Bürogebäude in London

Perforierte Aluminiumpaneele vor Glasfassade

„At the king's crossroads“, drei Kilometer nördlich vom Big Ben in London, stand ab 1830 ein Denkmal für den damals gerade verstorbenen Georg IV. Nach diesem sind der Fernbahnhof King's Cross und der gleichnamige Stadtteil im Bezirk Camden benannt. Das 27 Hektar große Quartier war seit Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt von Industrie und Gewerbe rund um die beiden Bahnhöfe King’s Cross und St. Pancras, direkt nebenan und inzwischen auch Endpunkt der Eurostar-Linien nach Paris und Brüssel. Seit Jahren im Umbruch, ist King's Cross eines der großen Stadtentwicklungsgebiete Londons mit neuen Firmenstandorten, darunter Google und Youtube, sowie mit Shopping, Gastronomie und zum Teil exklusivem Wohnen, etwa in drei umgebauten Gasometern aus viktorianischen Gasometern. Hier, in einem fünf- bis elfgeschossigen Umfeld, hat das Londoner Büro Coffey Architects einen markanten, dreigeschossigen Bürobau mit Einzelhandel im Erdgeschoss erstellt.

Der Bau fällt neben den deutlich höheren Nachbargebäuden auf.
Das Grabendach zeigt deutlich, dass das Gebäude über die Diagonale organisiert ist.
Der Wechsel von First- und Gratpunkten erinnert an die ehemalige Lagerhallenstruktur des Quartiers.

Grundstücksform, Tageslicht, Leichtbauweise

Die Gebäudeform ist von drei wesentlichen Faktoren bestimmt: dem unregelmäßigen Grundstück, dem Bemühen um viel Tageslicht an den Arbeitsplätzen sowie durch die Lage direkt über drei historischen Bahntunneln. Letzterer Punkt erforderte eine Konstruktion in Leichtbauweise. Auch die Kriterien des britischen Nachhaltigkeitszertifikats BREEAM wurden bei der Planung berücksichtigt. Zur Optimierung von Lastabtragung und Lichtlenkung organisierten die Architekten das Gebäude mit Leichtbeton-Stahlkonstruktion über die Diagonale.

Außen wird dies an den beiden abgeschrägten Ost-Ecken des unregelmäßigen Sechseckgrundrisses deutlich, außerdem am südlich gelegenen Haupteingang, aber vor allem am charakteristischen Zickzack des Grabendachs, das schräg über den Bau gelegt an die ehemalige Lagerhallenstruktur des Quartiers erinnert. Die von drei Ansichtsseiten aus wirksamen Wechsel von First- und Gratpunkten bewirken, dass sich der vergleichsweise flache Baukörper selbst gegen benachbarte Hochhausneubauten behauptet. Innen kontrastiert eine skulpturale Treppe mit schwarzer MDF-Brüstung die hellen, weiträumigen Büroflächen mit südseitigen Loggien. Das obere Geschoss ist wesentlich von der gefalteten Deckenuntersicht bei Raumhöhen bis 6,70 Meter geprägt.

Fassade: Perforierte Aluminiumpaneele vor gläserner Vorhangfassade

Der Bürobau besitzt eine Curtain-Wall-Fassade mit bodentiefen Verglasungen und dunkelgrün verspiegelten Flächen vor den Deckenkanten. Vor diese Ebene sind geschosshohe, hell glänzende Aluminiumpaneele gehängt, die mit gleichseitigen Dreiecken in zwei Größen perforiert sind. Die CNC-gefräßten, 1,50 Meter breiten Paneele sind an den Längsseiten abgekantet und so als dreidimensionale, rund 30 Zentimeter tiefe Kassettenelemente ausgebildet. Geschossweise versetzt, sind sie auf Lücke montiert.

Die dahinterliegenden Flächen in der Verglasungsebene sind entweder transluzent oder opak gehalten und im Bereich der Loggien oberhalb einer Klarglasbrüstung offen. Die harten Schlagschatten der Dreiecksgitter werden daher je nach Sonnenstand unterschiedlich auf die Loggienböden sowie auf die Außenseiten der opaken Fassadenflächen projiziert. Bei den transluzenten Glaselementen, die ein diffuses Licht in die Räume leiten, sind sie dagegen auch an der Innenseite als präzise Muster wahrnehmbar.

Eine semitransparente Fassadenschicht findet sich vor Ort auch gut 300 Meter westlich an den sogenannten Gasholder-Apartments (Architektur: Wilkinson Eyre, 2018). Dort nehmen hochformatige, rautenförmig perforierte Metallelemente Bezug auf die alten, gusseisernen Gasometerrahmen. Die Wirkung ist allerdings eine andere: Während die Gasholder-Elemente mattgrau, flächig und textil wie eine Gardine erscheinen, werden die hell glänzenden, nicht minder filigranen Paneele am Büroneubau von Coffey Architects zur dreidimensionalen, gliedernden Struktur.

Bautafel

Architektur: Coffey Architects, London
Projektbeteiligte: Stride Treglown, London u.a. (Delivery Architects); Argent LLP, London (Development Manager); Faithful and Gould, London (Kostenplaner); Arup, London (Tragstruktur); E3 Consulting Eningeers, Bristol (TGA-Planung); FMDC, London (Fassadenplaner); Sweco, Leeds (BREEAM Assessment); Fire Surgery, London (Brandschutz); Ion Acoustics, Bristol (Akustik); Townshend Landscape Architects, London (Freiraumplanung); BAM Construction, London (Generalunternehmer)
Bauherrschaft: King’s Cross Limited Partnership, London
Fertigstellung: 2020
Standort: 22 Handyside Street, Kings Cross, London, N1C 4DN, Großbritannien
Bildnachweis: Tim Soar, London/Norfolk; Phil Coffey, London; Brendan Bell, London; Coffey Architects, London

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