Bibliothek der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur

Umgenutztes Industriedenkmal mit innenseitig aufgedoppelten Fenstern

Mit einer Fläche von etwa 20 Hektar ist das Winterthurer Sulzer-Areal das wohl größte und wichtigste Entwicklungsgebiet der unweit von Zürich gelegenen 100.000-Einwohner-Stadt. Das Gelände der inzwischen stillgelegten Maschinenfabrik der Gebrüder Sulzer wird in Teilen nach wie vor industriell genutzt und in anderen transformiert und neu bebaut und befindet sich nur wenige Gehminuten von Altstadt und Hauptbahnhof entfernt in bester Lage. In der ehemaligen Rohrschlosserei, 1931 entworfen von dem Winterthurer Architekten Lebrecht Völki und inzwischen als Denkmal geschützt, betreibt heute nach Umbau und Sanierung die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ihre Bibliothek.

Das hohe Hauptvolumen hat entlang der Bahntrasse eine Länge von rund 100 Metern und beherbergte hier ursprünglich drei große Werkshallen übereinander
Charakteristisch für das gesamte Bauwerk ist seine Vorhangfassade mit großflächigen, membranartigen Glasflächen und einer Bekleidung mit roten Faserzementschindeln
Die historischen Rahmen blieben, die Verglasung ist neu;  innen wurde mit einer Dreifach-Isolierverglasung eine zweite Fensterebene geschaffen

Die ehemalige Schlosserei setzt sich aus einem T-förmigen, 32 Meter hohen Werkstattgebäude und einer elf Meter hohen, kreissegmentförmigen Halle zusammen. Das hohe Hauptvolumen hat entlang der Bahntrasse eine Länge von rund 100 Metern und beherbergt hier übereinander drei große Werkshallen mit integrierten Kranbahnen. Der kürzere Querflügel nimmt die Erschließung und sämtliche Nebenräume auf. Charakteristisch für das gesamte Bauwerk ist seine Vorhangfassade mit großflächigen, membranartigen Glasflächen und einer Verkleidung mit roten Eternitschindeln.

Die Anpassung des als lokaler Zeuge des modernen Bauens geschützten Industriebaus an die Bedürfnisse einer modernen Hochschulbibliothek mit bis zu 1.500 Besuchern täglich betreuten die in Winterthur ansässigen Architekten Stefan Piotrowski und Jean-Marc Bovet vom Büro P&B Partner Architekten. Sie ließen den rauen Charakter und die funktionale und konstruktive Struktur des Stahl-Skelettbaus unangetastet. So betritt man das Gebäude nach wie vor an der den Gleisen abgewandten Seite durch den hohen Querflügel. Rechts und links davon sind in dem gekurvten Bau heute eine Cafeteria und ein Großraumbüro für die Medienbearbeitung untergebracht. Akustisch davon getrennt liegt jetzt im hinteren Bereich entlang der Bahntrasse der Lesesaal. Als sichtbarster Eingriff sind in die ursprünglich elf Meter hohen stützenfreien Räume des durchbindenden Erdgeschosses zwei von den Fassaden abgelöste Galerieebenen eingezogen worden, die sich mit ihren weißen Brüstungsbändern deutlich vom Bestand abheben. Auf der ersten Galerieebene befinden sich nun die Seminar-, Schulungs- und Gruppenräume der Bibliothek. Das zweite Galeriegeschoss, das im vorderen Bereich unter den großzügigen Oberlichtverglasungen liegt, dient als Lern- und Lesebereich für die Studierenden. Das zweite Geschoss des langen, hohen Gebäudeteils an der Bahn beherbergt jetzt sechs Hörsäle und zehn Gruppenräume und das dritte Geschoss nimmt eine offene sogenannte Lernlandschaft ein.

Die Erschließung der Obergeschosse erfolgt, wie strukturell im Altbau angelegt, über den hohen Treppenhauskern. Hier sind nun auch neue Sanitärräume und zwei Aufzüge nach heutigen Standards eingebaut worden. Weitere Fluchttreppen befinden sich an den Stirnseiten des hohen Riegels.

