Gästehäuser eines Winzers in Longuich

Schiefer als Vormauersteine

Kleine Häuser mit flach geneigten Satteldächern, errichtet aus ortstypischen Materialien: Die Gästehäuser der Winzerfamilie Longen-Schlöder sollen die Stärken der Mosellandschaft hervorheben, ohne zu romantisieren. In lockeren Reihen stehen sie auf dem Gelände des Weingutes in Longuich, einer Ortschaft, die sich als Teil der Römischen Weinstraße dem kurvigen Flussverlauf anpasst. Entworfen hat sie der Mailänder Architekt Matteo Thun, die Ausführungsplanung und Bauleitung lagen bei den regional ansässigen Architekten Stein Hemmes Wirtz.

Verblendmauerwerk: Die große Vielfalt der Abmessungen verstärkt Assoziationen zu Weinbergsmauern
Die Erschließung erfolgt über die Terrasse
Die Winzerhäuschen stehen einzeln, im Doppelpack oder als Sechserblock im Obstgarten der Winzerei

Einzeln, im Doppelpack und als Sechserblock verteilen sich die Winzerhäuschen in vier Reihen im 6.500 m² großen Obstgarten. Sie bieten Raum für 20 Apartments mit kleinen Terrassen und von Himbeerhecken eingefassten Gärten. Als Schattengarten, Kräuter-Bauerngarten, Rosengarten oder Obstgarten orientieren sich diese nach Nordosten oder Südwesten.

Jedes der 20 m² großen Häuser beinhaltet einen Wohn-/Schlafraum mit Doppelbett und ein abgetrenntes Bad. Die Erschließung der Gästezimmer erfolgt über die Terrasse, das Bett befindet sich gegenüber der Eingangstür. Tageslicht gelangt vorwiegend durch die doppelten Glastüren hinein; nur die freistehenden Einzel- und Doppelhäuser verfügen über ein kleines Fenster an der Längsseite. Die übrigen Wände sind geschlossen, um die Massivität der Baukörper zu erhöhen.

Schiefer als ortstypisches Material der Weinbergmauern verblendet die spärlich durchbrochenen Außenwände und dient als Dachdeckung. Das zweite charakteristische Material ist Holz: So sind die Terrasse, der Bodenbelag, die Fenster, Klappläden und alle eingestellten Möbel aus Eichenholz gefertigt. Von ihrem Bett aus können Gäste die direkte Aussicht in die Weinberge und den Obstgarten genießen.

Matteo Thun plante die Winzerhäuser so, dass die Transportwege für Baumaterialien, der CO₂-Ausstoß und der Müll minimiert werden konnten. Der Schiefer stammt weitgehend aus einem 17 Kilometer entfernten Steinbruch bei Korlingen, das Eichenholz aus dem 50 Kilometer entfernten Hunsrück. Sicherlich auch ein Grund dafür, dass die Anlage mit dem Architekturpreis Wein 2013 ausgezeichnet wurde.

Schiefer
Das Schiefermauerwerk verblendet eine tragende Holzkonstruktion, die aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades eine schnelle und relativ witterungsunabhängige Bauzeit ermöglichte. Die 15 bis 20 cm tiefen Verblendersteine liegen vor einer im Mittel 5 cm dicken Mörtelhinterfüllung; ihre Aussteifung erfolgt über Maueranker. Die Breiten- und Höhenmaße der Schiefer variieren stark: Die meisten Lagen sind zwischen 8 und 10 cm hoch, teilweise befinden sich aber auch nur 2 cm hohe Steine dazwischen. Die Breiten reichen von 10 bis 40 cm. Die große Vielfalt der Abmessungen verstärkt Assoziationen mit den weithin sichtbaren Weinbergsmauern.

Das Dach ist ähnlich unkonventionell gedeckt, die Schiefer wurden aus Spanien importiert. Die rechteckigen Platten sind etwa 60 cm lang und sehr unterschiedlich breit. Sie weisen eine Höhenüberdeckung von 10 cm auf, jedoch keine seitliche Überdeckung – dort wurden Stoßfugen ausgebildet. Ein Unterdach dient daher als regenführende Schicht. Die Dachentwässerung erfolgt aus ästhetischen Gründen durch eine innenliegende Rinne.

Jedes Winzerhäuschen verfügt über einen sogenannten Viezstein: Ein Schieferverblender an der Terrasse ragt auf Handhöhe etwa 10 cm über die anderen hinaus – nahe des abendlichen Sitzplatzes dient er zum Abstellen des Weinglases.

Bautafel

Architekten: Matteo Thun, Mailand (Entwurf, Leitdetails, Innenraumgestaltung); Stein Hemmes Wirtz, Kasel (Genehmigungs- und Ausführungsplanung, Bauleitung)
Projektbeteiligte: Weber Natursteine, Korlingen (Wandschiefer), Rathscheck Schiefer, Mayen (Dachschiefer); Cox, Hanke, Kappes + Kollegen, Sulzbach (Landschaftarchitektur)
Bauherren: Sabine und Markus Longen, Longuich
Fertigstellung: 2012
Standort: Kirchenweg 9, 54340 Longuich
Bildnachweis: Linda Blatzek, Trier

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