Bürohaus 2226 in Lustenau

76 Zentimeter dicke Ziegelaußenwände

Entgegen dem Trend der immer komplexeren Gebäudehülle und -technik ließen sich die Architekten vom Büro Baumschlager Eberle nach eigenem Entwurf ein neues Bürogebäude errichten, das ganz ohne Heizung, Lüftung und Kühlung auskommt. Möglich macht dies u.a. eine Konstruktion aus ungedämmtem, 76 Zentimeter starkem Ziegelmauerwerk.

Die Cafeteria im Erdgeschoss steht Besuchern offen
Ansicht Südwest mit der zweiten Eingangstür
Südwestansicht bei Dämmerung: Im Erdgeschoss sind alle Fenster bodentief, in den oberen Etagen gibt es eine 45 cm hohe Brüstung

Das 2226 genannte sechsgeschossige weiße Bürohaus mit den Abmessungen 24 x 24 x 24 Meter steht frei auf einem weitläufigen Grundstück in einem Gewerbepark am Stadtrand von Lustenau. Die Gebäudekubatur ist nicht exakt orthogonal, vielmehr sind die Außenwände leicht konkav und bilden, alle paar Geschosse abwechselnd, mal eine rechwinklige, mal eine spitz zulaufende Gebäudeecke, die ein wenig über die darunterliegenden Wände hinausragt. So wirken manche der Geschosse leicht verdreht. Die Lochfassade ist auf allen vier Seiten gleichmäßig aufgeteilt, der Öffnungsanteil beträgt lediglich 22 Prozent. Im Erdgeschoss sind alle Fenster bodentief, in den oberen Etagen liegt die Brüstungshöhe bei rund 45 Zentimetern. Die innen bündigen Massivholzfenster aus geölter Weißtanne bestehen jeweils aus einer feststehenden Dreifachverglasung und einem schmalen seitlichen Lüftungsflügel aus Vollholz. Das Gebäude wird über jeweils einen Eingang in der Ost- sowie in der Westfassade erschlossen. Beide Eingänge sind innerhalb der Fassade nicht hervorgehoben, sondern entsprechen in ihren Abmessungen den Fenstern des EGs.

Das Gebäude ist kein reines Bürohaus. Im Erdgeschoss mit einer Raumhöhe von 4,50 Meter sind eine Kunstgalerie und eine öffentliche Cafeteria untergebracht. In den darüberliegenden fünf Geschossen mit jeweils einer Raumhöhe von 3,40 Metern befinden sich die Büroräume der Architekten sowie weitere, an Externe vermietete Büroflächen. Vier windmühlenartig im Gebäudeinneren angeordnete, gemauerte Quader mit unterschiedlichen Abmessungen gliedern den Grundriss und beherbergen gleichzeitig Treppen, Lift und Nebenräume.

Der Massivbau ist so konstruiert, dass möglichst wenig Wärme durch die Wände diffundiert und zugleich möglichst viel Energie in der speicherfähigen Masse von Böden, Decken und Wänden gebunden wird. Anstatt einer herkömmlichen Heizung reicht auf diese Weise zur Temperierung der Innenräume die Abwärme der Nutzer aus. Der Name 2226 bezieht sich auf die menschliche Wohlfühltemperaturzone, die zwischen 22 und 26°C liegt und die im Gebäude weder unter- noch überschritten werden soll. In der Planungsphase wurden zahlreiche Simulationen und Modelle angefertigt, um die thermische Trägheit der Bauteile zu berechnen. Eine eigens für das Bürohaus entwickelte Steuerung überprüft mithilfe von Sensoren stetig verschiedene Klimaparameter und kann über die Öffnung der Lüftungsflügel regulierend eingreifen. So wird das Gebäude beispielsweise im Sommer nachts durch Querlüftung herabgekühlt. Registriert das System einen steigenden Kohlendioxidanteil in der Raumluft, wird ebenfalls Frischluft über die Lüftungsflügel zugeführt.

Mauerwerk
Das verputzte 76 cm dicke Außenmauerwerk besteht aus zwei Schichten Hochlochziegeln. Aufgrund deren hohen Luftkammeranteile konnte auf eine zusätzliche Dämmung verzichtet werden. Die beiden Schichten sind aus 38 cm dicken Ziegeln gemauert und mit einer 18 mm starken Mörtelfuge miteinander verbunden.  Die innere Schicht besteht aus je nach Belastung angeordneten Ziegeln unterschiedlicher Dichte, während die äußere Schicht auf einen möglichst hohen Wärmeschutz ausgelegt ist. Der U-Wert des inneren Ziegels liegt bei 0,34 W/m²K, der des äußeren 0,24 W/m²K. Die Außenwände erreichen insgesamt einen U-Wert von etwa 0,15 W/m²K.

Außen wie innen wurde das Ziegelmauerwerk nach einer Grundierung mit einem Kalkzement-Grundputz und dann mit einem weißen Kalkputz versehen. Im Inneren kam ein im Vorarlberg hergestellter gelöschter Kalkputz zum Einsatz, der in der Lage ist, Feuchtigkeit sowie Kohlendioxid aus der Raumluft zu binden.

Bautafel

Architekten: Baumschlager Eberle Lochau, Lustenau
Projektbeteiligte: Mader & Flatz, Bregenz (Statik); IBS - Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung, Linz (Brandschutz); Ingenieurbüro Kurzemann, Dornbirn (Bauphysik); Ingo Maurer, München / D Symetrys, Lustenau, (Lichtplanung); Elmar Graf, Dornbirn (Elektroplanung); Lars Junghans, Michigan (Energieoptimierung); Peter Stefan Widerin, Hörbranz (Bus-Steuerung); James Turrell, Flagstaff (Kunst); Rhomberg Bau, Bregenz (Generalunternehmer); Wienerberger, Wien (Ziegelhersteller)
Bauherr: AD Vermietung, Lustenau
Fertigstellung: 2013
Standort:
Millennium Park 20, 6890 Lustenau
Bildnachweis: Baumschlager Eberle Lochau, Lustenau; Fotos: Archphoto / EH + IL

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