Bella Vista Landwirtschafts-Schule

Modulbau mit regional gefertigten Tonziegeln und hölzernem Dachtragwerk

In den Anden Boliviens, auf rund 2.800 Metern Höhe liegt etwas außerhalb der Metro­pole Cochabamba das Dorf Bella Vista. Eingebettet in die Felder von Kleinbauern befindet sich hier ein Aus­bil­dun­gs­zen­trum, das durch eine Land­wirt­schafts­schule erwei­tert wer­den sollte. Den Entwurf und die Realisierung übernahmen Architekturstudenten der Technischen Universität Berlin im Fachgebiet Entwerfen und Baukonstruktion unter Leitung von Professor Ralf Pasel nach intensiver Recherche. Das Projekt entstand aufgrund einer internationalen Kooperation mit der gemeinnützigen Organisation Fundación Cristo Vive Bolivia sowie der Universidad Mayor de San Simón in Cochabamba. Die Schule soll rund 75 jungen Menschen eine berufliche Perspektive auf dem Land eröffnen und dazu beitragen, die zunehmende Landflucht, Urbanisierung und Armut zu bekämpfen.

Das durchgehende Sheddach verbindet die gestaffelten, im Wechsel geschlossenen und offenen Gebäudeteile
Der lang gezogene Baukörper besteht aus drei gleichen, massiven Volumen, die durch seitlich offene, überdachte Zwischenzonen gegliedert sind (Nordwestansicht)
Nord- und Südfassade öffnen sich mit halbtransparenten Falt-Schiebetüren

Der eingeschossige Gebäuderiegel ist ein Massivbau aus Ziegeln, der dem leicht abfallenden Gelände folgt und sich von Norden nach Süden erstreckt. Seine Lage am östlichen Rand eines rund 4.000 Quadratmeter großen Grundstücks ermöglichte nicht nur den Erhalt einer großen Ackerfläche im Westen, sondern auch die Anbindung an eine bestehende Zufahrt im Nordosten sowie den Bau einer Erschließungsstraße zu den Nachbargebäuden im Osten. Der lang gezogene Baukörper setzt sich aus drei gleich großen Volumen zusammen, die durch seitlich offene, aber überdachte Zwischenzonen gegliedert sind. Die Bodenplatte, die aufgrund des Höhenverlaufs abgetreppt ist, und das Fundament bestehen aus Beton, die Wände sind aus Tonziegeln gemauert. Den oberen Abschluss bildet ein in der Höhe gestaffeltes Sheddach. Es ist als Holzkonstruktion ausgebildet und mit einer doppelten Lage Wellblech gedeckt.

Die drei seitlich geschlossenen Bauvolumen beinhalten je zwei Räume mit einer schmaleren Zwischenzone und einem von außen zugänglichen WC. Im nördlichen Bau sind das Sekretariat und ein Dozentenraum untergebracht, dazwischen befindet sich ein Lager. Der Mitteltrakt umfasst zwei Klassenräume, getrennt durch ein Labor. Im südlichen Trakt sind ein weiteres Klassenzimmer, ein Technik- und ein Geräteraum angeordnet. Die überdachten Höfe zwischen den drei Bauvolumen dienen der Erschließung und ermöglichen ein Zusammenschalten der anliegenden Räume: Großformatige Falt-Schiebetüren aus halbtransparenten Polykarbonat-Doppelstegplatten in schwarz lackierten Stahlrahmen lassen sich zur Seite schieben. Die schattigen Innenhöfe werden als Gemeinschafts- und Veranstaltungsbereich genutzt und schaffen einen fließenden Übergang zu den Landwirtschaftsflächen im Freien.

Das durchgehende Sheddach verbindet alle Gebäudeteile zu einer Einheit. Nord- und Südfassade sind wie die kurzen Fronten zu den Innenhöfen mit Falt-Schiebetüren aus Polykarbonat versehen. Die lange West- und Ostfassade sind – bis auf die Innenhöfe – geschlossen ausgebildet. Auch die Höfe lassen sich durch große Schiebeelemente öffnen oder abschotten; es handelt sich hier um schwarz lackierte Stahlrahmen mit einer Füllung aus Bambusrohren. Sie sorgen für Schatten und lassen doch Luft und Licht herein.

