Kunststeine aus Quarzwerkstoff

Neben Natursteinen und natürlichen, keramischen Rohstoffen werden Fliesen und Platten aus Kunststeinen hergestellt. Hauptsächlich sind das Quarzwerkstoffe, die auch unter dem englischen Gattungsbegriff „Engineered Stones” bekannt sind.

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Als Erfinder des Quarzwerkstoffes gilt das italienische Unternehmen Breton, welches auch der weltweit führende Anbieter der Produktionsanlagen ist. Er suchte nach einer Verwendung der Unmengen bis dahin ungenutzten Naturstein-Granulats, die bei Abbau und Verarbeitung von Naturstein anfallen. Die Quarzwerkstoffe kennzeichnet denn auch ihr hoher Anteil (mehr als 90%) an Natursteingranulat, meist aus Quarz. Hinzugemischt werden Farbpigmente und Harz. Als Bindemittel kommt zumeist das Kunstharz Polyester zum Einsatz, das die Naturstein-Granulate zu Platten verbindet. Einige Anbieter verwenden indes auch andere Harze als Bindemittel, beispielsweise Epoxydharz. Gegebenenfalls wird das Gemisch noch mit kleinen Perlmutt-, Glas- oder Spiegelstückchen angereichert werden, wodurch sich besondere Effekte erzielen lassen. Das Konglomerat wird in einem speziellen Vakuum- und Vibrationsprozess unter hohem Druck zu Platten oder größeren Blöcken verpresst und erlangt nach dem Aushärten ähnliche Eigenschaften wie Stein – jedoch mit einer höheren Funktionalität und größeren Widerstandsfähigkeit.

Quarzwerkstoffe – ein steiniger Weg
Die Geschichte der Quarzwerkstoffe begann vor etwas mehr als 40 Jahren, als findige Steinbruch­besitzer einen Weg fanden, die enormen Mengen an Bruchstein aus der Naturstein-Gewinnung nutzbar zu machen. Sie waren auf ein neuartiges Verfahren des italienischen Maschinenherstellers Breton gestoßen. Mit Hilfe des Bretonstone-Systems konnte das zuvor wertlose Natursteingranulat durch Pressvorgänge in Verbindung mit Kunstharz zu hochwertigen Steinplatten verarbeitet werden. 1968 entstand ein erstes Breton-Werk zur Herstellung großer Blöcke (max. 3,05 x 1,40 x 0,88 m), die mit Diamantgattersägen zu Platten zersägt wurden. Das Endprodukt waren kleinere Fliesen für gewerbliche Fußböden. 1985/1986 öffnete das Breton Research Centre, in dem die Quarzwerkstoffe weiterentwickelt wurden. Mit der Produktion großer Platten bis 3,30 x 1,65 m, in Stärken zwischen 9 und 30 mm, begann der Hersteller um 1995. Die ursprüngliche Blockproduktion mit anschließendem Gattern war zu dem Zeitpunkt bereits einem Verfahren gewichen, bei dem große Platten direkt wie auf einem überdimensionalen Kuchenblech „gebacken“ werden.

Während in den USA die Quarzwerkstoffe sofort auf großes Interesse stießen, taten sich europäische Architekten und Bauherren mit dem Material weitaus schwerer. Hier eroberten sich die Quarzwerkstoffe zunächst in Italien und Spanien einen nennenswerten Markt. Aber auch die Holländer, die ohnehin recht unbefangen mit neuen Materialien umgehen, erwärmten sich schnell für diese harte Form der Mineralwerkstoffe. Und selbst in Großbritannien, einem eher zurückhalten­den Markt, ist der Pro-Kopf-Verbrauch bereits mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Dennoch erfreuen sich auch hierzulande die Quarzwerkstoffe steigender Beliebtheit, allerdings mehr als Waschtisch- und Küchenarbeitsplatten denn als „normale“ Fliesen und Platten.

