Casa della Memoria in Mailand

Porträts als großformatige Mosaike aus Ziegelstein

Ein Museum ist es nicht, auch keine Bibliothek und schon gar kein Kulturzentrum. Es ist so einfach und bescheiden in Konstruktion und Material und so massiv und träge wie ein Speicher- oder Lagergebäude und als solches definieren die Architekten es typologisch auch: die Casa della Memoria im Mailänder Norden, entworfen von dem Architektenkollektiv baukuh. Am Bahnhof Porta Garibaldi, wo die neuen Hochhäuser Torre Unicredit von César Pelli und Bosco Verticale von Stefano Boeri auf die kleinteilige Bebauungsstruktur des Arbeiterviertels Isola treffen, steht das Haus wie ein großer roter Ziegel mit Abmessungen von 20 mal 35 Metern und einer Höhe von 17,5 Metern. 2011 hatte die Stadt in Kooperation mit fünf Partisanenverbänden zu einem Wettbewerb eingeladen, um für die Widerstandskämpfer gegen faschistische und rechtsextreme Gewalt einen Ort der Erinnerung zu schaffen.

Zwischen den neuen Hochhäusern Torre Unicredit und Bosco Verticale erscheint das Haus wie ein großer roter Ziegel
Der Entwurf für das Gebäude stammt von dem Architektenkollektiv baukuh
Das Gebäude ist ein Ort der Erinnerung für die Widerstandskämpfer gegen faschistische und rechtsextreme Gewalt

Im Kontrast zur Simplizität und Schwere des Baukörpers steht die irritierende Vielschichtigkeit seiner Fassadengestaltung. Gegliedert durch ein Gerüst roter Ziegel und durchsetzt von unregelmäßig eingestreuten Fenstern erscheinen bei genauem Hinsehen zahlreiche großformatige Wandbilder, die aus kleinen Mosaiksteinen zusammen gesetzt sind. Was aus der Nähe betrachtet zu einem willkürlichen rötlich-bunten Pixelmeer verschwimmt, ist aus der Distanz als Umsetzung fotografischer Porträts und historischer Szenen erkennbar. 19 Bilder anonymer Mailänder Bürger und acht Fotos mit Szenen von Deportationen, der Befreiung vom Faschismus und unter anderem vom Attentat am 12. Dezember 1969 auf der Piazza Fontana wurden hierfür aus dem Fotoarchiv der Casa della Memoria ausgewählt, gerastert und mit kleinen quadratischen Steinen auf den Fassaden neu zusammengesetzt.

Im Inneren erweist sich das Gebäude als einfache Stahlbeton-Skelettkonstruktion mit pragmatischer Gliederung und einfachem Ausbaustandard. Ein Stahlbetonraster aus Balken und Stützen mit Spannweiten von etwa neun Metern bildet als Grundgerüst. Die beiden kürzeren Seiten im Süden und Norden dienen als etwa drei Meter tiefe raumhaltige Wand mit den Nebenräumen hier und den dicht gestapelten Archivebenen dort. Im Erdgeschoss führen straßen- und hofseitig jeweils niedrige Eingänge hinein. In der rund 500 Quadratmeter großen Mittelzone öffnet sich die auf zwei Dritteln zweigeschossige und vor der inneren Fassade des Archivs viergeschossige Eingangshalle. Hier erschließt eine signalgelbe spiralförmige Treppe die drei Ebenen oberhalb der Erdgeschosshalle mit Büros und Leseräumen und einem Veranstaltungssaal ganz oben.

Mauerwerk
Vor der Stahlbeton-Skelettkonstruktion sind die 45 cm starken Außenwände zweischalig mit Wärmedämmung und Luftschicht aufgebaut. Das außen sichtbare Ziegelmauerwerk ist als Vorsatzschale über Mauerwerksanker mit dem Hintermauerwerk konstruktiv verbunden.

Die Fassaden sind durch ein orthogonales Raster aus roten Ziegeln in drei unterschiedlich hohe Reihen gegliedert. Die niedrigste untere Reihe ist in zahlreiche Felder unterteilt, die entweder Türen aufnehmen oder in grafischen Mustern mit Rechtecksteinen im reinen Binderverband ausgemauert sind. Die mittlere Reihe ist in 4,60 x 4,60 Meter große Felder gegliedert und zeigt die ausgewählten Porträts, die 9,60 Meter hohe obere Reihe nimmt die unterschiedlich breiten historischen Szenen auf.

Zur Übertragung in die großformatigen Mosaike wurden die als Vorlage dienenden Fotografien in einem digitalen Verfahren vergrößert und in grobe Bildpunkte aufgelöst. Die originalen Farben wurden auf sechs Farbtöne reduziert, in denen auch die eigens angefertigten Ziegelsteine mit dem Sondermaß von 5,5 x 5,5 x 12 Zentimeter gebrannt wurden. Vor Ort wurde die Farbmatrix der Fotos auf die Fassade aufgebracht und als Mosaik in einem reinen Binderverband gemauert.

Bautafel

Architekten: baukuh, Mailand/Genua
Projektbeteiligte: Hines Italia, Mailand (Generalplaner); Arup Italia, Mailand (Tragewerksplanung); Deerns Italia, Mailand (HVAC); Gaeengineering, Mailand (Brandschutz); J&A consultants, Mailand (Kostenüberwachung); Edilda Edilizia Lombarda, Mailand (Bauunternehmen); SanMarco (Ziegelhersteller)
Bauherr: Stadt Mailand mit Hines Italia und 5 Partisanenverbänden
Fertigstellung: 2015
Standort:
Via Federico Confalonieri 14, 20124 Mailand, Italien
Bildnachweis: Stefano Graziani, Triest und Giulio Boem, Mailand

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