Haus Flora in Taichung/RC
Kunst und Wohnen in geschachteltem Sichtbeton
Kurz nachdem das Büro Behet Bondzio Lin Architekten aus Münster/Leipzig ein Wohnhaus für Herrn und Frau Peng in Taichung hat fertig stellen können, wurde ihnen von den zufriedenen Bauherren ein anderes Ehepaar vorgestellt: Herr und Frau Tseng. Sie hatten nur 100 Meter von Haus Peng entfernt ein Baugrundstück erworben, wo sie ein Wohnhaus für sich und in den unteren Geschossen eine Galerie für ihre wachsende Kunstsammlung errichten lassen wollten. Leider ist das Haus nicht nach ihren Nachnamen, sondern nach dem Vornamen der Bauherrin benannt und heißt jetzt Haus Flora.
Gallerie
Auf dem sehr schmalen Grundstück brachten die Architekten eine Bruttogeschossfläche von ingesamt 1.570 m² unter, verteilt auf vier Geschosse. Mit einer Breite von 9 m und einer Gesamtlänge von 30 m fügt sich das Gebäude in die unmittelbar anschließende Nachbarbebauung ein. Während seine Längsseiten nahezu geschlossen sind, öffnen sich die Schmalseiten mit großzügigen Glasflächen zur Straße, zur Rückseite und zu einem abgetreppten Innenhof. Dieser grenzt direkt an den Eingangsbereich mit Galerie und Empfang und trennt den rückwärtigen Besprechungsraum mit Teeküche vom vorderen Gebäudeteil.
Als Zentrum gliedert der Hof das langgestreckte Gebäude und bringt Licht in alle Bereiche des Hauses. Von hier ist auch das prägende Element des Galerieraums zu sehen: Eine Treppe mit breiten terrassenförmigen Stufen, die in die oberen Geschoss führt und gleichzeitig den Raum gliedert. Ihre Enden ragen ein kleines Stück über die Glasfassade in den Hof hinein. Seitlich ist ein Wasserbecken angeordnet, über dem das erste Obergeschoss auskragt und auf dessen Unterseite sich das Wasser spiegelt. Am Ende des gestreckten Baukörpers befindet sich ein Wasserfall, der dem Haus einen klaren Abschluss gibt und die Geräusche der Stadt neutralisiert. Das Wasser fließt entlang der Betonwand in ein Poolbecken.
Die Haupterschließung des Gebäudes erfolgt über eine seitlich gelagerte, sehr schmale einläufige Treppe mit imposanter Tiefenwirkung. Sie ist in einem Betonkern untergebracht und zieht sich über die gesamte Gebäudelänge über alle vier Geschosse. Um Platz für die notwendigen Elektroinstallationen zu erhalten, sind beide Seiten mit weißen Trockenbauwänden verkleidet. Andere Wandflächen im Gebäudeinneren sind verputzt. In der Galerie haben die Architekten Regalsysteme für die Ausstellungsstücke in Wandnischen integriert, die in ihrer Ausformung selbst Kunstwerken gleichen.
Im ersten Obergeschoss befinden sich der Wohn- und Arbeitsraum, im zweiten vier Schlafräume und die Bäder. Ein weiterer Wohnraum mit Terrasse ist im obersten Geschoss angeordnet. Von jedem Raum ist der Innenhof zu sehen. Mit der raffinierten Schichtung privater und öffentlicher Räume, der Anordnung der Wasserflächen, Treppen und Terrassen haben die Architekten ein spannendes Bauwerk geschaffen, das auf den ersten Blick so einfach schien.
Beton
Ausgeführt ist das Gebäude ganz und gar in Sichtbeton.
Im unteren Gebäudeteil sind die einschaligen Wände 55 cm dick und
aus Ortbeton in außergewöhnlich hoher Qualität
hergestellt. Nach oben hin reduzieren sich die Wanddicken auf 40
cm. Die Schmalseiten des Gebäudes bestehen aus
Pfosten-Riegel-Glasfassaden, die geschosshoch zwischen die
Betonwände gestellt wurden.
Planer und Bauleiter in Personalunion Yu-Han Michael Lin
beabsichtigte einen glatten, feinporigen Beton zu verwenden, um die
Wände möglichst homogen wirken zu lassen. Er entschied sich für
einen klassischen Portlandzement, der keiner besonderen Rezeptur
folgt. Um die offenporige Struktur zu schließen, wurden die
Oberflächen im Sprühverfahren mit Epoxidharz
ähnlicher Materie veredelt. Als Schalung kam
eine nicht saugende Finnland-Schalung zum Einsatz, die mit ihrer
kleinteiligen Struktur die Oberfläche lebendig erscheinen
lässt.
Bautafel
Architekten: Behet Bondzio Lin Architekten, Münster/Leipzig
Projektbeteiligte: Yu-Han Michael Lin (Bauleitung)
Bauherrin: Flora Tseng
Standort: Taischung, Taiwan
Fertigstellung: 2009
Bildnachweis: Christian Richters, Münster
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