Rathaus und Bürgerzentrum in Strullendorf
Anthrazitfarbene Sichtbeton-Fertigteile für Fassade und Steildach
Gallerie
Der erste Hinweis soll dem Ortsnamen gelten: Er ist
aristokratischen Ursprungs und leitet sich von dem fränkischen
Edelfreien Strollo ab, der hier einst ein Dorf gründete. Heute,
viele hundert Jahre später ist Strullendorf im bayerischen
Oberfranken eine kleine Gemeinde mit rund 7.800 Einwohnern, die
nach dem Abzug der US Armee vom nahen Militärgelände in Bamberg
ihre Identität neu stärken muss.
Ein erster Schritt zur baulichen und funktionalen Verbesserung des
Ortskerns war die Entscheidung, das in einem ehemaligen Schulhaus
untergebrachte Rathaus zu erweitern und zum sozialen und
kulturellen Mittelpunkt der Gemeinde zu machen. 2010 wurde hierzu
ein Wettbewerb ausgelobt, den die Architekten Stephan Häublein und
Johannes Müller mit ihrem Büro H2M aus dem nahen Kulmbach
gewannen.
Der 1909 als Schule geplante Sitz der Gemeindeverwaltung war zwar
schon mehrfach umgebaut worden, bot aber insgesamt zu wenig Platz
und war auch nicht barrierefrei. Das zweigeschossige Gebäude, plus
Dach- und Kellergeschoss, mit einem giebelständigen Kopfbau und
einem leicht versetzten traufständigen Teil wurde zunächst
energetisch saniert und umgebaut. Die Erweiterung, die insbesondere
einen großen Ratssaal beherbergen sollte, verlängert den
traufständigen Part kontinuierlich und um ein analoges Volumen.
Aber trotz gleicher Bauflucht, gleicher Höhe und gleicher
Satteldachform wurde aus der Neuartigkeit der Erweiterung kein Hehl
gemacht. Der weiß verputzten Lochfassade des Bestandsgebäudes
stellten die Architekten eine neue anthrazitfarbene Betonfassade
mit wenigen frei platzierten großen Öffnungen zur Seite. Die größte
Öffnung ist eine raumhohe Übereck-Verglasung im Nordwesten als
deutliche Geste an die Bewohner der Gemeinde, hier ihr neues
Bürgerzentrum zu betreten. Dessen Erdgeschoss ist Foyer,
Informationsschalter und Einwohnermeldeamt in einem. Seitlich
hinter einer Wand führt eine einläufige Treppe hinauf in das 1.
Obergeschoss mit dem neuen Rats- und Veranstaltungssaal, der bis
zum First
reicht.
Der Bestandsbau wurde saniert und über seinen Mittelflur auf allen
drei Geschossen – hier wird auch das Dachgeschoss genutzt – nahtlos
mit dem Neubau und damit mit dem neuen Aufzug verbunden. Seine
Fassade erhielt eine Außendämmung mit gefilztem, hellem Putz und
neue Holzfenster, die Satteldächer erhielten schwarze Ziegel, die
ein homogenes Deckbild erzeugen.
Dach
Das Satteldach des Erweiterungsbaus verlängert das
mit 42° steil geneigte Dach des Bestandsgebäudes kontinuierlich mit
durchgehender Trauf- und Firstlinie. Allerdings ist es anders
konstruiert und gedeckt: Weil für den Neubau insgesamt eine
monolithische Erscheinung angestrebt wurde, sind seine Fassaden-
und Dachflächen im Material identisch. Große Anthrazitgrau
eingefärbte Betonfertigteile – vier Stück pro Wand- und Dachfläche,
nur drei für die Giebelwand – bilden seine äußere Hülle, einen
Dachüberstand gibt es nicht. Die Betonfertigteile haben an ihrer
Oberfläche sichtbare Granulate, die nach dem Ausschalen mit Wasser
offen gelegt wurden. Zuvor war durch die Zugabe eines
Kontaktverzögerers die Zementschlämme am Aushärten gehindert
worden. Für die dunkelgraue Farbe sorgen Eisenoxide. Die
kastenförmigen Dachrinnen aus Aluminiumblech sind bündig mit
Nutfräsung in die Sichtbeton-Fertigteile eingefügt und bleiben
damit unsichtbar. Anthrazitgrau beschichtet sind auch die
Aluminium-Holzfenster, von denen eines als vierteiliges Dachflächenfenster ausgebildet ist, sowie die
Schneefanggitter.
Dachaufbau von außen nach innen (Umkehrdach):
- 140 mm Sichtbeton-Fertigteile
Stahlprofil-Unterkonstruktion mit justierbaren Schraubbolzen, Oberfläche anthrazit gesäuert mit offenen Fugen - 40 mm Hinterlüftung
- 180 mm Wärmedämmung
alubeschichtete Dämmpaneele aus PUR/PIR-Hartschaum, Wärmeleitgruppe 035, vollflächig auf der Abdichtung verklebt - Dachabdichtung 2-lagig,
1. Schweißbahn beschiefert, 2. Kaltselbstklebebahn mit Voranstrich aus Bitumen-Emulsion - 220 mm Tragkonstruktion aus Ortbeton
innenseitig teilweise Sichtbeton Klasse 4
Bautafel
Architekt: H2M Architekten und Stadtplaner, Kulmbach
Bauherr: Gemeinde Strullendorf
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Klaus Schulz, Memmelsdorf (Statik); HLS Ecoplan, Bamberg (Technische Gebäudeausrüstung); Ecoplan, Lichtenfels (Lichtplanung); LSA Grabner + Huber, Freising (Landschaftsarchitektur); Otto Heil, Eltingshausen (Rohbau), Hemmerlein, Bodenwöhr (Sichtbeton); Andreas Amon, Strullendorf (Zimmerer)
Fertigstellung: 2014
Standort: Forchheimer Straße 32, 96129 Strullendorf
Bildnachweis: Dieter Leistner, Würzburg