Spontanbruch von ESG durch Nickelsulfid-Einschluss
Ein spezielles Problem von Einscheibensicherheitsglas (ESG) ist der sogenannte Spontanbruch durch Nickelsulfid-Einschlüsse. Diese Einschlüsse werden durch kaum vermeidbare Verunreinigungen der Glasschmelze durch Nickelsulfid (NiS) beim Herstellungsprozess verursacht und haben die unangenehme Eigenschaft, sich im Laufe der Zeit durch die Phasenumwandlung von α-NiS in β-NiS im Volumen um ca. 4 % zu vergrößern. Hinzu kommt, dass der größere Temperaturausdehnungskoeffizient von Nickelsulfid gegenüber Glas bei Temperaturerhöhungen zu inneren Spannungen führt. Trifft diese lokale Spannungserhöhung nun mit der – infolge des Vorspannprozesses vorhandenen – hohen Zugspannung im Glasinneren zusammen, kann es zu einer Überschreitung der Glasfestigkeit und damit zu einem sogenannten Spontanbruch kommen.
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Charakteristisch ist häufig ein Bruchbild mit zwei größeren schmetterlingsförmige Bruchstücken im Bereich des Bruchursprungs, in dessen Mitte sich der Einschluss befindet (engl. cat eye). Der Bruchursprung liegt in der Regel bezogen auf die Scheibendicke im Inneren der Scheibe, also in der Zugzone. Die Einschlüsse können durch mikroskopische Untersuchungen nachgewiesen werden.
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Heißlagerungstest vermeidet Spontanbruch im Einbauzustand
Eine sehr wirksame Maßnahme gegen das Auftreten von Nickelsulfid-Spontanbruch in ESG aus Kalk-Natron-Silikat ist die erneute Wärmebehandlung des ESG im sogenannten Heißlagerungstest (engl. heat-soak-test). Nach DIN EN 14179: Glas im Bauwesen - Heißgelagertes thermisch vorgespanntes Kalknatron-Einscheibensicherheitsglas muss heißgelagertes ESG über einen mehrstündigen Zeitraum bis auf höchstens 300 °C erwärmt und über zwei Stunden Haltezeit gelagert worden sein. Hierbei wird das NiS-Wachstum erheblich beschleunigt, sodass ein eventueller Spontanbruch schon im Heißlagerungsofen auftritt.
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Entscheidend für die Wirksamkeit des Testes ist, dass das Temperaturniveau über einen Zeitraum von mindestens zwei Stunden tatsächlich an jeder Stelle der Scheibe erreicht wird. Der Abstand zwischen den Scheiben während der Heißlagerung darf daher nicht zu eng gewählt werden. Deshalb ist es sinnvoll, die Heißlagerungsöfen bei üblicher Beladung zu kalibrieren und dabei eine Temperaturmessung auf der Glasoberfläche durchzuführen.
Bei Borosilicatgläsern ist die Möglichkeit einer Nickelsulfid-Bildung aufgrund produktionstechnischer Randbedingungen und der Zusammensetzung des Glases erheblich geringer (10000-fach) und die Versagenswahrscheinlichkeit durch Spontanbruch hinreichend klein.
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Produktbezogene Anforderungen an ESG-Produkte
In DIN
18008 wird zwischen drei ESG-Produkten unterschieden:
- ESG nach DIN EN 12150
- Heißgelagertes ESG nach DIN EN 14179
- Heißgelagertes ESG mit Fremdüberwachung nach DIN EN
1990
mit Zuverlässigkeitsklasse RC2, z.B. ESG-HF nach RAL-GZ 525
Anwendungsbezogene Anforderungen an ESG-Produkte
Bei
der Anwendung von heißgelagertem ESG galt bis 2018 die nationale
Bauregelliste A des DIBt. Mit Inkrafttreten des
Urteils C-100/13 des Europäischen Gerichtshofs von 2018 wurde die
nationale Zusatzanforderung für heißgelagertes ESG, bis zu dem
Zeitpunkt offiziell als ESG-H bezeichnet, für unzulässig
erklärt. ESG-H gibt es als deutsche Besonderheit daher nicht mehr.
Anstelle der Bauregelliste trat für die anwendungsbezogenen
Vorgaben die Muster Verwaltungsvorschrift Technische
Baubestimmungen (MVVTB) in Kraft.
Nach der Muster Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen
(MVVTB) und der DIN 18008 gelten folgende Einbauvorgaben für die
drei ESG-Produkte:
- ESG und heißgelagertes ESG darf nur eingebaut werden, wenn deren Oberkante höchstens vier Meter über Verkehrsflächen liegt
- Heißgelagertes ESG mit Fremdüberwachung, z.B. ESG-HF nach RAL-GZ 525 kann ohne Einschränkung der Einbauhöhe eingesetzt werden
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Zusammenfassung
Laut den Verwaltungsvorschriften
Technische Baubestimmung VVTB ist der Einsatz von ESG und
heißgelagertem ESG – als monolithische Einfachgläser und als äußere
monolithische Scheibe einer Mehrscheibenisolierverglasung – nur
dann möglich, wenn deren Oberkante weniger als vier Meter über
einer Verkehrsfläche liegt.
Heißgelagertes ESG kann ohne Begrenzung der Einbauhöhe dann
verwendet werden, wenn eine Zuverlässigkeitsklasse RC2 mit dem
Zuverlässigkeitsindex ß ≥ 4,7 für Bezugszeitraum 1 Jahr eingehalten
wird. Nach DIN EN 1990/NA:2010-12 wird diese Zuverlässigkeit durch
eine Fremdüberwachung durch eine unabhängige Überwachungs- und
Zertifizierungsstelle (PÜZ) eingehalten (z.B. nach RAL-GZ 525:
ESG-HF).
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