Deutsches Elfenbeinmuseum in Erbach
Rot illuminierte Stege und Lichtinsel-Vitrinen
Elfenbeinschnitzerei war eines der wenigen Kunsthandwerke, das
zu erlernen auch unter Adeligen beliebt war. Zu ihnen gehörte Franz
I. von Erbach-Erbach, den der tierische Rohstoff so faszinierte,
dass er die Elfenbeinschnitzerei aus Wien in seine heimatliche
Grafschaft mitbrachte. Fortan etablierte er im Städtchen Erbach im
Odenwald eines der bedeutendsten europäischen Zentren für das
exotische Kunsthandwerk. Bis heute sind einige Werkstätten in
Betrieb. Folgerichtig hat hier auch das Deutsche
Elfenbeinmuseum seinen Sitz. Im Zuge eines Umzugs in das
historische Erbacher Schloss wurde nach Plänen von Sichau & Walter
Architekten eine Museumsarchitektur realisiert, die die kostbaren
kleinen Objekte auf außergewöhnliche Weise inszeniert.
Gallerie
Das Museum hat die ehemaligen Wirtschaftsräume im Erdgeschoss
des Barockbaus bezogen. Die sieben Räume befanden sich in einem
seit dem 19. Jahrhundert unsanierten Zustand. Sechs verschiedene
Bodenniveaus und marode Außenwände machten die Umwandlung der 450
Quadratmeter großen Fläche in einen Ausstellungsort zu einer
Herausforderung, der die Planer mit einer kühnen
Ausstellungsarchitektur begegneten: Ein mit rotem Leder bezogener
Steg führt die Besucher in einigen Schleifen um frei stehende
Glasvitrinen, in denen ausgewählte Exponate präsentiert werden. In
den Parcours integriert wurden zudem drei Sonderräume: In einem
Vorraum, der Black Box, wird zunächst der historische Kontext der
Sammlung abgehandelt. Die sogenannte Schatzkammer in der Mitte der
Ausstellung ist ein durch historische Holzvitrinen begrenzter Raum,
in dem eine Fülle von Objekten einen Eindruck vom tatsächlichen
Umfang der Sammlung vermittelt, von der nur ein Bruchteil in der
Ausstellung zu sehen ist. Eine Installation aus unbearbeiteten
Stoßzähnen beendet den Rundgang und regt zur Reflexion über
die Herkunft des Materials an.
Beleuchtung
Die Ausstellungsräume gestalteten die Planer nach dem Konzept
„Kunsterfahrung statt Kunstvermittlung“. Dabei wird auf erläuternde
Texte, Audioguides oder dergleichen verzichtet. Stattdessen sollen
sich die Betrachter auf die eigene Perzeption einlassen. Das
Lichtkonzept unterstützt diesen pädagogischen Ansatz: Die dunkle
Farbgebung blendet die Raumschale fast vollständig aus und
verschwindet hinter dem rot illuminierten Parcours und den hell
strahlenden Vitrinen.
In die Aufkantung der kniehohen Balustraden des Stegs
integriert, beleuchten LED-Bänder den Parcours zu beiden Seiten mit
indirektem, rotem Licht, sodass dieser zum sprichwörtlichen roten
Faden wird. Die Vitrinen sind Lichtinseln, die wie der Steg selbst
in der verschleierten Raumdisposition zu schweben scheinen.
Beleuchtet werden die Objekte durch Miniaturstrahler mit eng- und
mediumstrahlender Optik, die unauffällig am oberen Vitrinenrand
montiert sind. Darüber hinaus werden die Glasscheiben durch
kanteneingespeistes Licht aus dem Sockel heraus beleuchtet, was
ihre Ränder grün schimmern lässt und den Objekten eine zusätzliche
Rahmung verschafft. Im unteren Drittel sind die Verglasungen
satiniert und verhüllen die Objektträger. Es entsteht der Eindruck,
die grazilen Elfenbeinstatuetten stiegen aus einer Nebelbank
auf.
Bautafel
Architekten: Sichau & Walter Architekten, Fulda (Innenarchitektur)
Projektbeteiligte: Licht Kunst Licht, Bonn / Berlin (Lichtplanung); Ingenieur-Planungsgesellschaft Dries + Liebold, Rüdesheim am Rhein (Elektroplanung)
Bauherr: Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Seligenstadt
Fertigstellung: 2016
Standort: Marktplatz 7, 64711 Erbach
Bildnachweis: Cyrille Lallement, paris; Luc Boegly, Paris; Hubert Berberich (HubiB) / Wikimedia Commons