Bibliothek in Medellín
Monumentale Volumen mit Schieferumhüllung
Medellín ist die zweitgrößte Stadt Kolumbiens und bekannt als Brennpunkt der Drogenkriminalität. Viele Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze, zum Beispiel im Stadtteil Santo Domingo im Nordosten Medellíns. Hier steht seit 2007 die Parque Biblioteca España von Giancarlo Mazzanti aus Bogotá. Sie war Bestandteil eines großangelegten Stadtentwicklungsplans, der u.a. mithilfe von fünf neuen Bibliotheken besonders vernachlässigte Stadteile aufwerten sollte. Architekt Mazzanti gewann gleich zwei der damals ausgeschriebenen Wettbewerbe und hat im Rückblick auf die vergangenen vier Jahre mit seiner Biblioteca España sicherlich zur Aufwertung Santo Domingos beigetragen.
Drei Volumen scheinen gleichsam aus dem Berg zu wachsen, einem Ausläufer der Anden. Sie prägen nicht nur die direkte Umgebung, sondern ganz Medellín, das ihnen quasi zu Füßen liegt. Ein durchlaufendes Geschoss dient der Verbindung, darüber sind die drei Baumassen den Funktionen entsprechend getrennt: Vom Berg aus gesehen links befindet sich eine Veranstaltungsstätte mit großzügigem Auditorium und Platz für Bürgerversammlungen, Lesungen, Filmvorführungen, Theater und Konzerte. Mittig liegt die eigentliche Bibliothek mit rund 12.000 Bänden, verteilt auf drei Ebenen und umgeben von frei zugänglichen Computerarbeitsplätzen. Das dritte Volumen rechter Hand beherbergt ein Gemeindezentrum, eine Kindertagesstätte, Klassenzimmer und einen großen Ausstellungsbereich.
Trotz ihrer exponierten Lage sind die Gebäudefassaden fast vollständig geschlossen. Der Ausblick auf das Tal soll ausschließlich vom gemeinsamen Erdgeschoss aus erfolgen, das Architekt Mazzanti als einen abgedeckten, öffentlichen Platz versteht. Innen wollte er eine Atmosphäre schaffen, die die Besucher unmittelbar nach Betreten des Gebäudes aus ihrem alltäglichen Kontext herauslöst. Warme Farben, unaufgeregtes Design und der selbstverständliche Umgang mit Medien sollen Herkunft und Stand in den Hintergrund treten lassen. Das Lernen zu ermöglichen, stand im Mittelpunkt der Planung – erleichtert durch eine ruhige Umgebung mit viel kontemplativem Licht von oben, ohne ablenkende Ausblicke. Diesem Ansinnen und der Topografie des Ortes entsprechend befinden sich in den mit Schiefer verkleideten Fassaden nur minimale Fensteröffnungen.
Schiefer
Über 23 Meter hohe Schieferfassaden umschließen die Volumen an
allen Seiten. Die Außenwände bestehen aus einer Doppelkonstruktion:
Über einer inneren, tragenden Betonstruktur dient eine
Metallkonstruktion zur Befestigung und Aussteifung der gemauerten
Natursteinfassade.
Die äußere Hülle besteht aus kolumbianischem Schiefer namens Laja aus der Nähe von Bogotá. Die Steine sind 20 cm hoch und bis zu 80 cm lang, wobei die Längen stark variieren und nur der jeweils letzte einer Lage an die Gebäudelänge angepasst wurde. Die willkürlichen Längenunterschiede verursachen bereits bei der Gewinnung des Schiefers möglichst wenig Verschnitt. Auch die Tiefe der Steine (ca. 10 cm) variiert, sie verspringen untereinander und verleihen der Fassade eine raue und lebhafte Oberfläche.
Der Architekt entschied sich für Schiefer, da dieser die beiden
wichtigsten gewünschten Charaktereigenschaften für die Fassade
vereint: Er ist als Material das Highlight des Projektes und
zugleich Bestandteil des Ortes.
Bautafel
Architekt: Giancarlo Mazzanti Arquitectos, Bogotá
Projektbeteiligte: Sergio Tobon und Alberto Aschner, Bogotá (Statik); Mayor of Medellín (Bauunternehmen)
Bauherr: Municipio de Medellín, Urban Development Corporation
Fertigstellung: 2007
Standort: Santo Domingo, Cra 33B 107A-100, Medellín
Fachwissen zum Thema
Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme, Mayen | Kontakt 02651 955 0 | www.rathscheck.de