Wohnhaus in Bad Aibling
Energie aus Sonne und Holz
In keinem Fall sollte es ein Haus von der Stange sein – so der Wunsch der Bauherrenfamilie Gehring, die im bayerischen Bad Aibling ihr neues Zuhause plante. Patrick Gehring, selbst Bauingenieur, hat bereits erfolgreich mehrere Holzbauprojekte begleitet. Daher fiel die Entscheidung für einen Neubau, vorrangig aus Holz, leicht. Mehr noch sollten die natürlichen Eigenschaften dieses Werkstoffs umfänglich genutzt werden. Sowohl Wände und Decken als auch die Vollholzfenster und Innentüren wurden dementsprechend leimfrei aus mondgeschlagenem Holz verbunden. Konsequenterweise wird auch die Heizgrundlast durch einen Pelletofen in Kombination mit einer Solarthermieanlage gedeckt.
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Das Büro Pfanzelt Architekten aus Lechbruck am See entwarf einen Baukörper mit zwei Vollgeschossen und einem flach geneigten Satteldach, der sich an vielen Stellen über raumhohe, breite Fenster zur Nachbarschaft öffnet. Vertikale Holzlatten bilden die Fassade aus. Das Obergeschoss erhielt durch plastisch hervortretende, schmale Hölzer eine lebendige Strukturierung; diese werden zum Teil vor den Fensterflächen weitergeführt und fungieren so als Sicht- und Sonnenschutz. Ein kupferfarbener, schmaler „Gürtel“ trennt die Geschosse optisch und fasst zugleich die Dachkante der Garage. Einen Witterungsschutz für die Fassaden aus Bergfichte und Tanne bildet die natürliche Vergrauung der Hölzer. Damit der Vergrauungsprozess möglichst einheitlich stattfindet, wurde die Fassade – sehr zum Erstaunen der Passanten während dieser Bauphase – regelmäßig gewässert.
Vollständige Rückbaubarkeit als Ziel
Gemeinsam mit den Architekt*innen und dem Südtiroler Holzbauunternehmen Holzius verfolgte die Familie außerdem das Konzept, dass alle Materialien in dem Neubau möglichst natürlich, nachhaltig und vollständig rückbaubar sein sollen. So kam beim Fensteranschluss etwa Schafwolle anstelle von PU-Schaum zum Einsatz, zudem sind die reinstofflichen Vollholzelemente mittels traditioneller Techniken kraftschlüssig miteinander verbunden. Die Atmosphäre im Innenraum ist somit vornehmlich von natürlichen, unbehandelten Holzoberflächen geprägt.
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Das zweite raumprägende Material ist Beton, genauer gesagt zwei Stahlbetonwände im Zentrum des Hauses, die zur Aussteifung dienen und zwischen denen die Treppe angeordnet ist. Eine Herausforderung beim Bau war die Verbindung zwischen beiden: Da die Holzelemente größtenteils flächenbündig an die Betonwände angeschlossen werden sollten, war eine hohe Maßgenauigkeit mit einem Toleranzbereich nötig, der sich im Bereich von weniger als 5 mm bewegt.
Als Bodenbelag kam ein geglätteter Sichtestrich zur Ausführung. Alle Holzoberflächen im Innenraum sind weitestgehend natürlich belassen und wurden lediglich mit Holzseife behandelt.
Energie aus Sonne und Holz
Neben dem Einsatz nachhaltiger Baumaterialien hat die Bauherrenfamilie besonderes Augenmerk auf die Wärmeenergieerzeugung gelegt. Rund dreißig Prozent des Bedarfs werden von einer thermischen Solaranlage auf dem Dach gedeckt, eine PV-Anlage gibt es nicht. Die Solaranlage ist mit CPC-Kollektoren (Compound Parabolic Concentrator) ausgestattet. Sie sind mit speziellen Reflektoren versehen, durch die auch flach einfallende Sonnenstrahlen effizient genutzt werden können. Besonders in den Übergangszeiten, in der bis zu achtzig Prozent der Sonnenstrahlen schräg einfallen, ist dies vorteilhaft. Die Kollektoren sind mit einem 1.000 Liter fassenden Pufferspeicher kombiniert.
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Für die Grundlast von Heizung und Warmwasser sorgt ein Pelletkessel mit elektrostatischem Staubabscheider, bei dem Sprühelektroden mit einer Hochspannung von bis zu 30 kV die feinen Staubpartikel ionisieren, wodurch sie an der Abscheidefläche als Staubschicht anhaften und mechanisch entfernt werden können. Die sogenannte Sturzbrandtechnik, bei der der Abbrand nach unten erfolgt, verbrennt die Holzpellets mit einer Flammenspitzentemperatur bis zu 1.200 °C, wodurch eine restlose Verbrennung sowie eine hohe Reduktion der Kohlenstoffmonoxid-Emissionen ermöglicht werden. Mittels Fußbodenheizung erfolgt die Übergabe der Heizwärme an den Raum. Die massiven Betonwände dienen außerdem als Wärmespeicher.
Insgesamt wurden 50 m³ Vollholz-Wandelemente und 22,5 m³ Vollholz-Decken- und Dachelemente verbaut, was gegenüber einem konventionellen Bau rund 60 Tonnen CO₂ einspart. So erreicht das Gebäude einen errechneten Endenergiebedarf von 67 kWh/m²a sowie einen Primärenergiebedarf von 16 kWh/m²a. -tg
Bautafel
Architektur: pfanzelt architekten, Lechbruck am See
Projektbeteiligte: Holzius Vollholzhaus, Prad am Stilfserjoch (Planung Holzhaus); Holzbau Wörndl, Eggstätt (Planung Holzhaus und Montage)
Bauherr*in: Privat
Fertigstellung: 2022
Standort: Dahlienweg, 83043 Bad Aibling
Bildnachweis: Dirr Günter, Innsbruck
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