Bauphysik
Die Sanierung betraf neben der funktionalen Neuorganisation vor allem die Gebäudehülle und die Haustechnik. Die baulichen Maßnahmen an den Fassaden mussten strenge Denkmalschutzauflagen erfüllen und sind tatsächlich nur bei genauem Hinsehen zu erkennen. Stahlskelett und Backsteinausfachung ließ man weitestgehend unangetastet. Die alten, asbesthaltigen Eternitschindeln wurden durch neue in der gleichen Farbe ausgetauscht, wobei sich hinter der Bekleidung nun folgender Wandaufbau verbirgt: 25 mm Luftschicht, 10 mm Aerogel, 40 mm Polyurethan, 10 mm luftdichter Verputz, 120 mm Mauerwerk. Durch den neuen Wandaufbau konnte insgesamt ein Wärmschutz nach Schweizer Minergiestandard, einer geschützten Marke für nachhaltiges Bauen, erreicht werden.

Um das historische Erscheinungsbild der großen Fensterflächen trotz moderner Wärmeschutzauflagen erhalten zu können, ergänzte man auf der Innenseite großformatige, dreifach isolierverglaste Fensterelemente, die nun die eigentliche Klimaschicht bilden (siehe Fotos Abb. 4 bis 10 und 12 und Zeichnungen Abb. 22 bis 24). Auf diese Weise konnten die Rahmenprofile der historischen membranartigen Fensterbänder bestehen bleiben. Hier wurden allerdings zusätzliche Wetterschenkel montiert und nach Modellversuchen dimensionierte Zu- bzw. Abluftschlitze ergänzt (Abb. 11) sowie neue Gläser eingesetzt. Zudem gewährleisten nun Klavierbänder, dass die Fenster weiter nach außen öffenbar und besser zu reinigen sind.
   
Transluzente, aluminiumbeschichtete Rollos im Zwischenraum der beiden Schichten schützen im Sommer vor Überhitzung und ermöglichen eine optimale Ausnutzung des Tageslichts. Die Beheizung der Räume erfolgt heute nicht mehr über die Heizrohre entlang der Fenster, auch wenn diese dort belassen wurden (siehe Abb. 7 bis 9). Geheizt und gekühlt wird über die Luft; eine Steuerung verteilt die Frischluft chaotisch und ungerichtet im Raum. So vermischt sich die Zuluft gleichmäßig mit der vorhandenen Luft und die Halle wird einheitlich temperiert, ohne dass entlang der großen Glasflächen Fallkälte entsteht.

Im Brandfall kippen einige der neuen Fensterflügel automatisch nach innen, während sich die alten durch eine neue Mechanik gleichzeitig nach außen öffnen. Dadurch wird ein ausreichender Zuluftstrom für die im Erdgeschoss und im 2. Obergeschoss installierten mechanischen Entrauchungsanlagen erzeugt. Außerdem gibt es Brandmelder und eine Sprinkleranlage im gesamten Gebäude. Stützen und Träger der genieteten Stahlkonstruktion konnten so weitgehend original belassen werden. Es mussten nur einige mit Brandschutzfarbe versehen werden, die anschließend im ursprünglichen Farbton übermalt wurden.

Bautafel

Architekten: P&B Partner Architekten, Winterthur
Projektbeteiligte: Bona & Fischer, Winterthur (Bauingenieure); HL-Technik, Zürich (Haustechnik); Pro Optima, Elgg (Fassadenplanung); Zehnder und Kälin, Winterthur (Bauphysik); Air Flow Consulting, Zürich (Brandschutz); Tuchschmid, Frauenfeld (Ausführung Fassade); Vetschpartner, Zürich (Landschaftsarchitekten)
Auftraggeber: Implenia, Dietikon (Generalunternehmer)
Eigentümer: EIn Immobilienfonds der Credit Suisse
Standort: Turbinenstraße 2, 8400 Winterthur, Schweiz
Fertigstellung: 2015
Bildnachweis: Regina Piotrowski, Mark Röthlisberger, Andreas Wolfensberger, P&B Partner, alle Winterthur

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Je früher die Vorstellungen des Architekten bzw. seines Bauherrn mit den baurechtlichen Anforderungen abgeglichen werden, umso eher können Abweichungen festgestellt, ggf. Alternativen aufgezeigt oder Kompensationen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und ihres Kostenfaktors untersucht werden.

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