Earth House in Merida

Wohnhaus mit Herzstück aus tragenden Stampflehmwänden

Wie ein weißer Würfel wirkt das Wohnhaus, das die international tätigen Planer des jungen schwedischen Architekturbüros earthLab Studio am nördlichen Rand der Großstadt Mérida auf der Halbinsel Yucatán am Golf von Mexiko geschaffen haben. Doch der erste Blick auf das Earth House täuscht: Der helle eingeschossige Baukörper auf dem erhöht liegenden Grundstück ist kein Kubus, sondern ein flacher verschachtelter Quader mit vorspringenden Volumen und Öffnungen, einer überdachten Loggia und einer seitlichen Außentreppe, die zu einer großzügigen Terrasse auf dem Flachdach führt. Von hier sieht man die ebenfalls weiß verputzte Kuppel im Zentrum des Gebäudes.

Dicke Wände aus Stampflehm umschließen das Herz des Hauses, das zugleich Flur und Wohnzimmer ist
Das Wohnhaus mit 190 m² Fläche ist die Verbindung von Beton mit einer Stampflehmkonstruktion, von moderner und vernakulärer Architektur
In jeder der vier Wände befindet sich ein Durchgang mit Türsturz und Zargen aus glattem Beton

Knapp 190 Quadratmeter Wohnfläche bietet der Neubau. Die Planer kombinierten Beton mit einer überwölbten Stampflehmkonstruktion, moderne mit vernakulärer, historisch gewachsener Architektur. Durch einen überdachten Eingang im Süden gelangen die Bewohner in das Herz des Hauses – einen zentralen Raum mit quadratischem Grundriss, der Flur und Wohnzimmer zugleich ist. Dicke Wände aus Stampflehm und ein kunstvoll gemauertes Gewölbe mit einer runden Lichtöffnung am obersten Punkt umschließen ihn. In jeder der vier Wände befindet sich ein Durchgang mit Türsturz und Zargen aus glattem Beton. Gegenüber des Eingangs führt im Norden eine breite Glastür auf die Terrasse und den anschließenden Garten. Im Osten sind hinter einem kleinen Vorraum drei Schlafzimmer und zwei Bäder untergebracht, im Westen ein Studio sowie die offene Küche mit Essplatz und Zugang zur außen liegenden Treppe.

Der Boden des gesamten Hauses ist mit glasierten Fliesen belegt. Ein florales Ornament in Weiß, Schwarz und Grautönen ziert die knapp 40 x 40 cm großen Keramikplatten. Ansonsten ist die Innenraumgestaltung, inklusive des Mobiliars, vorwiegend in Weiß gehalten.

Gesund Bauen

Obwohl sehr unterschiedlich in Material und Farbe harmonieren die erdigen Wände mit den schlicht weißen Oberflächen und den ornamentalen Bodenfliesen. Um den von den Bauherren gewünschten Ocker-Farbton zu erhalten, suchten die auf Stampflehm spezialisierten Architekten die entsprechende Erde in der Umgebung. Der rötliche Boden vor Ort in Mérida entsprach nicht den Vorstellungen, doch nur rund hundert Kilometer entfernt wurde in Campeche der passende, gelbbraune Baustoff gefunden. Er besteht zu 43 Prozent aus Lehm und zu 57 Prozent aus einem Gemisch aus Sand und Kies. Um diesen fetten, also sehr tonhaltigen, Lehm stampfbar zu machen, musste der Lehmanteil durch die Zugabe von Sand auf 25 bis 30 Prozent gesenkt werden. Errichtet wurden die tragenden Wände auf einem niedrigen Fundament aus Beton. Dafür wurde der umweltfreundliche Baustoff vor Ort mit etwas Wasser vermengt, schichtweise in die zweihäuptige Schalung aus Holz geschüttet und mechanisch verdichtet, bis die Raumhöhe erreicht war.

Ein Maurer aus der Region setzte auf die Wände ein Kreuzgratgewölbe in traditioneller mexikanischer Handwerkskunst. Die Ziegel wurden ohne stützendes Gerüst oder eine hölzerne Form frei vermauert und zementiert. Wie auch die Wände besteht das Material der Decke aus einem Gemisch aus Ton, Lehm und Sand – in anderer Zusammensetzung und in gebrannter Form. Hier wurde ebenfalls ein gelblicher Ockerfarbton gewählt. Sowohl Ziegel als auch Lehm sind frei von Schadstoffen und wirken sich positiv auf das Raumklima aus. Sie regulieren die Feuchtigkeit und verbessern die Luftqualität; Lehm absorbiert zudem Gerüche. In einer tropischen Klimagegend wie am Golf von Mexiko tragen die verwendeten Baumaterialien inklusive der Bodenfliesen ganzjährig zu angenehm kühlen Temperaturen im Wohnaus bei. -jb

Bautafel

Architekten: earthLAB Studio, Göteborg
Projektbeteiligte: David Martinéz (Projektleitung); Arturo González (Ingenieur); Nodo Laboratorio de Arquitectura; Mérida; Erick Arcique; Ladrillera Nacional (Ziegel); Interceramic, Mexiko (Fliesen)
Bauherr: Privat
Standort:
Mérida, Mexiko
Fertigstellung:
2017
Bildnachweis: Leo Espinosa, www.leoespinosa.com

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