Ingenieure, Hamburg (Energieplanung); Neumann Krex & Partner, Niestetal (Brandschutz)
Bauherr:
IBA Hamburg (Gebäude); Hamburg Energie, Hamburg (Energieversorgung)
Standort: Neuhöfer Straße 7, Hamburg
Fertigstellung: 2013
Bildnachweis: IBA Hamburg; Fotos: Martin Kunze, Simona Weisleder, Johannes Arlt und Karsten Wessel

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