Dünn, dünner…
Dabei spielt gerade für das immer wichtiger werdende Modernisierungs- und Renovierungssegment die geringere Stärke der Kunststeine eine wichtige Rolle, erlaubt sie doch den Einsatz als Boden- oder Wandplatten in Bereichen, bei denen auf Grund geringer Einbauhöhen normalerweise keine Steine in Frage kommen würden. Quarzwerkstoffe erreichen wegen des zugesetzten Kunstharzes zudem eine bessere Biegebruchfestigkeit als Natursteine. Rekordverdächtig in punkto Stärke sind sechs mm starke Quarzwerkstoff-Platten – und dies bis zum Format von 3 x 1,20 m. Einen weiteren, mit 6,6 mm extrem dünnen Stein fertigen zwei italienische Mosaikanbieter. Im Bereich der Kunststeine sind dies polyestergebunde Quarz- und Granitkies- sowie Glaskies- und Glasmosaikkies-Platten. Diese Platten erreichen ebenfalls Größen von bis zu 3 x 1,20 m. Dabei sind sie zum Bruchschutz rückseitig mit einem Glasgittergewebe armiert. Außerdem wird produktionsseitig ein Marmorkies-Granulat auf der Rückseite aufgebracht, um eine bessere Haftung des Klebers bei der Verarbeitung zu gewährleisten.

Breites Einsatzspektrum
Insbesondere ob seiner unglaublichen optischen Vielseitigkeit bei geringem Gewicht und verhältnismäßig geringer Bruchgefahr haben sich die der kunstharzgebundenen Quarzwerkstoffe in verschiedenen Bereichen im Innen- und Außenraum durchgesetzt. Zu den Haupteinsatzgebieten gehören Arbeitsplatten und Waschtischablagen. Im Bad finden sie ihren Einsatz zudem in Ablagen, Fenster­bänken, Wandbekleidungen, Innentürrahmen und Möbeloberflächen.

Das flächenmäßig größte Anwendungsfeld der Quarzwerkstoffe sehen die Anbieter allerdings am Boden. Ein Grund hierfür sind die im Vergleich zum Naturstein und der Keramik größeren Plattenabmessungen bei geringeren Dicken (was sich natürlich auch erheblich auf das Gewicht auswirkt). 1,20 x 1,20 m große Bodenplatten etwa, wie sie alle Anbieter im Standardprogramm haben, empfinden viele halt als eindrucksvoller als kleinteilige Fliesen. Außerdem sind bis zu 3,00 m breite Stufenplatten im Standardprogramm der Anbieter enthalten, was bei Fliesen bisher unmöglich ist. Wegen des geringeren Fugenanteils sind die großen Platten auch bei all jenen Architekten und Planern beliebt, die nicht nur authentischen Naturprodukten den Vorzug geben. Auch ihrer angenehmen Haptik wegen sind Quarzwerkstoffe hoch im Kurs. Die Hersteller werben damit, dass die Produkte keine „Steinkälte“ vermitteln würden und stellen die ideale Eignung für Fußbodenheizungen heraus. Das Harz in den Platten fühlt sich grundsätzlich wärmer an und nimmt ankommende Wärme auch schneller an als reiner natürlicher Stein – gerade im Bad ein nicht zu unterschätzender Vorzug.

Interessant sind die Kunststeine auch wegen ihrer nahezu unerschöpflichen Farbenvielfalt. Die Palette beginnt bei traditionellen Steinimitationen und reicht über Unifarben – in teilweise sehr intensiven Farbtönen – bis hin zu ausgefallenen Fantasiedekoren. Effekte lassen sich mit Zuschlagstoffen wie Effektfolien, Spiegel-Glas, Murano-Glas oder Perlmutt erzielen.

