Anbau: Haus B//3 in Biberach

Bewegliche Haut aus Fassadenmarkisen

Die Bauaufgabe, mit der ein Bauherr in Biberach an das Team von Aretz Dürr Architektur aus Köln herangetreten war, wirkt auf den ersten Blick recht unkompliziert: Er wünschte sich eine Aufstockung für sein Einfamilienwohnhaus aus den 1970er-Jahren. Doch es kam anders. Heute blickt der Bauherr durch die Glashaut von Haus B//3 ins Tal.

Der Anbau ergänzt den verbliebenen Massivbau und ermöglicht eine Öffnung der Wohnräume zueinander.
Fassadenmarkisen bilden die äußerste Schicht der Gebäudehülle.
Die filigrane Aluminium-Pfostenriegelkonstruktion der Glashaut ist stark abgerückt von der Tragkonstruktion.

Das Bestandsgebäude, das sich nicht weit vom Zentrum der schwäbischen Kreisstadt befindet, sitzt an einem steilen Südhang. Von Nord nach Süd fällt das Grundstück auf einer Länge von dreißig Metern um zehn Meter ab. Um der Hanglage gerecht zu werden, verfügt das Einfamilienhaus über drei Splitlevel-Geschosse. Nachteilig war jedoch, dass die Räumlichkeiten über keine direkte räumliche Verbindung untereinander verfügten, da das parallel zum Hang geführte Treppenhaus als Barriere zwischen den Wohnräumen stand. Ebenso blieb der Garten weitgehend ungenutzt, weil er von Wohnhaus aus schwer zu erreichen war.

Stahlskelettbau mit maximaler Aussicht

Um die unzulängliche Struktur des Bestandes nicht fortzuführen, entschieden sich die Planer gegen eine Aufstockung. Stattdessen wurde das störende Treppenhaus abgerissen und talseitig ein verglaster Kubus in Stahlskelettbauweise angefügt. Dieser 120 Quadratmeter umfassende Anbau erweitert den verbliebenen Massivbau nach Süden und ermöglicht eine Öffnung der Wohnräume zueinander. Dank der gläsernen Hülle gelangt maximal viel natürliches Licht in den Innenraum. Zusätzlich lassen sich nun die Aussicht ins Rotbachtal und der der üppig bewachsene Garten genießen, der über bodentiefe Türen besser zugäglich ist.

Anbau mit Innenwirkung

Mit dem angefügten Bauteil veränderten die Planer zudem die Wohnstruktur des Gebäudes. Das bisherige Einfamiliendomizil wuchs zum Mehrfamilienhaus heran, mit zwei vertikal gestaffelten, autarken Wohneinheiten. Beide sind barrierefrei gestaltet und schließen jeweils ebenerdig an die Bestandsgeschosse an. Die kleinere der zwei Wohnungen befindet sich im Erdgeschoss, auf Straßenniveau. Sie besteht aus einer Wohnküche, einem Schlafzimmer, einem Arbeitszimmer, einer Diele sowie einem Bad und einem gesondertem Gäste-WC. Die größere Wohnung darunter erstreckt sich über drei zueinander versetzte Splitlevel-Geschosse. Auf diese verteilen sich drei Schlafzimmer, ein Kaminzimmer, zwei Bäder und ein neuer Wohn- und Essbereich im talseitigen Gartengeschoss.

Auch eine neue Außentreppe wurde angefügt. Sie mündet in das offene Raumgefüge und gibt einen unerwarteten Blick in den Stahlskelettbau, in den grünen Garten und ins Tal frei. Für den barrierefreien Zugang sorgt ein Aufzug, der von der bergseitigen Garage aus über alle Geschosse nach unten führt und im Gartengeschoss endet.

Vielschichtige Konstruktion

Die äußere Erscheinung des Neubaus wird von Form und Anordnung der konstruktiven Elemente geprägt: Vierzehn schlanke Stahlstützen mit einem Profil von 100 mal 100 Millimeter tragen die Geschossdecken. Das Achsraster beträgt 1,95 Meter. Die Decken sind als Verbunddecken mit 6,50 Metern Spannweite ausgeführt. Geschossweise ausgebildete Windaussteifungen in den Eckfeldern blieben sichtbar.

Abgerückt von der Tragkonstruktion umhüllt eine filigrane Pfostenriegelfassade mit eloxierter Aluminium-Oberfläche die Stahlkonstruktion. Dabei handelt es sich um eine passivhaustaugliche Hochisolationsfassade, die mit Aluminium-Einsatzflügeln kombiniert wurde. Hinter der in drei gleichhohe Sektionen geteilten Fassade sind die unterschiedlich hohen Wohngeschosse sichtbar.

Motorisierte Stoffhaut

Die dritte Ebene der Fassade bildet der textile Sonnschutz. Er besteht aus drei Reihen von perlgrauen, fast weiß anmutenden Senkrechtmarkisen. Ihre Halterungen und Seilführungen sind auffallend filigran. Tuchwelle und Antriebsmotor sind in einem rohrartigem Gehäuse untergebracht, die sich auf Höhe der Riegel der Fassadenkonstruktion befinden. 

Sind die Stoffbahnen ausgefahren, schützen sie die gläserne Gebäudehülle gegen sommerliche Überhitzung. Zugleich verändert sich das Fassadenbild: Das spiegelnde Glas verschwindet mit Ingangsetzen der Markisenmotoren vollständig hinter den matten, monochromen Textilien. Die Bahnen können – unterschiedlich weit ausgefahren – die Fassade rhythmisieren. Endzustand überziehen die Abstände zwischen den Behängen das Gebäudevolumen mit einem subtilen Raster. Sind die Fassadenmarkisen eingefahren, schützen Vorhänge im Innern vor unerwünschten Einblicken.

Die verschiedenen Ebenen und Bauteile erzeugen eine flüchtig wirkende, aber räumlich tiefe Hülle, die sich abhängig von Lichtstimmung, Tages- und Jahreszeit wandelt.

Bautafel

Architekten: Aretz Dürr Architektur, Köln
Projektbeteiligte: Metallbau Neyer, Bad Waldsee-Heisterkirch (Fassadenbau); Kurt Laux, Biberach (Estrich); maler beck, Biberach (Maler)
Bauherrschaft:
Privat
Standort: 88400 Biberach an der Riß
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Luca Claussen Fotografie, Düsseldorf (Fotos Neubau);  Aretz Dürr Architektur (Baustellfotos und Pläne)

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