Nachhaltig Bauen
Bei der Planung und Realisierung des Gebäudes waren Aspekte des nachhaltigen und kostengünstigen Bauens entscheidend. Gebaut wurde ausschließlich mit handelsüblichen, vor Ort erhältlichen Materialien. Die Tonziegel, die ein gutes Raumklima schaffen und aufgrund großer Vorkommen an hochwertiger Tonerde in der Gegend weit verbreitet sind, stammen aus einer reaktivierten örtlichen Ziegelei. Auch das Holz für die in Eigenarbeit hergestellte Dachkonstruktionen kommt aus der Region, ebenso der schnell nachwachsende Bambus, der als lichtdurchlässiger Sonnenschutz der Innenhöfe dient.

Die Ausrichtung und Form des Gebäudes bietet Schutz vor den extremen klimatischen Bedingungen in den Anden. Die senkrechten Flächen des Sheddachs sind verglast und belichten die Räume, ohne dass es zu einer Überhitzung kommen kann. Die doppelschalige Dachkonstruktion wird durch thermische Erwärmung ventiliert, sodass eintretende Wärme direkt aus der Dachkonstruktion abgeführt werden kann. Temperaturschwankungen von über 30 Grad im Tag-Nachtverlauf werden durch die massiven Ziegelmauern ausgeglichen: Auch bei hohen Außentemperaturen sind die Klassenräume angenehm kühl; die Wärmespeicherung der Wände sorgt außerdem für relativ warme Räume am Morgen, wenn es draußen noch kalt ist. Alle Fassadenöffnungen sind zu den überdachten, verschatteten Höfen orientiert, die für eine natürliche Querlüftung und Ventilierung des Gebäudes sorgen. Solarmodule auf den geneigten Dachflächen dienen der Stromerzeugung.

Der modulare Aufbau des Gebäudes erlaubte die Realisierung in mehreren Bauabschnitten und einen flexiblen Planungs- und Bauablauf. Zudem kann das Gebäude jederzeit um weitere Module ergänzt werden. Um die Landwirtschaftsschule sozial dauerhaft in die Schul- und Dorfgemeinschaft zu integrieren, wurden künftige Berufsschüler in den Bauprozess einbezogen und eine Frauenkooperative unterrichtet, die nun ihrerseits Frauen im Baugewerbe ausbildet.

Bautafel

Architekten: Prof. Ralf Pasel, TU Berlin, Entwerfen und Baukonstruktion (CODE – Construction and Design), Berlin
Projektbeteiligte: Franziska Sack, Lorena Valdivia, Johannes Zix und Studierende der TU Berlin; Prof. Klaus Rückert, TU Berlin, (Tragwerksentwurf und -konstruktion)
Bauherr: Fundacion Cristo Vive Bolivia FCVB, Cochabamba
Fertigstellung: 2015
Standort: Bella Vista, Cochabamba, Bolivien
Bildnachweis: Andreas Rost, Berlin; Ralf Pasel, TU Berlin

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Wer nachhaltig Bauen möchte, sollte Baustoffe wählen, die aus nachwachsenden, gut recyclebaren und lange verfügbaren Rohstoffen bestehen (Bild: Wasserstrichziegel).

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Zur sozio-kulturellen Bewertung gehören ästhetische und gestalterische Faktoren, aber auch Behaglichkeit und Gesundheitsschutz (im Bild: Modernisierung eines Wohnquartiers aus den 1930er Jahren in Hamburg-Wilhelmsburg, Architektur: kfs - krause feyerabend sippel partnerschaft, Lübeck).

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Akustik-Klinker aus der Vormauerziegelserie Terca von Wienerberger

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Mauersteine

In der nördlichen Hemisphäre erzielen Südfassaden im Winter die höchsten solaren Wärmegewinne, im Sommer lassen sie sich am leichtesten gegen Überhitzung schützen (im Bild: VM Häuser in Orestad/Kopenhagen, 2005; Architektur: BIG + JSD = PLOT, Kopenhagen).

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