Dichte, makellose Oberflächen
Einen weiteren Trumpf spielen die Quarzwerkstoffe mit ihrer Oberflächenbeschaffenheit aus. Da sie über die gesamte Dicke homogen aufgebaut und der steinerne Füllstoff mit Kunstharz gebunden ist, besitzen sie eine nahezu porenfreie, geschlossene Oberfläche, die keine Versiegelung benötigt, leicht zu reinigen und hygienisch ist. Zudem bleibt die Wasseraufnahme-Kapazität sehr gering. Daher verfügt das Material auch über eine hervorragende Fleckfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit. Auch in punkto Härte (5-8 auf der Mohsschen Skala) sowie Schlag-, Kratz- und Abrieb­festigkeit nehmen es die Kunststeine mit den härtesten Natursteinen auf.

Was den Quarzwerkstoffen auf der einen Seite zum Vorteil gereicht, bringt Ihnen auf der anderen Seite aber auch Nachteile ein: Das makellose Antlitz und die zum Teil unnatürlichen Farben verraten den Kunststein, selbst wenn er auf den ersten Blick wirkt wie ein Naturstein. Die Farbtonkonstanz, die durchgehend homogene Oberflächen gewährleistet, kann das lebhafte Farbspiel eines echten Natursteines mit Farbadern, Farbverläufen oder wechselnden Farbschattierungen nur unvoll­kommen imitieren. Ebenso lässt sich die Tiefenwirkung des Naturproduktes niemals erzielen.
 
Ein weiteres Problem gibt es mit der Oberflächenstruktur. 99% aller Kunst­steine werden in poliertem Zustand angeboten. Mehrere Hersteller haben daher damit begonnen, strukturierte Oberflächen herzustellen, können aber mit der Vielfalt der angebotenen Naturstein-Oberflächen längst noch nicht mithalten. Hinzu kommt das Problem der Lichtechtheit: Polyester und Epoxydharz sind keine lichtbeständigen Harze.

Verarbeitung
Erstaunlicherweise mangelt es den Kunststeinen gerade bei dem Gewerk an Akzeptanz, das am besten mit ihnen umgehen kann (könnte), den Stein verarbeiteten Handwerkern. Während Schreiner und Tischler, Boden- und Parkettleger, Raumausstatter und Maler sich seit langem mit mal mehr, mal weniger Erfolg an den Quarzwerkstoffen versuchen, halten die Fliesenleger und Steinmetze sich davon fern. Dabei könnten sie mit den Produkten möglicherweise viel bessere Margen erzielen als mit dem Naturstein, bei dem sich die Preisspirale noch weitaus schneller nach unten dreht, seit die Fernost-Produkte Deutschland überschwemmen.

Bearbeitung und Verarbeitung stellen für den im Umgang mit Stein geübten Handwerker keinerlei Schwierigkeit dar. Lediglich beim Verfugen kann es nicht schaden, sich andere Techniken als das traditionelle Einschlämmen anzueignen. Die Arbeit aus Kartusche oder Pistole etwa ist kein Hexenwerk. Je größer die einzu­bauende Platte und je kleiner der Fugenanteil, desto mehr eignet sich die direkte Einfugung. Außerdem: Wer einmal mit der bei vielen Kunststeinanbietern beliebten kunststoffvergüteten Dispersionsfuge gearbeitet hat (die übrigens auch mit dem Hartgummi-Fugbrett eingefugt werden kann), wird sie vielleicht schätzen lernen. Dank der Kunststoffvergütung lässt sich dieses Fugmaterial komprimieren und erzielt eine einzigartige Flankenhaftung. Beides ist übrigens bei den Quarzwerkstoffen vonnöten, da sie als Thermoplasten auf Temperaturdifferenzen mit Maßänderungen reagieren. Legendär ist zudem ihr „angeborenes“ Schüsselungsverhalten bei Feuchtigkeitseinwirkung, weshalb die Verklebung sehr sorgfältig durchgeführt und unbedingt die empfohlenen Produkte und Verfahren eingesetzt werden sollten.

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