Pressehaus am Alexanderplatz in Berlin
Thermisch optimierte Isolierverglasungen mit Warmer Kante
Vom Abriss bedroht, 2015 unter Denkmalschutz gestellt und
anschließend jahrelang vernachlässigt: Das Berliner Pressehaus am
Alexanderplatz blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Erbaut
wurde es zwischen 1970 und 1973 nach Plänen eines sozialistischen
Architekturkollektivs unter Leitung von Karl-Ernst Swora als
Haus des Berliner Verlages. Lange Zeit war seine Zukunft
ungewiss; nun ist die Hochhausscheibe als Architekturikone der
sozialistischen Moderne erhalten und bis 2022 unter
Denkmalschutzauflagen von Gerkan, Marg und Partner (gmp) saniert
und um einen Neubau erweitert worden.
Gallerie
Ungewisse Existenz des Ensembles
Das Hochhaus an der
Karl-Liebknecht-Straße war mit seinen 17 Geschossen als bauliche
Entgegnung der DDR-Regierung zum Bau des Axel-Springer-Hochhauses
im Berliner Westen entstanden. Nach dem Mauerfall sollte es –
ebenso wie weitere Hochhäuser der DDR-Moderne – abgerissen werden
und neuen Hochhäusern aus dem großangelegten Wettbewerbsentwurf von
Kollhoff & Timmermann weichen. Im Laufe der 90er-Jahre kam es doch
zu einer Sanierung, bei der das Ensemble allerdings einiges an
ursprünglichem Charakter verloren hatte: die kennzeichnenden,
vertikalen Lisenen an der Fassade wurden entfernt, sodass die
Gebäudehülle eine horizontale Struktur erhielt. Das ehemalige
Pressecafé an der südwestlichen Schmalseite des Pressehauses war
zudem von einem Steakhouse bezogen worden, das den prägenden
Emaille-Fries von Willi Neubert mit einem Werbebanner
überdeckte.
Gallerie
Rückgewinnung der ursprünglichen Qualität
Unter der
Leitung des Entwicklers Tishman Speyer wurde 2017 bis 2021 nach
Plänen von gmp eine umfassende Sanierung des Bestands sowie die
Realisierung eines gläsernen Neubaus durchgeführt. Dabei wurde das
Ensemble am Alexanderplatz in drei Einzelprojekten geplant und
umgesetzt. Ziel war die denkmalgerechte Sanierung, Restaurierung
und Arrondierung in das städtebauliche Umfeld, das in den kommenden
Jahren zu einem Hochhausstandort weiterentwickelt werden soll.
Im ersten Bauabschnitt wurde die 92 Meter lange Hochhausscheibe des Pressehauses mit Büro- und Gewerbeeinheiten bei laufendem Betrieb saniert. Dabei erhielt der Stahlskelettbau seine ursprüngliche Fassadenstruktur zurück – mit den vertikalen, weit auskragenden und weißen Aluminium-Paneelen als Brise Soleil, die bei der Sanierung in den 90er-Jahren entfernt worden waren. Zudem erhielt der Bau ein neues Vordach und die Erdgeschossfläche wurde vergrößert. Der Innenausbau aus den 90er-Jahren wurde vollständig entfernt und durch offene Raumstrukturen ersetzt. Auch die Haustechnik ist gänzlich erneuert worden und hängt sichtbar unterhalb des Rohbaus von der Decke.
Gallerie
Freilegung des historischen Emaille-Fries
Auch der Flachbau des ehemaligen Pressecafés wurde einer denkmalgerechten Sanierung unterzogen; in diesem Zuge wurde das bildgebende 76 Meter lange und 3,50 Meter hohe Außenfries mit dem Schriftzug „Die Presse als Organisator“ wieder freigelegt. Zusammen mit den Friesen am Haus des Lehrers und am Haus des Reisens von Walter Womacka diente es zur Erbauungszeit der Darstellung des sozialistischen Fortschritts im Stadtbild Berlins. Das Erdgeschoss wurde in enger Abstimmung mit dem Denkmalamt sowie dem Baukollegium des Senats mit einer Glasfassade versehen, um den Straßenraum zu harmonisieren und die Fläche als zusätzlichen Innenraum für das Pressecafé nutzen zu können.
Gallerie
Ergänzender Neubau mit effizienter Glasfassade
Als
weiterer Eingriff wurde das Bestandsgebäude in der rückwärtigen
Kleinen Alexanderstraße zurückgebaut. Es war das schwächste Glied
des historischen Ensembles und ließ sich aufgrund eines
halbgeschossigen Versatzes zum angrenzenden Bestands nicht sinnvoll
in die Nutzung integrieren. Diesen Bestand ersetzt nun das
siebengeschossige New Podium mit rund 13.000 Quadratmetern
Bürofläche. Im Erdgeschoss und erstem Obergeschoss sind Hochhaus
und New Podium zu einer gemeinsamen Nutzungseinheit verbunden. Der
Entwurf orientiert sich an den Nachbargebäuden und antwortet
gestalterisch mit einer zeitgenössischen Interpretation der
vertikalen Fassadenstruktur der Hochhausscheibe. Die oberhalb der
Traufhöhe doppelt geneigten Dachflächen und das Spitzdach
vermitteln zudem zwischen dem spätmodernen Ensemble am
Alexanderplatz und dem benachbarten Scheunenviertel mit seiner
kleinteiligen, dorfähnlichen Struktur.
Für die Fassade des New Podiums sind hochselektive und
absturzsichernde Sonnenschutzverglasungen als
2-fach-Isolierverglasungen zum Einsatz gekommen. Der Glasaufbau
besteht außenseitig aus 10 mm bzw. 12 mm dreifach
silberbeschichtetem Einscheibensicherheitsglas (ESG) und Verbundsicherheitsglas (VSG) auf der Innenseite.
Der Randverbund ist als Warme-Kante-System ausgebildet. Die
Verglasungen bieten eine hohe Tageslichttransmission bei einem
niedrigen Gesamtenergiedurchlassgrad und einer besonders
farbneutralen An- und Durchsicht aus jedem Betrachtungswinkel.
Speziell bei diesem Projekt waren neben der Vielzahl an
unterschiedlichen Modellgläsern außerdem die Abmessungen und
Glasgewichte – Es kamen großformatige Gläser mit Maßen bis zu 2,80
x 7,70 Metern und einem Gewicht von 1.600 kg zum Einsatz.
Bautafel
Architektur: gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Berlin
Projektbeteiligte: TGA Heimann Ingenieure, Berlin (Haustechnik); HBI Ingenieure, Berlin (Tragwerksplanung); Knippers Helbig, Stuttgart (Fassadenplanung); hppberlin Ingenieure für Brandschutz, Berlin (Brandschutz); SMV Bauprojektsteuerung Ingenieurgesellschaft, Berlin (Projektstuerung); bmb Baumanagement, Berlin (Bauleitung); seele, Gersthofen (Fassadenbau); Interpane, Lauenförde (Verglasungen); Edgetech, Heinsberg (Warme-Kante-Abstandhalter)
Bauherr/in: Tishman Speyer Properties Deutschland, Frankfurt am Main
Fertigstellung: 2022
Standort: Karl-Liebknecht-Straße 29, 10178 Berlin
Bildnachweis: gmp Architekten; Marcus Bredt
Fachwissen zum Thema
Bauwerke zum Thema
BauNetz Wissen Glas sponsored by:
Saint-Gobain Glass Deutschland